Ölpreiskrieg wird zum Krisenbeschleuniger
23.03.2020
Adolf Rostenstock, volkswirtschaftlicher Berater MainSky Asset Management / Foto: © MainSky Asset Management
Ein länger anhaltender Ölpreiskrieg würde aber schmerzhafte Kollateralschäden verursachen und die bevorstehende Rezession wegen der Corona-Pandemie noch verschärfen. In 2014 versuchte Saudi-Arabien mit den gleichen Mitteln, die aufstrebende US-Fracking-Industrie im Keim zu ersticken. Die Einnahmeausfälle durch die fallenden Preise stürzten zahlreiche Förderländer, aber auch die US-Bundesstaaten mit umfangreichen Ölförderungen in die Rezession. Dieses Mal wird es genauso sein. Die meisten kleineren und mittelgroßen amerikanischen Ölfirmen, die das Fracking dominieren, sind massiv verschuldet. Der Einbruch ihrer Einnahmen wird sie schon bald vor große Finanzprobleme stellen. Die im S&P MidCap 400 gehandelten Öl- und Gasfirmen haben seit Anfang des Jahres zwei Drittel ihrer Marktkapitalisierung verloren. Viele von ihnen werden bei einer längeren Talfahrt der Preise ohne staatliche Hilfe kaum überleben können.
Alle Ölproduzenten müssen jetzt zuerst den eigenen Cashflow erhalten, um ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Neben radikalen Kostensenkungen werden sie gezwungen, die eigene Förderung zu maximieren. Mit Ausnahme der ganz großen Ölproduzenten sind alle anderen in der jetzt kartellfreien Lage ein Preisnehmer in einem freien Markt. Deshalb muss mit einem weiteren Kollaps der Ölpreise in den kommenden Monaten gerechnet werden. Theoretisch liegt der Tiefpunkt auf der Höhe der marginalen Kosten des Grenzanbieters. In der Praxis kann man darüber nur spekulieren. Da die gesamten Produktionskosten der meisten Ölfirmen aber zwischen fünf und 15 US-Dollar ohne Abgaben (sie können ausgesetzt werden) liegen, kann man sich ausrechnen, wie weit der Preis noch fallen kann. Die marginalen Grenzkosten dürften bei nur wenigen Dollars liegen.
Entweder kommt es dann zu einer Wiederbelebung des OPEC-Kartells oder die Ölförderung zu hohen Kosten wird eingestellt. Wie auch immer, mittelfristig dürfte es deshalb wieder zu höheren, kostendeckenden Ölpreisen kommen. Aber im Unterschied zu 2014/15 werden diesmal die Kosteneinsparungen auf Seiten der Ölverbraucher keine Mehrnachfrage auslösen, solange die zu erwartende Rezession der Weltwirtschaft durch die Pandemie anhält. Vorerst also verschärft der nun gestartete Ölpreiskrieg die vom Coronavirus ausgelöste globale Wirtschaftskrise noch, weil das Einnahmedesaster der Ölproduzenten unnötigerweise hinzukommt. Die anstehende globale Rezession dürfte deshalb tiefer werden und länger anhalten.
Marktkommentar von Dr. Adolf Rosenstock, volkswirtschaftlicher Berater MainSky Asset Management