Kreditaufnahme: Nur wenn es unbedingt sein muss

29.03.2015

Hans Hünnscheid

Während private Immobilieninvestoren ihre Akquisitionen oft bis an die zulässige Höchstgrenze mit Bankkrediten finanzieren, gehen Family Offices ganz anders vor: Sie finanzieren üblicherweise nur zwischen 20 und 30 Prozent des Immobilienwertes über Darlehensaufnahme. Der überwiegende Teil wird dagegen mit Eigenkapital finanziert.

Einer der Gründe für diese Vorgehensweise ist, dass Family Offices sehr viel Wert auf ihre Unabhängigkeit von Banken legen und die alleinige Kontrolle über den Immobilienbestand wünschen. Dennoch sind die aktuell extrem niedrigen Fremdkapitalzinsen auch für Family Offices verlockend.

Family Offices verhalten sich genau umgekehrt wie Privatinvestoren: Laut dem Dr. Klein-Trendindikator „Baufinanzierung" 01/2015 finanzierten Privatinvestoren ihre Immobilie im Januar 2015 zu 21,91 Prozent aus Eigenmitteln und zu 78,08 Prozent über einen Bankkredit. Family Offices nehmen dagegen in der Regel nur eine Fremdfinanzierung von 20 bis 30 Prozent in Anspruch – bezogen auf das gesamte Immobilienportfolio. Der weitaus größte Teil wird mit Eigenkapital bestritten. Als Maximalgrenze für die Kreditaufnahme fungiert bei den meisten Familien die 50-Prozent-Marke. Ein Teil der Family Offices – schätzungsweise etwa zehn Prozent – finanzieren ihre Immobilien sogar ausschließlich mit Eigenmitteln.

Die Gründe für diesen zurückhaltenden Einsatz von Fremdkapital sind vielfältig. Ein wichtiger Aspekt ist die unterschiedliche Ausstattung mit Eigenmitteln. Während vor allem private Immobilienkäufer oft nur mit Mühe das notwendige Eigenkapital aufbringen können und dafür jahrelang sparen müssen, leiden Family Offices in der Regel nicht an mangelnder Liquidität. Sie verfügen über ausreichend Mittel, um eine Immobilie komplett mit Eigenkapital erwerben zu können.

Neben der höheren Liquidität sind vor allem die größere Unabhängigkeit von Dritten und die höhere Flexibilität wichtige Gründe, auf Fremdkapital zu verzichten. Bei der Kreditvergabe verlangt die Bank in der Regel nicht nur Informationen, sondern auch Mitspracherechte im Krisenfall. Letztere werden durch entsprechende Kreditvertragsklauseln (Covenants) festgelegt und können je nach Kreditvertrag sehr unterschiedlich ausgestaltet sein. Beispielsweise kann die Bank Sondertilgungen verlangen, wenn ein festgelegter Verkehrswert unterschritten wird oder ein wichtiger Mieter auszieht. Schlimmstenfalls könnte die Bank die Zwangsversteigerung einleiten. Daher trachten Family Offices danach, entsprechende Klauseln zu vermeiden. Dies erreichen sie durch die geringen Fremdkapitalquoten. Denn bei einer Fremdfinanzierung in Höhe von 20 bis 30 Prozent des Immobilienwertes ist das Risiko aus Bankensicht deutlich geringer. Daher geben sich die Banken in diesen Fällen meist mit weniger restriktiven Covenants zufrieden.

Ein weiterer Grund für den Verzicht auf Fremdkapital ist der hohe Stellenwert, den Diskretion für Family Offices spielt. Es gibt immer noch Familien, die absolut diskret auftreten und es vorziehen, lieber ganz auf Fremdkapital zu verzichten, als im Rahmen einer Kreditprüfung zu viele Details über sich preisgeben zu müssen. Voraussetzung dafür ist eine exzellente Kapitalausstattung. Ist dies der Fall, können Objekte alleine geprüft und ganz ohne Einbeziehung einer Bank angekauft werden. In diesem Fall bleibt der Informationskreislauf geschlossen und alle Informationen zum Vermögen bleiben intern.

Ein Nachteil dieser konservativen Finanzierungspolitik ist freilich der Verzicht auf Rendite. Die meisten Immobilieninvestoren folgen in der Regel dem wirtschaftlichen Kalkül: Je höher der Fremdkapitaleinsatz, desto höher die Eigenkapitalrendite – sofern die erzielte Gesamtkapitalrendite höher ist als der Fremdkapitalzins. Dies gilt bei Family Offices nur bedingt. Zwar wollen sie mit ihren Immobilien auch Renditen erzielen, doch hat bei ihnen der Vermögenserhalt in der Regel Priorität vor der Renditemaximierung.

Dies hat auch mit dem typischerweise langfristigen Anlagehorizont der Family Offices zu tun. Sie halten Objekte oft deutlich länger als zehn Jahre, und nicht selten kommt es vor, dass Immobilien über Generationen hinweg im Portfolio einer Familie verbleiben. Damit unterscheiden sie sich grundlegend von anderen Akteuren am Immobilienmarkt. Demzufolge arbeiten Family Offices – wenn sie Kredite aufnehmen – auch mit vergleichsweise langen Laufzeiten von oft mehr als zehn Jahren. Entsprechend verhalten sie sich auch beim Thema Zinsbindung: Die derzeitigen Rekord-Niedrigzinsen werden so lange wie möglich festgeschrieben.

Allerdings bewegen sich Family Offices nicht im luftleeren Raum. Auch sie können sich dem Lockruf der Zinsen, die derzeit ein historisches Tief erreicht haben, nicht ganz verschließen. Sie müssen ihre Balance zwischen dem Erhalt der maximalen Unabhängigkeit und ihrem Renditestreben neu justieren.

Ein Ende der Niedrigzinspolitik der EZB ist derzeit nicht in Sicht. Daher wird sich unserer Meinung nach die Neigung der Family Offices zu einem leicht höheren Fremdkapitaleinsatz fortsetzen. Mit einer generellen Änderung ihrer sehr konservativen Herangehensweise beim Thema Fremdkapital rechnen wir jedoch nicht. Die finale Entscheidungsmacht über den Einsatz von Fremdkapital wird ohnehin von der Familie selbst getroffen.

(Autor: Hans Hünnscheid, Geschäftsführer Famos Immobilien)