KMU-Betriebsrenten nach der Pandemie zukunftssicher aufstellen
09.03.2021
Michael Hoppstädter, Geschäftsführer Longial / Foto: © Longial
bAV in Zeiten der Pandemie
In Zeiten von 7-Tages-Inzidenzen über 50, Lockdown und Virus-Mutanten ist man versucht, die Beratung von Unternehmen zur bAV mit dem Hinweis abzutun, dass die Unternehmen doch ganz andere Sorgen haben, als sich mit der bAV zu beschäftigen. Das mag für sehr viele Unternehmen auch richtig sein. Es gibt aber auch in diesen Zeiten Firmen, die keinen bis wenig Rückgang im Geschäft bemerken, wie zum Beispiel viele Bauhandwerker, oder solche, die sogar von der Pandemie profitieren, wie etwa in den Sektoren IT und Logistik.
Immer relevant: Der Blick auf Pensionsrückstellungen …
Es lohnt sich, unabhängig von der Branche, bei den Unternehmen genauer hinzuschauen. Viele haben Teilen der Belegschaft oder auch den Gesellschafter-Geschäftsführern Direktzusagen erteilt. Dafür müssen Pensionsrückstellungen in den Bilanzen ausgewiesen werden, die zunehmend ansteigen und sowohl die Bilanz, aber auch die Gewinn- und Verlustrechnung der Unternehmen belasten. Hintergrund: Der Rechnungszins, mit dem Pensionsverpflichtungen abzuzinsen sind, richtet sich nach dem Marktzins im Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Der Marktzins sinkt seit mehr als zehn Jahren nahezu ständig, ein sinkender Rechnungszins führt zu steigenden Pensionsrückstellungen und damit zu steigendem Pensionsaufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung der Firmen. Nach unserer Einschätzung wird das Thema die Unternehmen noch mindestens fünf Jahre belasten.
… bietet eine Fülle an Ansätzen für den Berater
Hier bietet sich dem Berater eine Fülle an Beratungsansätzen: Von der Umstellung der Leistungszusagen auf beitragsorientierte Systeme über die Ausfinanzierung, mit und ohne Nutzung von Treuhandlösungen (CTA) zur Insolvenzsicherung, durch flexible Produkte und attraktiver Wertentwicklung bis hin zur Auslagerung der Verpflichtungen auf Pensionsfonds als externe Versorgungsträger. Dabei gilt zu beachten: Das Prinzip „One size fits all“ gibt es in der bAV-Welt nicht. Es ist daher die Kunst des Beraters, die Lösungen herauszuarbeiten, die den größten Deckungsgrad mit den Wünschen und Zielsetzungen des Unternehmens haben. Hier gilt eindeutig: Konzept vor Produkt.
bAV auf neue Beine stellen
Auch wenn wir uns die Produkte anschauen, gab es selten eine bessere Zeit für Berater als die aktuelle. Denn zahlreiche Versicherer erklären öffentlich, Leistungen abzusenken, und sei es nur durch die Reduzierung von sogenannten Rentenfaktoren in ihren Produkten. Garantieniveaus werden reduziert, nicht mehr 100 Prozent Bruttobeitragsgarantie, sondern Nettobeitragsgarantien oder gar nur 80 Prozent der eingezahlten Beiträge werden noch garantiert. Und zum 1.1.2022 empfiehlt die Deutsche Aktuarvereinigung die Absenkung des Höchstrechnungszinses für Lebensversicherer auf 0,25 Prozent.
Das ist die Stunde der Berater, Versorgungswerke auf neue Beine zu stellen. Früher getroffene Entscheidungen für einen Produktanbieter sollten hinterfragt, Beitrags- und Leistungskomponenten überdacht und neu gestaltet und Risiken aus bestehenden Systemen entfernt werden.
Ein Beispiel: Beitragsorientierte Leistungszusage (BOLZ) oder Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML)? Die Beitragszusage mit Mindestleistung war in den letzten Jahren häufig der Favorit der Unternehmen und der Berater, denn der Arbeitgeber haftet nur für die eingezahlten Beiträge. Bei einem Höchstrechnungszins von 0,25 Prozent ist aber gerade diese Bruttobeitragsgarantie, auch bei Vertragslaufzeiten von 25 Jahren und mehr, nicht mehr gewährleistet. Das Risiko trägt der Arbeitgeber. Es sei denn, der Gesetzgeber ändert im Superwahljahr noch die Rahmenbedingungen für die Beitragszusage mit Mindestleistung im Betriebsrentengesetz.
Es könnte also die Renaissance der beitragsorientierten Leistungszusage sein. Denn hier richtet sich die Versorgungszusage nach den nach versicherungsmathematischen Grundsätzen umgerechneten Beiträge in Versorgungsleistung. Das geschieht durch die Tarife der Versicherer und anderer Versorgungsträger. Nach herrschender Meinung der bAV-Fachwelt: kein Risiko für Arbeitgeber.
Ebenso relevant: Die Flexibilität für die Arbeitnehmer erhöhen. Denn Flexibilität ist für Arbeitnehmer ein entscheidender Knackpunkt bei der bAV. Dies haben verschiedene Studien der letzten Jahre deutlich herausgearbeitet, zuletzt der „Global Benefits Attitudes Survey 2019/2020“ von WillisTowersWatson.
Fazit – Wenn nicht jetzt, wann dann…?
Welche Gründe waren es noch mal, die dagegensprechen, die bAV in den Gesprächen mit Unternehmern zum Thema zu machen? Ich kenne keine. In diesem Sinne: Ergreifen Sie die Gelegenheit – wenn nicht jetzt, wann dann…?
Gastbeitrag von Michael Hoppstädter, Geschäftsführer Longial GmbH