Kohlenstoffabscheidung: Die Anfänge einer 1-Billion-Dollar-Industrie?

18.05.2022

Dimitry Dayen, Senior Research Analyst für Erneuerbare Energien und Umweltdienstleistungen bei Clearbridge Investments, Teil von Franklin Templeton / Foto: © Franklin Templeton

Hälfte der Projekte befinden sich in den USA

Derzeit gibt es weltweit nur 27 operative Projekte zur Kohlenstoffabscheidung, davon 13 in den USA, die allerding nur einen sehr kleinen Teil der CO2-Emissionen einfangen. Diese Zahl müsste auf Hunderte oder sogar Tausende von Anlagen weltweit anwachsen. Regierungen und der Privatsektor werden deshalb das Wachstum der Kohlenstoffabscheidung gemeinsam vorantreiben. Im Oktober 2021 bewilligte das US-Energieministerium 20 Millionen Dollar zur Unterstützung der Bundesstaaten bei der Einführung der Kohlenstoffabscheidung und -speicherung. Die australische Regierung investiert über einen Zeitraum von 10 Jahren mehr als 300 Millionen AUD$ in die Technologie. Die norwegische Regierung hat 1,7 Milliarden Euro für das sogenannte Nordlichtprojekt bereitgestellt, ein zukunftsweisendes gemeinsames Projekt von Equinor, Shell und Total, dessen Ziel es ist, CO2 in Industrieanlagen in der Region Oslofjord (Zement und Energie aus Abfall) abzufangen, zu komprimieren und als Transport per Schiff und Pipeline zur dauerhaften Lagerung in Stauseen in 2.500 bis 3.000 Metern Tiefe zu bringen.

Auf privater Seite sind die großen Ölkonzerne weltweit führend bei den Investitionen in Kohlenstoffabscheidung. Die wichtigsten Akteure sind eine Kombination aus etablierten Energie- und Rohstoffunternehmen und eine Handvoll innovativer Privatunternehmen, mit denen sie häufig zusammenarbeiten. Dazu gehören Carbon Engineering und Climeworks, die beiden führenden DAC-Unternehmen aus Kanada bzw. der Schweiz - wichtige Namen, die man in dieser aufstrebenden Branche im Auge behalten sollte. Unter den großen Ölkonzernen sind Exxon, Chevron und Total führend bei der Kohlenstoffabscheidung. Exxon besitzt derzeit Anlagen zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung in Wyoming, die in der Lage sind, Abscheidung von sieben Millionen Tonnen CO2 pro Jahr vorzunehmen. Exxon verfügt auch über ein geplantes Zentrum für die Kohlenstoffabscheidung in Houston, wo nach Schätzungen des Unternehmens bei vollständiger Umsetzung bis 2040 jährlich 100 Millionen Tonnen CO2 gespeichert werden könnten (so viel, als wenn eines von 12 US-Autos von der Straße entfernt werden würde - oder grob geschätzt 22 Millionen Autos).

Fazit

Die Technologie zur Kohlendioxidabscheidung ist insofern umstritten, als sie die Energiegewinnung aus fossilen Brennstoffen ermöglicht und die Bemühungen um ein Netz, das zu 100 % aus erneuerbaren Energien besteht, erheblich behindert. Doch die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen könnte noch ein Jahrzehnt oder länger wachsen (wenn auch mit geringeren Raten), und fossile Brennstoffe werden noch lange ein Teil des Energie-Ökosystems bleiben. Daher kann sich die Kohlenstoffabscheidung zu einer großen globalen Industrie entwickeln, die bis auf 1 Billion Dollar pro Jahr anwachsen könnte. Wir erwarten, dass Investoren, Aktivisten, Unternehmensleitungen und politische Entscheidungsträger in den kommenden Jahren verstärkt mit dieser Technologie arbeiten werden.“

Kommentar von Dimitry Dayen, Senior Research Analyst für Erneuerbare Energien und Umweltdienstleistungen bei Clearbridge Investments, Teil von Franklin Templeton