Klimaregulierung und Anreizsysteme für Metropolen

03.06.2022

Almere, Niederlande / Foto: © Pavlo Glazkov - stock.adobe.com

Immobilien verursachen im Schnitt 60 % der CO₂-Emissionen in Städten weltweit. In den größten Wirtschaftszentren wie London (78 %), Tokio (73 %), Washington (71 %), Paris (70 %) oder New York (66 %) ist es sogar noch mehr. Das zeigt die neue JLL-Studie „Decarbonizing Cities and Real Estate“ (Dekarbonisierung von Städten und Immobilien). In der Studie wurden weltweit 32 Metropolen untersucht.

Die Studie zeigt eine erhebliche Lücke zwischen wissenschaftlichen Erkenntnissen, dass Emissionen nicht weiter steigen dürfen, den Auswirkungen der Immobilienbranche und städtischen Klimaschutzmaßnahmen. Die Städte, die den richtigen Mix aus Regulierung, Anreizen und Innovation herstellen, werden eine Dekarbonisierung am erfolgreichsten vorantreiben. Dafür setzen sich Stadtverwaltungen aktuell oft ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele, die oft weit über den nationalen Zielwerten liegen. Z.B. München will ab 2025 nur noch erneuerbare Energien nutzen und wie auch Düsseldorf und Frankfurt bis 2035 das CO₂-Netto-Null-Ziel erreicht haben. Hamburg will bis 2040 folgen, Berlin in 2045. Gleichzeitig wird Plänen zur Bekämpfung der Kohlenstoffemissionen von Gebäuden häufig nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt.

„Um eine ganzheitliche Strategie zur Dekarbonisierung von Gebäuden aufzustellen und umzusetzen, geht es nicht ohne Partnerschaften. Stadt, Entwickler, Vermieter und Nutzer sind hier von größter Bedeutung, da sie wesentliche Stakeholder im Immobilienzyklus darstellen. Klimaschutz geht nur gemeinsam“, erklärt Dr. Gunnar Gombert, Head of Sales & Business Development bei JLL. Weltweit müssten zudem gemeinsame Anstrengungen intensiviert werden. „Partnerschaften zwischen dem Privatsektor und der öffentlichen Hand sind entscheidend, um greifbare Fortschritte bei der Dekarbonisierung der Wirtschaft zu erzielen, insbesondere in den nördlichen Ländern, wo der Sanierungsbedarf des Gebäudebestands hoch ist“, meint auch Guy Grainger, Global Head of Sustainability Services and ESG bei JLL. „Wenn dies nicht geschieht, müssen wir damit rechnen, dass lokale Regierungen strenge Vorschriften und Strafen für Gebäudestandards einführen – da wird es Gewinner und Verlierer geben, wenn Städte die Zielvorgaben bei Treibhausgasemissionen auf null herunterfahren.“

Best Pratice & Fokus auf der Privatwirtschaft

Die Studie hebt gleich mehrere Städte für ihre innovativen Ansätze zur Emissionsreduzierung hervor. Darunter New York City, mit einigen lokalen Gesetzen, die zu den strengsten der Welt gehören. Singapur und Vancouver präsentieren dafür ganzheitliche Ansätze zur Verbesserung ihres Gebäudebestands. Paris und Amsterdam nehmen bei der Berücksichtigung der grauen Energie (in Gebäuden gebündelte Energie, die für Bau, Herstellung und Transport aller Materialien sowie beim Bau selbst aufgewendet wurde, a.d.R.) eine Vorreiterrolle ein. Auch London und Los Angeles stehen für Engagement beim Thema Biodiversität im Fokus. Tokio setzt derweil auf das „Cap-and-Trade“-Programm (Emissionsobergrenze und-zertifikatehandel), das Immobilieneigentümern Anreize zur Verringerung der Emission bietet.

Die Studienautoren warnen jedoch auch, dass die Politik auf globaler Ebene wissenschaftlichen Erkenntnissen hinterherhinkt. Der private Sektor müsse noch stärker in Führung beim Klimaschutz gehen. „Es ist nicht ratsam – und das beobachte ich leider allzu oft – auf Regulierungen, Daten oder Berichtsstandards zu warten, um Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen. Wir brauchen internationale Konsistenz und Standards, gar keine Frage, aber diejenigen, die heute handeln, werden morgen über widerstandsfähigere Immobilien verfügen und einen Wettbewerbsvorteil erlangen“, analysiert Gombert.

Neue Zusammenarbeit ist notwendig

Der Umbau von Energienetzen stellt eine der größten Herausforderungen für das Erreichen der Treibhausgasziele dar. Entwickler, Eigentümer oder Mieter haben auf diese Hürden jedoch kaum einen direkten Einfluss. Eine Zusammenarbeit auf stadtübergreifender, nationaler und internationaler Ebene sei deshalb notwendig. Städte sollten dafür mit ihren Nachbarn und nationalen Regierungen zusammenarbeiten. Nur so entsteht eine groß angelegte Infrastruktur für erneuerbare Energien und Energiespeicherung. Innovation, Wissensaustausch und Inkubatoren nehmen eine wichtige Position ein, um die Klimaanpassung der Bestandsgebäude mit hoher Geschwindigkeit zu erleichtern – insbesondere für private und kleine gewerbliche Eigentümer sowie Nutzer.

Denn in den Industriestädten stehen rund 80 % der Gebäude, die im Jahr 2050 zum Bestand gehören werden, schon heute. Um die für 2050 gesteckten Ziele zu erreichen, müssen die Sanierungsraten 3 % pro Jahr übertreffen. Derzeit liegt dieser Wert jedoch gerade einmal bei 1–2 %. Die Kooperation zwischen den Städten untereinander sowie mit dem Privatsektor muss deutlich intensiviert werden, um das zu ändern.

„Weltweit wird ein breites Spektrum an Regulierungen und Berichtsstrukturen eingesetzt. Dabei werden aber unterschiedliche Messgrößen, Definitionen und unterschiedliche Werkzeuge genutzt, um Emissionsziele zu erreichen. Mehr grenzüberschreitende und vor allem innovative Zusammenarbeit bei Klimaschutz ist auch im Immobiliensektor notwendig, um die Folgen des Klimawandels abzumildern und die gesetzten zeitlich begrenzten Ziele zu erreichen“, erläutert Gombert abschließend. (lb).