Leistung ja – Geld nein

31.08.2015

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2017 wird das Pflegestärkungsgesetz II in Kraft treten. Inhaltlich hat es viel zu bieten, orientiert sich der Pflegebegriff doch künftig an den veränderten Ursachen und Bedingungen. Doch an der katastrophalen finanziellen Situation für viele Betroffene und Angehörige wird sich kaum etwas ändern. Dies müssen Makler in den kommenden Monaten verstärkt deutlich machen.

Seit ihrer Einführung vor rund 20 Jahren arbeiten sich Bundesregierungen an ihr ab. Die soziale Pflegeversicherung, eingeführt um die Sozialversicherung von Kosten zu entlasten, ist und bleibt ein krankes Kind. Auch in den hintersten Winkeln der Republik sollte mittlerweile klar geworden sein, dass sie eines auf jeden Fall nicht kann und dies auch in Zukunft nicht können wird: die Bürger völlig von den Pflegekosten entlasten. Ganz im Gegenteil, weil die Menschen immer älter werden, steigt auch das Risiko zum Pflegefall zu werden. Schon in wenigen Jahren werden 4,5 Millionen Bundesbürger davon betroffen sein. Gleichzeitig steht aber nur ein begrenztes Angebot an stationären Unterbringungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die steigende Nachfrage wird ohne Zweifel zu explodierenden Preisen führen. Ein Ausweg könnte die Pflege daheim sein – wäre da nicht die fortschreitende Tendenz hin zu Einfamilienhaushalten. Dennoch setzt die aktuelle Bundesregierung verstärkt auf die ambulante Pflege und hat dementsprechend gerade das Pflegestärkungsgesetz II verabschiedet.

Kernpunkt des Gesetzes ist der Ersatz der bisherigen drei Pflegestufen durch nunmehr fünf Pflegegrade.

Die Einordnung der Pflegbedürftigen in diese fünf Grade hängt vom Umfang der jeweiligen Beeinträchtigung ab. Es gibt also nicht mehr die von vielen Beobachtern als unsäglich empfundenen Zeitfenster für einzelne Pflegetätigkeiten. Vielmehr kommt es künftig darauf an, wie hinderlich die vorliegende Beeinträchtigung für das tägliche Leben ist. Auf insgesamt fünf Aspekte kommt es dabei an: die Gestaltung des Alltags, geistige und kommunikative Fähigkeiten, die Mobilität, die Möglichkeit zur Selbstversorgung sowie soziale Kontakte. Da es nicht mehr relevant sein wird, ob Beeinträchtigungen nun körperliche oder psychische Ursachen haben, werden in erster Linie Demenzkranke profitieren.

Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) ist voll des Lobes über die eigene Leistung: „Mit dem Pflegestärkungsgesetz II schlagen wir einen neuen Weg bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen ein.“ Deutlich besser als zuvor entsprächen ab 2017 die Leistungen der Pflegeversicherung der individuellen Situation der Pflegebedürftigen. Gröhe weiter: „Bereits jetzt arbeiten Fachleute der Pflegekassen mit Hochdruck an der neuen Begutachtungsrichtlinie, damit der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff ab 2017 wirken kann.“ Auf Basis der neuen Richtlinien begutachten ab 2017 Mitarbeiter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung sowie von Medicproof die Pflegebedürftigkeit. Bevor es aber endgültig so weit sein wird, müssen im kommenden Jahr noch etliche Baustellen beseitigt werden. Hierzu gehören etwa die Schulungen der Gutachter und die Neuprogrammierung der Softwareprogramme, die von den Gutachtern und den Pflegekassen genutzt werden. Und es müssen die Vergütungsvereinbarungen im stationären Bereich angepasst und auf den neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff hin ausgerichtet werden.

Pflegebedürftige werden künftig beim Eigenanteil entlastet.

In der vollstationären Pflege kommt es für die Betroffenen nicht auf die Höhe der Leistungsbeträge an, sondern auf die Höhe des Eigenanteils, der aus eigener Tasche bezahlt werden muss. Dieser Eigenanteil stieg bisher mit der Einstufung in eine höhere Pflegestufe. Künftig wird der pflegebedingte Eigenanteil mit zunehmender Pflegebedürftigkeit nicht mehr ansteigen. Dadurch werden viele Pflegebedürftige entlastet. Alle Pflegebedürftigen der Pflegegrade 2 bis 5 bezahlen in einem Pflegeheim den gleichen pflegebedingten Eigenanteil. Dieser unterscheidet sich zwischen den Pflegeheimen. Im Bundesdurchschnitt wird der pflegebedingte Eigenanteil im Jahr 2017 voraussichtlich bei rund 580 Euro liegen. Hinzu kommen für die Pflegebedürftigen Kosten für Verpflegung, Unterkunft und Investitionen. Auch diese unterscheiden sich von Pflegeheim zu Pflegeheim. Wer bereits Leistungen der Pflegeversicherung bezieht, wird per Gesetz automatisch in das neue System übergeleitet. Niemand muss einen neuen Antrag auf Begutachtung stellen. So wird für die Betroffenen unnötiger zusätzlicher Aufwand vermieden. Dabei gilt: Alle, die bereits Leistungen von der Pflegeversicherung erhalten, erhalten diese auch weiterhin mindestens in gleichem Umfang, die allermeisten erhalten sogar deutlich mehr. Konkret gilt die Formel: Menschen mit ausschließlich körperlichen Einschränkungen werden automatisch in den nächst höheren Pflegegrad übergeleitet. (Beispiele: Pflegestufe I wird in Pflegegrad 2, Pflegestufe III wird in Pflegegrad 4 übergeleitet). Menschen mit geistigen Einschränkungen kommen automatisch in den übernächsten Pflegegrad. (Beispiele: Pflegestufe 0 wird in Pflegegrad 2, Pflegestufe II mit eingeschränkter Alltagskompetenz wird in Pflegegrad 4 übergeleitet.) Und was bedeutet das nun alles für die Absicherung der tatsächlichen Kosten bei Pflegebedürftigkeit? Relativ wenig, sagen neutrale Beobachter.

„Wir brauchen in Deutschland eine neue Vorsorgekultur.“

Der Karren stecke im Dreck, weil der sozialen Pflegeversicherung kein Kapitaldeckungsverfahren zugrunde liege. Im Zweifel werden Pflegebedürftige beziehungsweise deren Angehörige den größten Teil der anfallenden Kosten auch künftig aus der eigenen Tasche zahlen müssen, notfalls nach Verwertung von Hab und Gut. Falls sie nicht mit einer privaten Pflegezusatzversicherung vorgesorgt haben. Denn einem Rechenschaftsbericht der PKV zufolge kostete eine vollstationäre Pflege im Jahr 2012 in der Pflegestufe III durchschnittlich monatlich knapp 3.237 Euro, Kosten von über 4.000 Euro im Monat sind jedoch keine Seltenheit. An diesen Fakten wird kein Pflegestärkungsgesetz etwas ändern. Hier wird dann auch die Aufklärungsarbeit der Makler ansetzen müssen. Sie müssen etwas erschaffen, was Stefan M. Knoll, Vorstand der DFV Deutsche Familienversicherung, schon lange fordert: „Wir brauchen in Deutschland eine neue Vorsorgekultur.“ (hwt) Hermann Gröhe

Onlineausgabe 03/2015