Ökosysteme liegen VVaG im Blut
23.07.2019
Joost Heidemann / Foto: © Digital Insurance Agenda
„Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit haben Zusammenarbeit in den Genen, und zwar sowohl, was die Zusammenarbeit der Mitglieder betrifft, als auch die Zusammenarbeit mit der Gesellschaft und den Organisationen, die uns umgeben. Kooperation liegt uns im Blut. Aus diesem Grund sind wir perfekt positioniert, um beim Aufbau von Ökosystemen eine wichtige Rolle zu spielen“, erklärt Joost Heideman, der bis vor Kurzem CEO von Univé war. Joost war einer der innovativen Vordenker, die auf der DIA-Konferenz 2018 in München ihre Vision präsentierten.
Univé ist ein niederländischer mittelständischer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der im Jahr 1794 gegründet wurde und neun regionale Versicherer umfasst. Er gehört zu den größten und traditionsreichsten Versicherungsunternehmen der Niederlande. Univé ist intensiv am niederländischen Ökosystem beteiligt, und zwar auf sehr innovative Weise. In dem folgenden Interview spricht Joost Heideman, bis vor Kurzem CEO von Univé darüber, wie das Versicherungsunternehmen beim Aufbau von Ökosystemen mit seinen Partnern kooperiert. Bevor er bei Univé das Ruder übernahm, hatte Joost mehrere Management- und Board-Positionen bei der ING-Gruppe – in den USA und den Niederlanden – inne. Außerdem war er Chairman der Plattform der Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit, Mitglied des Boards des niederländischen Versicherungsverbands und Mitglied des internationalen Vorstands von AMICE (Europäischer Genossenschaftlicher und Wechselseitiger Versicherungsverband). Joost verließ Univé im Januar dieses Jahres und widmet sich seitdem der Verknüpfung von Insurtechs mit etablierten Versicherungsunternehmen.
Als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit muss Univé Kooperation im Blut haben! Können Sie uns erklären, wie das in der Praxis funktioniert?
Joost: „Als Mitglieder wollen wir natürlich zusammenarbeiten, aber wir arbeiten auch mit der Gesellschaft und den Organisationen in unserer Umgebung zusammen. Als mittelständisches Einzelunternehmen, das seinen einzigen Standort in den Niederlanden hat, verfügt Univé nicht über die gleichen Finanzkapazitäten wie große Konzerne. Daher sind wir auf die Kooperation mit anderen angewiesen, die einerseits unsere starke Marke schätzen und ihr einen großen Wert beimessen, und auf der anderen Seite auf die Kooperation mit unseren Mitgliedern, die sich unserer Marke sehr verpflichtet fühlen. Wir möchten ihr Expertenwissen und ihre Kompetenzen nutzen, um gemeinsam Innovation voranzutreiben. Diesem Thema habe ich mich in den vergangenen Jahren gewidmet, nämlich uns als traditionelle Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit ins neue Zeitalter zu führen, indem wir Innovation fördern und umsetzen. Und das müssen wir gemeinsam mit anderen Unternehmen machen, weil es wesentlich effektiver ist, als wenn wir alles alleine machen.“
Wenn man das aus der Verbraucherperspektive betrachtet, gewinnt man den Eindruck, als würden sich die Versicherungsunternehmen zunehmend von Produkten auf Serviceleistungen verlagern. Höchstwahrscheinlich erfordern diese Serviceleistungen vor allem Ökosysteme. Können Sie das aus Ihrer Erfahrung bestätigen?
Joost: „Ja, und ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Univé ist sehr stark in der Gebäudeversicherung. Das war schon immer so, weil das im Wesentlichen unsere Ursprünge sind. Anstatt uns aber auf den reinen Versicherungsaspekt zu beschränken, zielen wir inzwischen verstärkt auf Leistungen im Bereich häusliche Sicherheit ab. Schließlich senken wir auch das Versicherungsrisiko und können die Versicherungsprämien auf einem vertretbaren Niveau halten, wenn wir dazu beitragen, Schäden zu vermeiden oder zumindest die Schadensfolgen auf ein Minimum zu begrenzen. Vor allem aber ersparen wir unseren Kunden viel Ärger und bewahren sie vor potenziell traumatischen Erfahrungen. Daher wollen wir zum Beispiel Leistungen auf den Gebieten Einbruchsprävention, Wasserschäden oder Elekroschäden anbieten. Wir möchten, dass unsere Kunden sich zuhause sicher fühlen, sie aber auch mit anderen Nachbarn in Kontakt bringen.
Indem wir aus unseren Kunden und deren Nachbarn eine Community bilden, einschließlich der Mitglieder von Univé, erzeugen wir im Wesentlichen ein erhöhtes Sicherheitsgefühl, in dem Versicherungen nur ein Teil des Ganzen sind. Dafür müssen wir mit zahlreichen Partnern kooperieren: mit der Nachbarschaft, unseren Mitgliedern, Installationsfirmen, Handwerkern, Anbietern von Sensoren und Alarmsystemen, etcetera. Hier haben wir die Möglichkeit, bei der Errichtung und Beeinflussung eines Ökosystems eine Rolle zu spielen. Das könnten wir alleine nie leisten.“
Welche Plattformen und Ökosysteme zu den Gewinnern der Zukunft gehören werden, lesen Sie auf Seite 2