Kündigung von KG-Fonds bei fahrlässiger Falschberatung

01.04.2015

Aktuelle Gerichtsentscheidungen lassen die Branche der geschlossenen Sachwertinvestments – ehemals geschlossene Fonds genannt – nicht zur Ruhe kommen. Eine bislang kaum zur Kenntnis genommene BGH-Entscheidung ermöglicht nunmehr, den Anlegern von KG-Fonds ihre Beteiligung bei bloßer fahrlässiger Falschberatung zu kündigen. Die Folgen für bestehende KG-Fonds in wirtschaftlicher Schieflage und für Vermittler können gravierend sein.

Unter der Bezeichnung BGH II ZR 444/13, U. vom 20. Januar 2015 lässt sich eine Veröffentlichung finden, die das Zeug hat, an den Grundfesten mancher bestehender KG-Fonds zu rütteln. Der Sprengstoff steckt bereits im Leitsatz:

„Der einem Gesellschafter einer Personengesellschaft aufgrund der Regelungen im Treuhand- und im Gesellschaftsvertrag gleichgestellte Treugeber kann seine Beteiligung durch Kündigung gegenüber der Gesellschaft beenden und hat dann einen Anspruch gegen die Gesellschaft auf Zahlung eines etwaigen Abfindungsguthabens, wenn er bei seinem Beitritt über die Umstände, die für seine Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung waren oder hätten sein können, nicht vollständig und verständlich aufgeklärt worden sind."

Mit dem hier genannten „… einem Gesellschafter … gleichgestellte Treugeber" ist schlicht und einfach der gewöhnliche Treuhandkommanditist gemeint. Eine Konstruktion, die eher rege und nicht Ausnahme ist. Was sind die Folgen?

Einfach kündigen

Bis zu der oben genannten BGH-Entscheidung stand einem Anleger nur bei vorsätzlicher arglistiger Täuschung ein Kündigungsrecht seiner Beteiligung zu. Zusätzlich galt, dass ein fahrlässiges Aufklärungsverschulden der Fondsgesellschaft nicht zuzurechnen ist bzw. dort nicht zu einer Haftung führt. Auch war bislang unklar, ob aus einer fahrlässigen, fehlerhaften Aufklärung beim Fondsbeitritt ein Kündigungsrecht des Anlegers resultiert. Die BGH-Entscheidung verändert dieses Weltbild. Nunmehr ist es so, dass der dem Gesellschafter gleichgestellte Anleger eines Fonds – in der Regel ein Treuhandkommanditist – bei vorvertraglicher, fehlerhafter Aufklärung seine Beteiligung kündigen und sich zum Kündigungszeitpunkt ein etwaiges Abfindungsguthaben berechnen und auszahlen lassen kann. Rechtsanwalt Daniel Blazek, Partner von BEMK Rechtsanwälte, einer der wenigen auf den Schutz von Vermittlern spezialisierten Rechtsanwaltskanzleien: „Die Entscheidung ist einer der letzten Meilensteine auf dem Weg in den Untergang ‚geschlossener Graumarkt-Fonds'. Bis es soweit ist, werden Anleger mit Fonds und Vermittlern, Insolvenzverwalter mit den Anlegern, die Vermittler mit den Verantwortlichen und schlimmstenfalls auch Staatsanwaltschaften mit diversen Beschuldigten streiten."

Die möglichen Folgen für betroffene Fonds

Der Einfachheit halber ein Beispiel: Stellen wir uns einen Fonds vor, bei dem nach Gold geschürft oder nach Öl gebohrt oder aber in Immobilienkomplexe investiert werden soll. In dem diesem Fonds zugrundeliegenden Prospekt werden Risiken, die Investitionsstrategie und die Mittelverwendung beschrieben. Ergeben sich in der tatsächlichen Ausführung erhebliche Abweichungen oder sind die Risikoangaben in erheblichen Teilen fehlerhaft, bedeutet dies, dass der jeweilige Prospekt in der Gesamtschau dem Anleger kein richtiges Bild der Anlage vermittelt, es wäre von einem Kündigungsrecht auszugehen. Sofern Anleger bei entsprechend begründeten Vorwürfen massenhaft kündigen, so wird die Fondsgesellschaft vor dem Problem stehen, dutzende oder gar hunderte stichtagsbezogene Auseinandersetzungsberechnungen zu erstellen und etwaige Auseinandersetzungsguthaben auszahlen zu müssen. Die Fondsgesellschaft kann sich gerichtlich mit den Kündigungen auseinandersetzen, muss sich aber in Prozessen gegen sie selbst mit den als Kündigungsgrund jeweils angeführten Falschberatungen ebenfalls auseinandersetzen. Fraglich, ob die Liquidität der Fondsgesellschaft reicht, dutzende oder hunderte von Prozessen zu führen und für jeden kündigenden Anleger Auseinandersetzungsbilanzen zu erstellen. Fondsgesellschaften, deren Mittel in einem schwer liquidierbaren Asset gebunden sind, können durch Kündigungswellen in Liquiditätsnot geraten. Im schlimmsten Falle, einer Insolvenz der beispielhaften Fondsgesellschaft ausgelöst von der Liquiditätsnot durch massenhafte Kündigungen, werden die Anleger, die zuerst gekündigt haben, ihr Auseinandersetzungsguthaben sogar behalten können. Sollte eine das Asset teilweise finanzierende Bank von solchen Kündigungswellen Kenntnis erhalten, so sind zusätzliche Spannungen programmiert.

Die Folgen für betroffene Vermittler

Die Folgen der BGH-Entscheidung treffen nicht nur die KG-Fondsgesellschaften, sondern auch deren Vermittler. Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass der Vermittler eines betroffenen Fonds auf denjenigen Schadensersatz in Anspruch genommen wird, der sich in der Abwicklung der Fondsbeteiligung für den Anleger nicht realisieren lässt, also die Differenz seiner ehemaligen Anlagesumme und dem Betrag, den er im Wege seiner Kündigung von der Fondsgesellschaft zurückerhält. Da das Auseinandersetzungsguthaben bei einer Fondsgesellschaft, die sich in wirtschaftlichen Problemen befindet, eher nicht dem ehemaligen Anlagebetrag entsprechen dürfte, ist diese Gefahr Regel und nicht Ausnahme. Für Vermittler, die für solche Fälle keine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung besitzen, sind die Gefahren nicht kleinzureden. Erschwerend kommt hinzu, dass kaum ein Vermittler vor der Einführung der verpflichtenden VSH-Versicherung eine solche Versicherung freiwillig abgeschlossen hatte. Blazek erklärt: „Die Krise trifft neben den Anlegern besonders die Finanzdienstleister und deren Versicherungen. Die Vermittler und Berater haften grundsätzlich für den gesamten Schaden bei normalen Pflichtverletzungen und sind das schwächste Glied in der Kette. In einigen Jahren werden auch hier nur noch Vollprofis bestehen, die anders und besser organisiert sind als bisher." (cs)

BGH-Entscheidung - Printausgabe 02/2015