Nicht ohne mein Auto
27.10.2020
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Verkehrsplaner sehen schon Lufttaxis durch die Gegend schweben. Wie Otto Normalverbraucher die Tickets bezahlen soll, sagen sie nicht. Dass E-Roller nur ganz konkrete Zielgruppen haben, bleibt in der Diskussion ebenso auf der Strecke wie die weiter mangelnde Attraktivität des öffentlichen Nahverkehrs. Stattdessen bleibt das Auto auch in Zukunft unverzichtbar. Wenngleich die Kfz-Versicherer auf alles vorbereitet sind.
Das Auto ist langfristig tot – es lebe die neue Mobilität. An entsprechenden Nachrichten mangelt es nicht, gesteuert sind sie allerdings vornehmlich von Lobbyisten und gierig aufgenommen von Umweltaktivisten. Alles falsch, sagen jedoch ernstzunehmende und überparteiliche Studien – zum Beispiel seitens der EU. Ganz im Gegenteil bleibt das persönliche Kfz auch weit bis ins Jahrtausend hinein das Verkehrsmittel Nummer eins. Die Hauptmotivation der Nutzer hinter dieser Vorhersage: Freiheit und persönlicher Luxus bei der Fortbewegung. Nun sind Fahrräder, E-Roller usw. auf den Straßen nicht zu übersehen. Doch wie bewegen sich die Bundebürger tatsächlich – vor allem in den größeren Städten – fort? Schließlich hat die Beantwortung dieser Frage auch eng mit der Versicherungswirtschaft zu tun. Der ADAC wollte es wissen und hat es Anfang dieses Jahres genau unter die Lupe genommen. Schließlich stehen die meisten Städte vor der Aufgabe, die vom Verkehr mitverursachten Probleme wie Luftverschmutzung und Staus zu entschärfen. Andererseits erwarten Bürger, Pendler und die Wirtschaft, dass ihre Mobilitätsbedürfnisse berücksichtigt werden. Die unterschiedlichen Erwartungen zwischen Auto- und Radfahrern, Fußgängern und ÖPNV-Nutzern zeigen: Ohne gegenseitige Rücksichtnahme und Verzicht kann ein Mobilitätswandel nicht funktionieren. Der ADAC wollte deshalb wissen, wie es um die Bereitschaft der einzelnen Verkehrsteilnehmergruppen steht, auf bislang als selbstverständlich angesehene Rechte zu verzichten, zu teilen und auf die Bedürfnisse anderer einzugehen. In einer Online-Umfrage hat der Club 2.000 Bewohner in den 40 deutschen Städten ab 200.000 Einwohnern zur Mobilität in ihrer Stadt befragt. Ungeachtet aller Diskussionen um die Verkehrswende ist das Auto demnach immer noch das meistgenutzte Verkehrsmittel in den betrachteten Großstädten. Fast drei Viertel der Befragten sind damit an zehn oder mehr Tagen im Jahr in ihrer Stadt unterwegs, knapp die Hälfte sogar an mindestens 100 Tagen. Die öffentlichen Verkehrsmittel folgen mit knapp zwei Dritteln und das Fahrrad mit fast der Hälfte der Befragten an zehn Tagen oder mehr. Die Nutzung des ÖPNV nimmt jedoch mit der Größe der Stadt zu. So ist der Anteil der ÖPNV-Nutzer in Städten mit mehr als einer Million Einwohnern um 20 Prozentpunkte höher als in Städten mit 200.000 bis einer Million Einwohnern. Ein weiterer Aspekt der ADAC-Umfrage: das Sicherheitsgefühl. Mit 55 % sind die Autofahrer diejenige Gruppe, die sich auf den Straßen ihrer Stadt am sichers-ten fühlen. Von den Fußgängern bestätigt das jeder zweite. Deutliche Defizite gibt es bei den Radfahrern, von denen sich nicht mal jeder fünfte sicher fühlt. Als defizitär wird von allen Verkehrsteilnehmern die gegenseitige Rücksichtnahme bewertet. Nur jeder fünfte Befragte empfindet die Situation in seiner Stadt als gut. Alle Verkehrsteilnehmergruppen haben das Gefühl, dass für ihre Verkehrsart mehr getan werden sollte. Müssten sich die Befragten entscheiden, welche Verkehrsart besonders gefördert werden soll, wählen relativ gesehen die meisten U-Bahn, Bus und Straßenbahn. Ein Kernanliegen des Mobilitätswandels besteht darin, den vom Auto beanspruchten Platz in stärkerem Maß dem Fußgänger- und Radverkehr zukommen zu lassen. 42 % der Befragten sind für eine solche Maßnahme, unter denjenigen, die überwiegend als Radfahrer in ihrer Stadt unterwegs sind, sind es 69 %, bei den überwiegend Autofahrenden nur gut jeder vierte (27 %).
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