Klippen bei der Kapitalanlage von Unternehmen
19.11.2021
Jan Rabe - Foto: © Metzler
Eine konsequente ESG-Integration nach diesen Grundsätzen sollte auch für all die Bereiche der Kapitalanlage eines Unternehmens gelten, die bisher zwar noch von der Regulierung ausgespart werden, in absehbarer Zeit aber unter die Offenlegungsverordnungen fallen könnten. Das betrifft insbesondere das Liquiditätsmanagement sowie die Deckungsmittel aus Direktzusagen und pauschaldotierten Unterstützungskassen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge (Abb. 2).
Abb. 2: Teile der Kapitalanlage von Unternehmen, die bisher von nachhaltigkeitsbezogener Regulierung ausgespart wurden (in dunkelblau hervorgehoben)
Bemerkung: Der wesentliche Unterschied zwischen den beiden Arten von Unterstützungskassen besteht darin, dass pauschaldotierte Unterstützungskassen ihr Vermögen grundsätzlich frei anlegen, während rückgedeckte Unterstützungskassen ausschließlich in Rückdeckungsversicherungen investieren. Daher ist der rückgedeckte Anteil indirekt von der Solvency-II-Richtlinie abgedeckt. *EbAV steht für Einrichtung betrieblicher Altersvorsorge. Quelle: Metzler
In Deutschland machten laut der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersversorgung (aba) 2018 beispielsweise Deckungsmittel aus Direktzusagen und pauschaldotierten Unterstützungskassen über 50 % aller Vorsorgeaufwendungen von Unternehmen aus – das entsprach 10 % des Bruttoinlandsproduktes der deutschen Ökonomie.
- Die strategische Liquidität umfasst jene Mittel, die nicht unmittelbar für das Tagesgeschäft benötigt werden. Vorwiegend angelegt werden diese beispielsweise in Multi-Asset-Strategien, die auf der Grundlage fundamentaler Analyse gemanagt werden. Abhängig von der Risikotoleranz und der Ertragserwartung des Anlegers leitet sich daraus die Allokation in die Anlageklassen ab. Da bei der Konstruktion von Portfolios nur ein gewisses Maß an Ausschlüssen von Einzeltiteln ökonomisch sinnvoll ist, sollten darüber hinaus finanziell-materielle Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden, um Rendite-Risiko-Profile gezielt zu stärken. Insbesondere bei der Bestückung der verschiedenen Anlageklassen im Rahmen von Multi-Asset-Strategien entfaltet eine professionelle ESG-Integration ihr volle Wirkung. Neben einem Fokus auf Renditetreiber ist ein an Nachhaltigkeitskriterien angepasstes Risikomanagement unabdingbar. Nur so können die unabsichtlich durch Nachhaltigkeitspräferenzen erzeugte Neigungen zu bestimmten Risikoprämien, Branchen oder Regionen ausgeglichen werden, ohne dabei individuelle Nachhaltigkeitsziele des Anlegers zu verwässern.
- Die Direktzusage ist eine von fünf Durchführungswegen zur betrieblichen Altersvorsorge, bei der sich Unternehmen freiwillig verpflichten, dem Arbeitnehmer im Versorgungsfall einen festgelegten Betrag direkt aus dem Betriebsvermögen auszuzahlen. Direktzusagen können mithilfe von Treuhandkonstruktionen (Contractual Trust Arrangements) in der Bilanz mit Pensionsrückstellungen saldiert werden. Durch eine solche Bilanzverkürzung können drei Dinge erreicht werden: 1. Stärken von Ertragsgrößen wie Eigenkapitalrentabilität, 2. Verbesserung von Finanzierungskonditionen durch einen niedrigeren Verschuldungsgrad und 3. Reduktion des Verwaltungsaufwands und der damit verbundenen Kosten. Wenn das Unternehmen allerdings im Anhang des Jahresabschlusses nicht über Nachhaltigkeitsaspekte der ausgegliederten Mittel aufgeklärt, können Investoren die Konsistenz der Außendarstellung des Unternehmens auch nicht prüfen. Je höher der Anteil jener Mittel ist, die im Rahmen einer ertragsorientierten Kapitalanlage ausfinanziert werden, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich der Regulator dieses Sachverhaltes annimmt.
- Für Deckungsmittel der pauschaldotierten Unterstützungskassen (knapp 6 % der Deckungsmittel), bei denen anders als bei rückgedeckten Unterstützungskassen nicht der Produktgeber, sondern das Unternehmen über die Kapitalanlage entscheidet, gilt dies ebenfalls. Zulässige Anlagemöglichkeiten reichen von Edelmetallen, Wertpapieren, Aktien oder Fonds bis hin zu Immobilien im Einzelfall. Folglich bergen auch diese Mittel potenzielle Reputationsrisiken, über die Stakeholder wie Mitarbeiter oder Investoren aufzuklären sind. Die restlichen Anteile der Altersvorsorge eines Unternehmens werden darüber hinaus von EbAV-II- (Pensionskassen mit 28 % und Pensionsfonds mit 7 %) sowie Solvency-II-Richtlinien (Direktversicherungen mit 11 % und indirekt auch für rückgedeckte Unterstützungskassen) in Sachen Nachhaltigkeit abgedeckt.
Transparente Unternehmen können Wettbewerber unter Zugzwang setzten
Es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass einzelne, vorbildlich nachhaltig geführte Unternehmen, die sehr transparent berichten, Wettbewerber unter Zugzwang setzten. Konkret lässt sich das an den Initiativen einiger Wertpapierbörsen veranschaulichen, die durch die Herausgabe von ‚best-practice‘-Konzepten Standortvorteile herausbilden. Dies zeigt, dass differenzierende Initiativen komparative Wettbewerbsvorteile begründen, was sich positiv auf Unternehmenswerte auswirken kann.
Wichtige Initiativen, die eine transparente Berichterstattung fördern, gehen von Investoren aus
Daneben leisten Investoren einen nennenswerten Beitrag zu mehr Transparenz in der Berichterstattung von Unternehmen. Aktuell zielt beispielsweise die Net-Zero Asset Manager Initiative darauf ab, Anlageportfolios ihrer Mitglieder bis 2050 klimaneutral zu stellen. Hierbei werden Emittenten von Wertpapieren aufgefordert, wissenschaftlich gestützte Zielpfade zur Erreichung des im Pariser Klimaabkommen vereinbarten 1,5-Grad-Ziels zu erstellen. So sollen externe Kosten durch den Klimawandel internalisiert werden. Doch vollständig kann eine solche Auskunft nur dann sein, wenn neben den emittierten Treibhausgasen der Geschäftsaktivitäten auch der Teil erfasst wird, der mit der Kapitalanlage des Unternehmens einhergeht.
Fazit
Das Nachhaltigkeitsversprechen eines Unternehmens sollte glaubhaft, nachvollziehbar und wirksam sein. Reflektieren sollte sich dies ebenfalls in dessen Kapitalanlage, die nicht zuletzt von den regulierenden Instanzen zukünftig noch stärker auf Widersprüche geprüft werden wird. Im Zuge einer immer stärkeren Differenzierung von Investoren zwischen vorbildlich nachhaltig geführten Unternehmen und deren Nachzüglern sind diejenigen Emittenten von Wertpapieren im Vorteil, die in Vorleistung treten. Konkret bedeutet dies: Regularien antizipieren, Standards setzen, Reputationsrisiken ausschließen und Rendite-Risiko-Profile in Anlagestrategien optimieren.
**Autor: Jan Rabe – Co-Leiter Sustainable Investment Office, Metzler Asset Management GmbH
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