„Nahles-Rente“ oder „viel Soziales bei Nahles“?

28.04.2015

Die Ministerin Andrea Nahles für Arbeit und Soziales hatte über die Förderung der Betriebsrente nur mit den Tarifparteien gesprochen. Jetzt erhält sie neue kreative Vorschläge der Assekuranz-Experten.

2015-04-28 (fw/db) Obwohl die Assekuranz nicht gerade die „große Liebe“ von Bundesministerin Andrea Nahles ist, scheint die Gefahr einer Einführung der „Nahles-Rente“ als ein neuer und bürokratischer Durchführungsweg in der betrieblichen Altersvorsorge (bAV) gebannt zu sein. Die Branche ist erleichtert, dass das Angebot „Zahlen und Vergessen“ an die Arbeitgeber, welches das Niveau der bewährten Betriebsrenten minimiert hätte, wieder in den Berliner Aktenschränken verschwindet. Die Chance auf „viel Soziales bei Nahles“ wächst von Tag zu Tag, erste Versicherer unterstützen diese positive Wende mit fairen und praktikablen Vorschlägen.

Die Zurich Gruppe Deutschland fordert aktuell eine gesetzliche Klarstellung des im Januar 2015 eingeführten Mindestlohngesetzes (MiLoG). Mit diesem Gesetz wurde ein flächendeckender und von den Branchen unabhängiger Mindestlohn von mindestens 8,50 EUR brutto je Arbeitsstunde eingeführt. Der Gesetzestext des § 3 Satz 1 MiLoG selbst lässt Rückschlüsse für eine Beschränkung des Rechtsanspruchs auf Entgeltumwandlung durch den Mindestlohn zu, was in der betrieblichen Praxis zu gewisser Verunsicherung geführt hat. Die Gesetzesbegründung besagt jedoch, dass Arbeitnehmer mit Einkünften in Höhe des Mindestlohns Entgelt umwandeln können, ohne dass es zu unzulässiger Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohnes kommt.

"Obwohl eine Gesetzesbegründung keine Rechtsgrundlage ist, auf die man sich berufen kann, ist es doch ein sehr starkes Indiz für die Zulässigkeit der Entgeltumwandlung beim Mindestlohn. Wir gehen davon aus, dass der Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung durch das Mindestlohngesetz nicht beschränkt wird. Entgeltumwandlung ist aus unserer Sicht im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung auch bei Mindestlohn möglich", sagt Björn Bohnhoff, Experte und Leiter des Fachbereichs betriebliche Altersversorgung (bAV) bei Zurich.

Zurich setzt sich wie der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. (GDV) dafür ein, dass der Inhalt der Gesetzesbegründung vom Gesetzgeber, im Interesse aller Arbeitnehmer, praxisgerecht klargestellt wird.

Ein staatliches „Nahles“-Förderpaket gegen Altersarmut

Die Zurich-Experten wollen, dass der deutsche Staat die betriebliche Altersversorgung (bAV) gerade im Segment der Geringverdiener fördert und stärkt. Denn Altersarmut betrifft überproportional die heutigen Geringverdiener und Personen mit gebrochenen Erwerbsbiografien. Diesem Personenkreis müssen daher auch bei geringem Einkommen Möglichkeiten für die private Altersvorsorge eröffnet werden.

Die Altersvorsorge-Experten der Zurich empfehlen dem Gesetzgeber sechs Schwerpunkte:

1. Die anteilige Herausnahme der bAV aus der Anrechnung auf die Grundsicherung (z. B. Fixbetrag oder x Prozent der Leistung wird nicht angerechnet).

2. Die Abschaffung der vollen Beitragspflicht von Leistungen aus der bAV zur Krankenversicherung der Rentner.

3. Aufwertung des Rechtsanspruchs auf bAV durch eine aktivere Informationspflicht des Arbeitgebers. Der Aufwand für die Arbeitgeber kann durch entsprechend begleitete Musterdruckstücke bzw. zentrale Informationswebseiten relativ gering gehalten werden.

4. Recht des Arbeitgebers auf freiwillige Einbeziehung der Arbeitnehmer in Pensionspläne für Entgeltumwandlung (Auto-Enrollment) - auch für bestehende Arbeitsverhältnisse.

5. Verpflichtung der Arbeitgeber, mindestens 50 Prozent der Ersparnisse aus der Entgeltumwandlung der Arbeitnehmer in Form von firmenfinanzierter Altersversorgung zur Verfügung zu stellen. So wäre sichergestellt, dass eine Entgeltumwandlung sich für alle Einkommensklassen immer lohnt.

6. Größere Harmonisierung aller Durchführungswege in Bezug auf die steuerliche Förderung. In diesem Zusammenhang sollte mindestens ein ergänzender Förderrahmen in Höhe von zehn Prozent der Beitragsbemessungsgrenze für firmenfinanzierte bAV im § 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz geschaffen werden.

finanzwelt-Fazit: Insbesondere mit Freibeträgen bei der Anrechnung von bAV Leistungen auf Grundsicherung, Befreiung der bAV Leistungen von Beiträgen zur Krankversicherung der Rentner und Arbeitgeberbeteiligung, ergibt sich ein vom „Schäuble“-Ministerium für Finanzen unterstütztes rundes „Nahles“-Förderpaket gegen Altersarmut im Niedriglohnsektor. „Mutti“ Merkel kann das nur Recht sein.

Die Förderung der bewährten betrieblichen Altersvorsorge, gerade auch in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ist das Ziel der großen Koalition. Die Bundesministerin hatte zunächst die Idee einer betrieblichen „Zwangsrente“ als zusätzlicher Durchführungsweg mit den Organisationen der Arbeitgeber und den Gewerkschaften diskutiert. Die Experten der Versicherer lud die Bundesministerin nicht zu den Erst-Gesprächen ein. Jetzt reagiert die Branche mit konstruktiven Vorschlägen. Vielleicht verzichtet die Ministerin auf die Einführung der „Nahles Rente“ zugunsten eines Reformpakets „Viel Soziales bei Nahles“. Die Bürger und die Branche dürfen gespannt sein, wie Andrea Nahles damit umgeht.

Dietmar Braun