Only bad News are good News!
01.05.2023
Bei aufkommenden Kommunikationskrisen besteht die erhebliche Gefahr, auf journalistische Rechercheanfragen improvisierte Schnellschüsse abzugeben, die sich hinterher als Bumerang erweisen und die Krise nur noch verschärfen. Kommunikationskrisen können präventiv vorbereitet werden; hierfür Verantwortliche sollten hierbei zumindest in Ansätzen ein presserechtliches Judiz entwickeln.
Das alte Gesetz des Zeitungsgeschäfts, nur schlechte Nachrichten steigerten die Auflage, seien also gute Nachrichten, gilt heute mehr denn je. Der alte Grundsatz aber, nichts sei so alt wie die Zeitung von gestern, ist passé. Das Internet vergisst nicht. Wenn wundert es also, dass in Kommunikationskrisen journalistische Rechercheanfragen einen enormen Druck aufbauen und schwere Reputationsschäden befürchten lassen. Kommunikationskrisen entstehen schleichend oder eruptiv. Sie haben regelmäßig ihre Ursache in Personenverhalten, in Produkten oder ihrem Herstellungsprozess, in der Werbung, in Warentests oder Ermittlungsverfahren. Brechen sie aus, reichen journalistische Rechercheanfragen von der seriösen Bitte um Stellungnahme bis zur geschlossenen Unterstellung, ob denn jetzt damit gerechnet werden müsse, dass Kunden betrogen worden seien. Es erscheint aussichtslos, unter enormen Zeitdruck der sich abzeichnenden negativen Berichterstattung noch einen positiven Spin geben zu können, zumal die Gefahr besteht, einem Journalisten mit einem deutlichen Wissensvorsprung zu begegnen, der damit Widersprüche aufdecken kann. Häufig lässt sich schon anhand der journalistischen Fragestellung oder dem mit ihr erzeugten Zeitdruck erkennen, ob mit einer tendenziösen, gar unzulässigen oder mit einer ausgewogenen Berichterstattung gerechnet werden kann. Für Kommunikationskrisen lassen sich allgemeine Vorbereitungen treffen, von der Identifizierung möglicher Krisenmuster in einem Unternehmen über darauf abgestimmte Pläne für Verantwortlichkeiten und die interne wie externe Kommunikation bis hin zu Schulungen von Mitarbeitern und regelmäßigen Übungen.
» Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen. « − Max Frisch
Tritt der Fall ein, heißt es aufnehmen, aufklären, antworten! Es gilt, Zeit zu gewinnen, um die Ursache der Kommunikationskrise, den Sachverhalt so schnell und belastbar wie möglich aufzuklären. Erst dann kann entschieden werden, wo die Reaktion in der ganzen Bandbreite von Schweigen über massive Gegenwehr bis hin zum mit der Zusage der Wiedergutmachung und Besserung verbundenen Eingeständnis eines Fehlers liegen soll. Und erst dann kann entschieden werden, wie auf journalistische Rechercheanfragen reagiert werden soll: etwa gar nicht, im Wege einer Stellungnahme, eines vertraulichen Hintergrundgesprächs oder eines Interviews. Hintergrundgespräch und Interview unterliegen presserechtlichen Spielregeln. Ganz entscheidend ist, dass deren Bedingungen zuvor (!) festgelegt werden, also mit einem Journalisten vorher vereinbart wird, ob Informationen und Informationsgeber vertraulich bleiben, ob und was zitiert werden oder ob alles offen genannt werden darf. Im Journalismus haben sich hierfür die Kennzeichnungen als „Unter 3“, „Unter 2“ und „Unter 1“ eingebürgert. Auch die Vereinbarung eines Autorisierungsvorbehaltes gehört hierzu, also die Abrede, dass eine Veröffentlichung zuvor freigegeben werden muss. In einer Kommunikationskrise, vor allem wenn ihre Ursache in Ermittlungsverfahren liegt, spielen häufig die Grundsätze einer Verdachtsberichterstattung eine erhebliche Rolle. Journalisten müssen über einen bestehenden Verdacht berichten dürfen, ohne dass sie hierfür die Ermittlungsmöglichkeiten von Strafverfolgungsbehörden haben. Sie können beispielsweise nicht einfach Wohn- und Geschäftsräume durchsuchen. Wären sie aber gezwungen, erst das Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens abzuwarten, wäre ihre ureigene Aufgabe, Missstände anzuprangern und Aufklärung zu fordern, vereitelt. In dieser Situation besteht die große Gefahr, dass Betroffene öffentlich an den Pranger gestellt werden, ohne dass feststünde, dass sie sich etwas zuschulden kommen lassen haben. Journalisten sind daher bei bestehenden Verdachtslagen zu äußerster Sorgfalt verpflichtet. Sie müssen ausgewogen berichten und dürfen einen Verdacht nicht als feststehende Tat darstellen. Hierbei spielt es eine erhebliche Rolle, ob sie einem Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt haben. Wenn nicht, führt dies regelmäßig zu einer unzulässigen Verdachtsberichterstattung, die beseitigt werden kann. Auch aus diesem Grunde ist die Frage, ob auf eine journalistische Rechercheanfrage reagiert werden soll, von Bedeutung.
Das Presserecht ist ein flankierendes Element der Krisenkommunikation. Je nach Ausgangslage und Zielsetzung kann mit seinen Ansprüchen die Beseitigung negativer Berichterstattung, das öffentliche Eingeständnis eines Fehlers durch die Medien oder sogar Schadensersatz erreicht werden. Ein Erfolg vor Gericht kann in einen Erfolg in der Öffentlichkeit verwandelt werden und im Rahmen der internen wie externen Krisenkommunikation zu einer Beruhigung der Lage beitragen.
Philipp von Mettenheim
Medienanwalt
CBH Rechtsanwälte