Lame Duck oder Konjunkturlokomotive?

21.12.2023

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Inflation hat zwar (hoffentlich) ihren Höhepunkt erreicht. Aber Zinssenkungen stehen in weiter Ferne. Das trifft auch die einstmals blendend laufende deutsche Volkswirtschaft. Sind die goldenen Jahre vorbei? Zumindest an der Börse herrschte bis vor kurzem noch verhaltener Optimismus. Bei den Aussichten scheiden sich die Geister. Viel Phantasie ist wohl bereits in den Kursen eingepreist. Abschläge in der zweiten und dritten Reihe könnten jedoch Zukaufsgelegenheiten darstellen.

„Deutsche Industrie strauchelt dank Großaufträgen weniger als erwartet“, titelte „Zeit Online“ Anfang November in Anspielung auf den Fakt, dass die Stimmung hierzulande aktuell eher verhalten ist. Nachrichten lösen keine Freudensprünge aus. Die Bestellungen bei der deutschen Wirtschaft stiegen laut Statistischem Bundesamt im September um 0,2 %. Insgesamt entwickelte sich das 3. Quartal aber schwach, insbesondere die lokale Nachfrage ging spürbar bergab.

Erfolgsmodell unter Druck

Die deutsche Wirtschaftsleistung ist im vergangenen Quartal gesunken. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) verringerte sich preisbereinigt von Juli bis September um 0,1 %, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten jedoch zuvor noch ein Minus von 0,3 % erwartet. Grund für anhaltenden Optimismus? Nein, wenngleich die Zahlen besser ausfielen als gedacht und eine technische Rezession abgewendet werden konnte. „Die Perspektiven für das kommende Jahr 2024 bleiben verhalten positiv. So deutete der zuletzt leicht abnehmende Pessimismus der Unternehmen gemäß ifo-Geschäftsklimaindex darauf hin, dass der konjunkturelle Boden erreicht wurde. Abgesehen vom Handel verbesserten sich in allen Segmenten die Geschäftsaussichten für die kommenden Monate leicht. Getragen werden dürfte die Erholung von steigenden Realeinkommen im Zuge deutlicher Lohnsteigerungen und parallel sinkenden Inflationsraten“, so Carsten Mumm, Chefvolkswirt beim Bankhaus DONNER & REUSCHEL.

Wie reagiert der Kapitalmarkt auf die verhaltene Nachrichtenlage? In den ersten acht Monaten hat sich der DAX als Gradmesser mehr als wacker geschlagen. Im Sommer haben wir ein neues Allzeithoch gesehen; erst im September/Oktober setzte (auch bedingt durch den Ausbruch des Kriegs in Israel) eine Konsolidierung ein. Kurzzeitig rutschte das Börsenbarometer unter die 15.000er-Marke. Zum Stichtag 06.11. stand der Index wieder leicht über dieser charttechnisch wichtigen Hürde. Überhaupt hat sich der große Bruder 2023 bis dato viel besser geschlagen als MDAX bzw. SDAX. Zwar notieren die kleineren Indizes seit Jahresbeginn auch leicht im Plus, doch sie hinken weiter dem Leitindex hinterher. Die Gretchenfrage lautet, ob es noch eine kleine Jahresendrallye gibt und wie der Start ins neue Jahr 2024 ausfällt. Können die arg gebeutelten Aktien der zweiten/dritten Reihe wieder Boden gutmachen? Das setzt voraus, dass die Konjunktur sich belebt.

Schwieriges Fahrwasser

„Eine toxische Mischung belastet Deutschlands Wirtschaft“, bemerkt Ben Laidler, Marktanalyst bei eToro. Die deutsche Industrie leide unter eben dieser toxischen Mischung aus steigenden Zinsen, hohen Energiekosten und schwacher Nachfrage aus China. Allerdings wurden die Daten der vorangegangenen Quartale kürzlich nach oben korrigiert, so dass ein wirtschaftlicher Abschwung vorerst vermieden werden konnte. „Ab dem 1. Quartal 2024 wird erwartet, dass die Wirtschaft wieder auf den Wachstumspfad zurückkehrt. Allerdings sind die Wachstumsraten niedrig, und die Prognosen wurden für das 1. und 3. Quartal 2024 sowie das 1. Quartal 2025 nach unten korrigiert“, so der Experte mit Blick nach vorne. Natürlich muss erwähnt werden, dass der deutsche Aktienmarkt sehr industrielastig ist. Das unterscheidet ihn beispielsweise von US-amerikanischen Markt, der sehr auf Technologiewerte setzt. Der klassische defensive Sektor, die Pharmasparte, ist auch ein Standbein des deutschen Erfolgsmodells und hat sich rückblickend vergleichsweise gut entwickelt. Grund hierfür sind auch solide Unternehmensbilanzen.

Mit Blick auf die nahe Zukunft sieht auch Eyb & Wallwitz-Chefvolkswirt Dr. Johannes Mayr Licht und Schatten. „Mit Blick auf die kommenden Monate macht die jüngste Belebung der Konjunktur in China aber Hoffnung auf eine Bodenbildung in der Industrie. Kurzfristig das größte Risiko für die deutsche Wirtschaft liegt in einem erneuten Anstieg der Energiepreise im Winter, der über Kaufkraftverluste der Haushalte und höhere Produktionskosten die Nachfrage nochmal empfindlich bremsen könnte. Bleibt dies aus, könnte die Industrie in den kommenden Monaten ihre Stabilisierung fortsetzen. Positiv aus Anlegersicht ist zudem, dass der Preisdruck im Euro-Raum zuletzt spürbar nachgelassen hat“, so Dr. Mayr. Was sollten Sie Ihren Kunden empfehlen? Unternehmen mit intakten Geschäftsmodellen, orientiert an strukturellen Trends oder solide Dividendenaktien sind in diesen Wochen das Maß der Dinge. (ah)