Man muss auf alles vorbereitet sein
06.12.2021
Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.
Der „Karren“ gilt als verfahren. Überschuldungen weltweit. Die Zinsen am Boden. Die Inflation startet durch. Maßnahmen wie Tapering oder Zinserhöhungen sind im notwendigen Maß unmöglich, trotz aller Ankündigungen. Seit Jahren operieren die Notenbanken gegen alle Erkenntnisse der Volkswirtschaft. Sie wollen jetzt die Probleme bekämpfen, die sie selbst geschaffen haben. Das ist noch nie geglückt.
Die Problematik der unbegrenzten Geldschwemme schlägt zurück. An den Kapitalmärkten herrscht noch eitel Sonnenschein. Eine gute Stimmung, um sich mit realistischer Überlegung auf alles vorzubereiten. Auch auf das Gegenteil. Denn trotz neuer Höchststände haben sich negative Divergenzen ausgebildet. Die Hochs werden nur von wenigen, teils hoch gewichteten Aktien getragen. So hat der NASDAC 100 ein neues Hoch bejubelt. Gleichzeitig ist die Anzahl der Aktien, die auf ein neues Jahrestief gefallen sind, stark angestiegen. Nachtigall, ick …….. .
Immer mehr Anleger erkennen, dass etliche Aussagen der Entscheidungsträger nur „Beruhigungspillen“ waren. Bei den Entscheidern revidieren eine(r) nach der(m) anderen die eigenen Aussagen. Deren Glaubwürdigkeit sinkt nachhaltig. Das Geld ist aber durch nichts als Vertrauen gedeckt. Die Planwirtschaft der Notenbanken könnte jämmerlich scheitern.
Schulden und Fachkräftemangel steigen weiter
Aber bleiben wir bei den Fakten. Das übergreifende Problem sind die Schulden. Sie sind weltweit etwa drei Mal so hoch wie das BIP. Kaum eine der großen Industrienationen wird 2022 ohne weitere Schulden auskommen. Von dieser Seite wird kein Mensch eine Entlastung erwarten. Aber je höher der Schuldenberg wächst, umso unwahrscheinlicher wird eine Zinswende, mit der die Bundesbank früher aufkommende Inflation bekämpft hat. Für den Ausbau der Schulden gibt es ja mit Klima, Corona und Nachhaltigkeit „beste“ Begründungen.
Klar ist auch, dass die Inflation in diesem Jahr kräftig angezogen ist. Es kann durchaus sein, dass einer der Inflationstreiber, nämlich die Energiepreise, in den kommenden Monaten eine Kurspause einlegen. Aber die Deglobalisierung, um Lieferketten wieder sicherer zu machen, wird die Kostenseite belasten und damit natürlich die Warenendpreise. Auch die Energiewende wird es nicht umsonst geben und der geplante Anstieg der CO2-Preise trifft den Konsumenten direkt. Nicht zuletzt muss damit gerechnet werden, dass der demographische Wandel eintritt, das heißt mehr Fachkräfte in Rente gehen als neu hinzukommen.
Das verschärft den bereits vorhandenen Fachkräftemangel und erhöht den Lohndruck. Die wachsende Zahl der Rentner dürfte sich auch auf die Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung niederschlagen und so die Lohnkosten erhöhen. Wir dürfen auch bei der Berechnung der Lebenshaltungskosten den „Zinseszins-Effekt“ nicht vergessen. Selbst wenn sich die derzeitige Inflationsrate von über fünf Prozent in den kommenden vier Jahren halbiert, erleidet der zinslose Sparer einen Wertverlust bis zur nächsten Bundestagswahl von nahezu 16 Prozent. Wehe, wenn die Raten höher ausfallen.
Düstere Aussichten
Seit fast 20 Jahren liegt der Zinssatz für Spareinlagen unter 1,4 % (nur kurzzeitig bis über 2 %). Die offizielle Inflation lag durchschnittlich bei 1,41 %, Analysten errechnen aber eine wahre Inflation von 4,38 %. Sie haben auch kalkuliert, dass sich bei jährlich 2 % Inflation die Kaufkraft nach 35 Jahre halbiert, bei 3 % jährlich in 25 Jahren. Bei anhaltend höheren Lebenshaltungskosten und gleichzeitiger Null-Zins-Politik, und die dadurch hohen Minuszinsen sind dies keine guten Aussichten für unsere Jugend. Nicht nur die Gletscher schmelzen, der evtl. zu vererbende Spargroschen auch. Eine risikolose Rentenvorsorge ist unmöglich. Und ob Aktien und Immobilien dauerhaft weiter wachsen, ist sehr ungewiss. In der Hafen-City in Hamburg zahlt man schon ca. 15.000 Euro für den Quadratmeter. Willi Millowitsch würde jetzt singen: Wer soll das bezahlen….?
Als mögliche, kommende Entscheidung dürfte die Abschaffung von Bargeld diskutiert werden (Italien senkt die Grenze für Barzahlungen ab 2022 auf 1.000 Euro). Über die Digitalisierung ist dann jede Ausgabe nachvollziehbar. Nun ist es mir zunächst einmal egal, ob irgendein Amt nachprüfen kann, ob ich bei McDonald´s oder beim Sternekoch essen war. Aber „man“ könnte auch die Minuszinsen erhöhen (und abbuchen), ohne dass es möglich wäre, diese Belastung durch Abhebung des Geldes zu umgehen. Strafsteuern und/oder Sondersteuern werden einfach belastet. Die Bargeldbefürworter sprechen schon von „digitaler Diktatur“ oder vom „feuchten Traum der Ämter“ , vor denen George Orwell schon in den 80er Jahren gewarnt hat. Damals nannte man diese Bücher „Science-fiction“. Gruselig kann es dem Bürger beim Nachdenken heute schon werden.
Selbst gemäßigte Volkswirte wissen keinen schmerzlosen Ausweg aus der verfahrenen Situation. Politiker erkennen nicht, dass ihre Unfähigkeit bzw. Unwillen zu Reformen, die Duldung von falschen Geldstrategien sie in diese missliche Lage gebracht haben. Die Währungshüter und Politiker haben schon einen anderen Schuldigen ausgeguckt: Die Pandemie. Corona ist aber nicht der Grund für das Feuer, sondern nur ein Brandbeschleuniger.
Welchen weiteren Risiken Anleger bald gegenübertreten müssen und wie man am besten mit der Situation umgeht, lesen Sie auf Seite 2.