Manipuliert. Na Und?

04.02.2014

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„Mögliche Manipulation – Goldpreis unter Verdacht" titelte das Handelsblatt schon im März 2013. Heute, nicht ganz ein Jahr später, hat die britische Finanzdienstleistungsaufsicht (Financial Conduct Authority, FCA) Untersuchungen wegen vermuteter Unregelmäßigkeiten bei der heiligen Kuh des offiziellen Goldpreises, dem Londoner Goldpreis-Fixing eingeleitet.

Nach LIBOR, Devisenkursen und anderen Leitgrößen scheint auch der Goldpreis wohl nicht ganz frei von Manipulation zu sein. Höflich formuliert. Nachdem Markt für Markt und Leitgröße für Leitgröße Manipulationen nachgewiesen wurden, wie sie vor kurzem nicht einmal der wirrste Verschwörungstheoretiker geäußert hätte, kommt nun auch der Goldpreis unter den begründeten Verdacht der Manipulation. Wen wundert es?

Goldmünzen ausverkauft, trotzdem sinkende Preise? Der Wirtschaftsdienst Bloomberg meldet am 08.01.2014: Die Britische Royal Mint ist ausverkauft. Die niedrigen Goldpreise haben eine „ungewöhnlich hohe Nachfrage" ausgelöst, auch aus Griechenland und Italien. Die US-Münze hat im Dezember 2013 allein 56.000 Unzen an American Eagle Goldmünzen verkauft und hatte 2013 mehrfach Lieferschwierigkeiten, da sie beim Prägen der Goldmünzen nicht mit der rasanten Nachfrage hinterherkam. Die Türkei hatte Dezember 2013 einen 64 %-igen Anstieg der Goldimporte im Vergleich zum Vormonat zu verzeichnen, die Australische Münze verkaufte 2013 über 40 % mehr Goldmünzen als im Jahr zuvor. In Asien wird physisches Gold den Verkäufern förmlich aus den Händen gerissen, und nachdem in Indien drakonische Importzölle für Gold erhoben wurden, hat dort der Goldschmuggel den Drogenschmuggel dem Wert nach überholt.**

Das Edelmetall wird aber auch über Futures gehandelt.** „Dieser Markt operiert mit einem Hebel von 1 zu 50 bis 1 zu 70 im Verhältnis zum physischen Markt und wird von einigen wenigen Großbanken maßgeblich dominiert", erklärt Folker Hellmeyer , Chefökonom der Landesbank Bremen. „Und an diesem Future-Markt kam es in der Vergangenheit, zum Beispiel auch schon im Zeitraum bis 1999, als der Goldpreis stark fiel, zu untypischen Handelsmustern, also zu Häufungen von außergewöhnlich hohen Verkäufen zu ungewöhnlichen Handelszeiten, in denen normalerweise nicht viel passiert."

Eine goldgedeckte Währung mächtiger als Kernwaffen bei der wirtschaftlichen Konfrontation von USA und China? Shanghai Daily meldet am 17.01.2014, dass China in absehbarer Zeit seine neuen offiziellen Goldreserven verkünden könnte. Die offizielle Reservemeldung der Peoples Bank of China (PBOC) erfolgte 2009 mit 1.054 Tonnen und wurde seither offiziell nicht verändert. Laut Shanghai Daily hat die PBOC zwischen 2009 und 2011 mindestens 654 Tonnen Gold, 2012 weitere 388 Tonnen Gold und 2013 mindestens weitere 622 Tonnen Gold akkumuliert. Zusammengerechnet würden diese Reserven die Volksrepublik China auf den dritten oder vierten Platz der größten Goldbesitzer-Nationen setzen, eventuell sogar knapp hinter Deutschland. China steht seit einigen Jahren in zunehmend offener wirtschaftlicher Konfrontation mit den USA. Ein wesentlicher Teil des Spielfeldes dieser Auseinandersetzung ist das Tauziehen um die Leitwährung. Derjenige, dessen Währung als Leitwährung weltweit angenommen wird, kann Energie, Rohstoffe, Waren und Dienstleistungen mit Papiergeld bzw. digitalen Nullen und Einsen bezahlen. Eine goldgedeckte Währung ist in Zeiten schwankenden Vertrauens in „Papierwährungen" eine strategische Waffe. Sie sichert Zugang zu knappen Ressourcen und schneidet den Gegner, der nur „Papiergeld" hat, gleichzeitig von diesen ab. Die Sorge der US-Regierung vor der Erstarkung des Renmimbi wird in von Wikileaks offengelegten Geheimdepeschen der US-Botschaft in Bejing dokumentiert: die Substitution von US-Dollar durch Gold und goldgedeckte Währungen. Derweil vermelden chinesische Staatsmedien quasi offiziell, dass die USA den Goldpreis aus diesem Grunde nach unten manipulieren.

Wären wir Bullion Banks, würden wir uns einen hohen oder einen niedrigen Goldpreis wünschen? Die sieben Bullion-Banks sind in einer komfortablen Situation – sie können sich von westlichen Zentralbanken physisches Gold leihen. Zurück bleibt eine Art Schuldschein, der in der Bilanz der Zentralbank unter der Position „Goldforderungen" erscheint. Die Bullion-Banks können ihrerseits das Gold weiter verleihen oder auch verkaufen und den Erlös in höher verzinste Anlagen investieren. Ein seit den 80ern stark wachsendes Geschäft, jedoch nur ein klassischer Carry Trade. Wenn der Zeitpunkt zur Rückgabe des physischen Goldes kommt, dann wäre es ungut, stiege der Preis für Gold. In diesem Fall würde sich der eben noch profitable Carry Trade desaströs in sein Gegenteil umkehren können. Ein niedriger Goldpreis wäre daher im Interesse der mächtigen Marktteilnehmer.

Mach was die Großen tun, nicht was sie sagen. „Die Bundesbank holt einen 37 Tonnen Goldschatz nach Hause" so die BILD im Dezember 2013. Die Wahrheit hinter der BILD-Meldung ist jedoch, dass von dem insgesamt ca. 87 Tonnen für 2013 zur Rückführung nach Deutschland vorgesehenen Gold nur die BILD-erwähnten ca. 37 Tonnen (davon ca. 32 Tonnen aus Paris) geliefert werden konnten, aus den USA kam kaum etwas. Merkwürdig dabei: Die laut Pressemeldungen aus Frankreich zur Rückführung jährlich zugesagten 32 Tonnen Gold entsprechen ziemlich genau der Goldproduktion Malis, das nicht nur unter französischer Militärkontrolle steht – die Goldminen Malis sollen unter anderem von deutschen Soldaten „bewacht" werden, unter dem Namen einer Friedensmission. Die der Bundesbank 2013 so gelieferten Goldbarren waren auch nicht die Originalbarren mit nachweisbaren Barrennummern, sondern erst kürzlich umgeschmolzenes Gold. So viel Raum dies für Vermutungen lässt, so sicher ist eins: Die Großen und Mächtigen wollen physisches Gold – daraus lässt sich lernen.

Eine Langfristperspektive. Wie Sie schon bei oberflächlicher Betrachtung erkennen, ist der „Preis" von Gold von anderen Faktoren als der Nachfrage nach Barren und Münzen wesentlich beeinflusst. Ob es die Auflösungen von Carry Trades sein können oder die strategischen Erwägungen von Weltmächten, physisches Gold ist im Kalkül der großen Player kaum wichtiger gewesen als heute. Wohin sich der Goldpreis kurz- und mittelfristig entwickelt? Wir wissen es nicht, denn kurzfristig ziehen viele gegensätzliche Interessen an den Strippen möglicher Manipulation. Langfristig hat Gold jedes Papiergeld überlebt. Das Problem an Prognosen ist, dass sie die Zukunft betreffen – Gold ist hier keine Ausnahme.

_(Christoph Sieciechowicz)

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Gold - Printausgabe 01/2014