Können Versicherungsmakler mit „Unabhängigkeit“ im Internet werben?
07.11.2023
Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte
Werbung auf der Webseite des Versicherungsmaklers: Das Landgericht Bremen hatte darüber zu entscheiden, ob ein Versicherungsmakler auf seiner Internetseite mit „Unabhängigkeit“ werben darf.
Die Versicherungsmakler GmbH warb auf ihrer Internetseite mit den folgenden Aussagen: „Wir bieten bundesweit produktunabhängige Beratung an“ sowie „Wir bieten bundesweit eine unabhängige Beratung zu folgenden Themen“. Unter dem Link ‚Anlageberatung‘ gab die Beklagte Maklerfirma unter der Überschrift ‚Kosten der Anlageberatung‘ folgendes an: „Wir bieten Ihnen verschiedene Vergütungsmodelle an. Sie haben die Wahl zwischen traditionellen Provisionsmodellen bis hin zu Honorar-Modellen in denen wir keine Provisionen erhalten.“
Abmahnung durch Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv)
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) mahnte den Versicherungsmakler vorgerichtlich ab und forderte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Versicherungsmakler GmbH gab eine Unterlassungserklärung nicht ab. Der Verband verfolgte den Unterlassungsanspruch so dann vor dem LG Bremen weiter und erhob Klage.
Vorwurf: Irreführende geschäftliche Handlung
Verbraucherzentrale Bundesverband warf dem Makler eine irreführende geschäftliche Handlung vor. Nach den eigenen Angaben des Maklers im Impressum der Internetseite verfüge der Makler über eine Zulassung nach § 34f Abs. 1 GewO und nicht nach § 34h GewO. Die beiden Tätigkeiten würden sich allerdings grundlegend voneinander unterschieden, gerade im Hinblick auf die dahinterstehenden Interessen und die Unabhängigkeit des jeweils Erlaubnispflichtigen. § 34h GewO sei gerade mit dem Ziel geschaffen worden, eine transparente und unabhängige Finanzanlagenberatung zu ermöglichen, die mit den von den Anlegern zu zahlenden Honoraren entgolten werde.
Zuwendungen eines Dritten, der nicht Anleger sei oder von dem Anleger zur Beratung, beauftragt worden sei, dürften Honorar-Finanzanlagenberater nicht annehmen, es sei denn, die empfohlene Finanzanlage oder eine in gleicher Weise geeignete Finanzanlage sei ohne Zuwendung nicht erhältlich; selbst in diesem Ausnahmefall seien Zuwendungen allerdings unverzüglich nach Erhalt und ungemindert an den Kunden auszukehren.
Daher könne sich nach Auffassung des Verbraucherzentrale Bundesverbands allenfalls der Honorar-Anlagenberater als unabhängig bezeichnen, der Finanzanlagenvermittler hingegen nicht, und zwar auch dann nicht, wenn er in Einzelfällen anstatt oder neben einer Provision sein Honorar vom Anleger erhalte. Abgrenzungskriterium sei eben die Unabhängigkeit.
Regelungen des WpHG über Bezeichnungen zur Unabhängigen Honorar-Anlageberatung
Der Verbraucherzentrale Bundesverband stützte seine Auffassung auch auf § 94 Abs. 1 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG), wo Bezeichnungen zur Unabhängigen Honorar-Anlageberatung geregelt sind:
„Die Bezeichnungen „Unabhängiger Honorar-Anlageberater“, „Unabhängige Honorar-Anlageberaterin“, „Unabhängige Honorar-Anlageberatung“ oder „Unabhängiger Honoraranlageberater“, „Unabhängige Honoraranlageberaterin“, „Unabhängige Honoraranlageberatung“ auch in abweichender Schreibweise oder eine Bezeichnung, in der diese Wörter enthalten sind, dürfen, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist, in der Firma, als Zusatz zur Firma, zur Bezeichnung des Geschäftszwecks oder zu Werbezwecken nur Wertpapierdienstleistungsunternehmen führen, die im Register Unabhängiger Anlageberater nach § 93 eingetragen sind.“
Die werblichen Aussagen des Maklers seien jedenfalls geeignet, Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die sie anderenfalls nicht getroffen hätten, nämlich, dass sie in geschäftlichen Kontakt zu dem Makler in dem Glauben träten, die Gewähr einer unabhängigen Finanzberatung zu erhalten, obschon diese kraft der gewerblichen Tätigkeit des Maklers nicht gewährleistet sei. Verbraucher, denen es gerade auf eine vollends unabhängige Beratung ankomme, würden ohne die täuschungsbedingten Angaben des beklagten Maklers ihre Entscheidung sicherlich anders treffen.
Aus Sicht des Verbrauchers bestehe die Abhängigkeit (bzw. die fehlende und vom Verbraucher aufgrund der Werbung erwartete Unabhängigkeit) schon darin, dass die Beklagte als Vermittlerin mit Anbietern bzw. einer Fondsplattformen zusammenarbeitet, die ihr eine Provision für die Vermittlung von Verträgen bezahle, worauf der Makler im Zusammenhang mit den streitbefangenen Behauptungen jedoch nicht hinweise.
Welche Auffassung vertrat der Versicherungsmakler?
Die beklagte Versicherungsmakler GmbH trug vor, dass die Bewerbung des Angebots als „produktunabhängige Beratung“ bzw. „unabhängige Beratung“ weder irreführend noch aus anderen Gründen unlauter sei. Von einer unabhängigen Beratung erwarte der Verkehr lediglich, dass der Berater alleine gegenüber dem Kunden vertraglich verpflichtet sei und in dessen Interesse rechtlich unabhängig tätig werden könne. Diese Erwartung werde vorliegend nicht enttäuscht. Sowohl der Vertrieb konzerneigener Produkte als auch eine nur beschränkte Produktpalette bei bestehender Handelsvertreterbindung seien Umstände, welche tatsächlich geeignet seien, die Unabhängigkeit des Beraters in Frage zu stellen – zumal beides dem Anleger häufig verborgen bleibe. In beiden Fällen bestehe eine rechtliche Verpflichtung des Beraters, im Interesse des Produktanbieters zu agieren.
Demgegenüber unterhalte der Makler weder gesellschaftsrechtliche noch vertragliche Verbindungen zu den Produktanbietern. Eine Anbindung bestehe ausschließlich zur Fondsplattform, über welche sie die verschiedenen Produkte vertreiben könne. Nur die Fondsplattform sei entsprechende Vertriebsvereinbarungen mit den Produktanbietern eingegangen (vergleichbar einem Großhändler beim Warenvertrieb).
Abhängig wäre die beklagte Maklerfirma lediglich, wenn die Produktanbieter ihr Weisungen erteilen könnten, an ihr gesellschaftsrechtlich beteiligt wären, oder aber die Maklerfirma nur Produkte eines bzw. ganz weniger Anbieter in ihrem Programm hätte, sodass sie faktisch auf einen Vertrieb eben dieser Produkte beschränkt wäre. Nur solche Umstände beziehe der Verkehr in seine Überlegungen ein, wenn er gedanklich eine abhängige von einer unabhängigen Beratung abgrenze.
All dies sei indes vorliegend nicht der Fall. Die beklagte Maklerfirma sei vertraglich alleine dem Kunden verpflichtet (zu den Produktanbietern unterhalte sie nicht einmal eine vertragliche Beziehung) und werde alleine in dessen Interesse tätig. Daher reiche lediglich die abstrakte Gefahr, die Beklagte könne durch die Vereinnahmung von Provisionen interessengesteuert agieren, für die Annahme, die Erwartungshaltung des Verkehrs könnte durch die inkriminierte Werbung enttäuscht werden, nicht aus. Hierfür bedürfte es konkreter Anhaltspunkte, welche vorliegend weder dargelegt noch ersichtlich seien. Zudem habe der Verbraucher die Wahl zwischen verschiedenen Beratungsmodellen.
Auch der Verweis auf § 94 WpHG verfange nicht. Tatsächlich gebe es für die Existenz des § 94 WpHG einen einfachen sachlichen Grund, welcher indes nur auf Wertpapierdienstleistungsunternehmen zutreffe. Das Vorgesagte gelte auch für den Versicherungsmakler. Die beklagte Maklerfirma wies ebenfalls daraufhin, dass nach der sog. Sachwalter-Rechtsprechung des BGH (Urteilsbesprechung von Jöhnke & Reichow dazu, siehe: HIER) der Versicherungsmakler ungeachtet der von ihm vereinnahmten Provisionen treuhänderischer Sachwalter des Kunden und verpflichtet sei, ausschließlich dessen Interessen im Auge zu haben. Mehr Unabhängigkeit als die eines treuhänderischen Sachwalters, sei im Grunde kaum vorstellbar.
Darf der Makler also nun mit „Unabhängigkeit“ auf der Webseite werben?
Das LG Bremen entschied, dass der Verbraucherzentrale Bundesverband von der Versicherungsmakler GmbH hinsichtlich der streitgegenständlichen Werbung gemäß § 8 Abs. 1 UWG in Verbindung mit den §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 UWG die begehrte Unterlassung verlangen kann. Denn gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt derjenige unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher oder sonstigen Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UWG irreführend, wenn sie über die wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung wie Vorteile der Waren oder Dienstleistungen unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben enthält.
Zusammenfassung und Fazit sowie Hinweise für die Praxis
Das Landgericht Bremen schätzt die streitgegenständlichen Äußerungen des Maklers auf seiner Webseite als unlauter ein. Nach der Auffassung des Gerichts sind die werblichen Aussagen irreführend und zur Täuschung geeignet. Das Gericht stellt im Kern auf die Regelung des § 94 Abs. 1 WpHG ab sowie auf die Tatsache, dass Makler Provisionen erhalten, die nicht vom Kunden gezahlt werden. Eine vollständige „Unabhängigkeit“ sei für Makler nur gegeben, wenn diese überhaupt keine Provisionen und / oder sonstigen Aufwendungen erhalten, sondern von dem Kunden direkt vergütet werden. Das Urteil des LG Bremen ist jedoch nicht rechtkräftig geworden (Stand 28.10.2023) und es wurde die Berufung zum OLG Bremen eingelegt.
Die Entscheidung des LG Bremen ist nicht nachvollziehbar. Es wird davon ausgegangen, dass das OLG Bremen diese Entscheidung aufheben und die Klage abweisen wird. Das Landgericht bewertet zwar auf der einen Seite die Regelung des WpHG, lässt dabei jedoch die Rechtsprechung des BGH (sog. Sachwalter-Entscheidung, siehe: HIER) zur Tätigkeit des Versicherungsmaklers sowie auch die einschlägigen Vorschriften des VVG in Bezug auf den Versicherungsmakler außer Acht. Der Erhalt von Provisionen, worauf das Landgericht unter anderem abstellt, ist unter Anbetracht der Beratung durch Versicherungsmakler nachrangig. Vorrangig zu beachten ist, dass der Versicherungsmakler per Gesetz „im Lager“ ihrer Kunden stehen, als zum Beispiel der Versicherungsvertreter. Dieses hat der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt:
„Versicherungsmakler im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein.“ (§ 59 Abs. 3 Satz 1 VVG)
„Versicherungsvermittler ist, wer als Versicherungsmakler für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherungsunternehmen oder einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein.“ (§ 34d Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2 GewO)
Der Gesetzgeber stellt den Versicherungsmakler damit in das rechtliche „Lager“ des Versicherten und lässt den Makler nach § 63 VVG für Beratungsfehler auch direkt haften:
„Der Versicherungsvermittler ist zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der dem Versicherungsnehmer durch die Verletzung einer Pflicht nach § 60 oder § 61 entsteht.“
Der Versicherungsmakler ist jedoch verpflichtet, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grunde zu legen, so dass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen (§ 60 Abs. 1 VVG). Der Makler hat demnach den für den Kunden auf Basis seiner Bedürfnisse geeigneten Versicherungsschutz zu besorgen, ohne dieses von etwaigen Provisionen abhängig zu machen. Der Makler hat dem Versicherungsnehmer sogar die Informationen nach § 60 Abs. 2 VVG vor Abgabe seiner Vertragserklärung, die Informationen nach § 61 Abs. 1 VVG vor dem Abschluss des Vertrags klar und verständlich in Textform zu übermitteln. Dadurch kann der Kunde genau überprüfen, ob der Versicherungsmakler die Bedürfnisse des Kunden richtig erfasst hat. Mit diesen gesetzlichen Maklerpflichten hat der Gesetzgeber dem Makler strenge Handlungs- und Informationspflichten auferlegt, welche bereits die Versicherungsvermittlung beeinflusst, ohne dass das dabei auf etwaige Provisionen bzw. Aufwendungen von Dritten (in der Regel Versicherungen) ankommt. Damit hat der Gesetzgeber den Versicherungsmakler bereits zu einem „unabhängigen“ Vermittler gemacht. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass das Berufungsgericht eine andere Auffassung vertreten wird. Das Berufungsverfahren ist beim OLG Bremen unter dem Aktenzeichen 2 U 102/23 anhängig.
Bestehen nun akute Abmahngefahren für Versicherungsmakler?
Für Versicherungsmakler, die auf ihrer Webseite mit „Unabhängigkeit“ werben, bestehen durchaus mögliche Abmahngefahren. Drohen könnte eine Inanspruchnahme durch Konkurrenten oder zum Beispiel auch Verbraucherverbände, wie in diesem vorliegenden Fall durch den Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv). Versicherungsmakler sollten in vergleichbaren Fällen restriktiv ähnlichen Formulierungen zum Thema „Unabhängigkeit“ umgehen und – rein aus Vorsichtsgründen – entsprechende Formulierungen von der Webseite entfernen. Solange der BGH nicht grundlegend zu dieser Thematik entschieden hat, können keine rechtsverbindlichen Einschätzungen zu werblicher Gestaltung der Webseite abgegeben werden.
Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.