KI in der Finanzierungs- und Immobilienindustrie

30.10.2018

Dr. Stefan Schulte, Leiter Big Data & Data Science PlanetHome Group GmbH / Foto: © PlanetHome Group

Welche Branchen von künstlicher Intelligenz profitieren

Grundsätzlich werden alle Branchen von den Ergebnissen künstlicher Intelligenz profitieren. Die Frage, die sich stellt, ist vielmehr die nach den Anwendungsfällen in denen KI gestützte Lösungen heute bereits benötigt und eingesetzt werden. In erster Linie sind dies sicherlich die Bereiche Automation und Medizin, denn hier sind in den letzten Jahren die größten Fortschritte erzielt worden. Aber auch der Handel setzt mehr und mehr auf solche Lösungen, beispielsweise, wenn Lebensmittelhändler ihre frische Ware durch ein Kamerasystem laufen lassen, um verdorbene Lebensmittel auf diese Weise besser und schneller zu identifizieren. Nachholbedarf gibt es sicherlich in den Bereichen Banken, Versicherungen und Finanzierung, auch, aber nicht nur wegen der regulatorischen Hürden, die überwunden werden müssen.

Herausforderungen der Banken und Immobilienbranche

Die Bankenbranche hinkt dem Thema künstlicher Intelligenz noch etwas hinterher, versucht aber nun mit hohen Investitionen den Rückstand wieder aufzuholen. Im Bereich der Forschung und Entwicklung entstehen in diesen Branchen neue Geschäftsprozesse mit enormem Veränderungspotential, z.B. im Bereich Automatic Reasoning, also dem maschinellen Verarbeiten natürlicher Sprache, wie es beispielsweise beim Amazon Echo Alexa Verwendung findet, oder im Bereich Cognitive Banking.

Insbesondere letzteres bietet durch die Fähigkeit verschiedene Daten aus unterschiedlichen Quellen zu nutzen, sie zu verbinden und durch die Interaktion mit dem Menschen ständig zu verbessern, immens viele Möglichkeiten, eine völlig neue Art der Interaktion und des Kundenerlebnisses – der Customer Experience – zu schaffen.

Die Einbindung kognitiver Systeme in die bestehenden Architekturen wird zu den großen Herausforderungen der Banken und Finanzdienstleister in den nächsten Jahren zählen. Einsatzgebiete für solche kognitiven Systeme können Cognitive Agents genauso wie Cognitive Advisors sein. Diese werden primär in der telefonischen und/oder digitalen Kundenbetreuung z.B. im Call Center eingesetzt. Andere Herausforderung für die Banken ergeben sich in den Back Office Bereichen, z.B. der Bearbeitung von Finanzierungsanträgen. Völlig anders stellt sich die Situation im Bereich der Immobilienwirtschaft dar. Das Thema KI spielt hier aktuell noch eine sehr untergeordnete Rolle. Grund dafür ist die extreme Zersplitterung des Marktes mit über 37.000 Immobilienmaklern, viele davon als Einzelunternehmer tätig. PropTechs haben zwar in den letzten Jahren mit digitalen Geschäftsmodellen für Bewegung gesorgt, diese basieren allerdings eher auf klassisch analytischen Methoden als auf KI-basierten Verfahren. Impulse könnten hier die Großen und Etablierten der Branche setzen, wie z.B. die Planet Home Group, die Sparkassen Immobilien oder Engel und Völkers. Einige haben sich bereits auf den Weg der Digitalisierung gemacht (bspw. PlanetHome Group), beginnen die Vorteile auszuloten und die Themen Customer Experience, Customer Journey und Digitalisierung umzusetzen, um sich langfristig als Branchentreiber zu etablieren.

Künstliche Intelligenz als Differenzierungsfaktor

Ob Banken oder Immobilien, die Nutzung künstlicher Intelligenz kann beiden Branchen als wesentlicher Differenzierungsfaktor dienen, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. Bei den Banken wird es primär um die Nutzung der Datenvielfalt gehen. Die Finanzdaten dieser Institute reflektieren die digitalen Transaktionen von Kunden im Investment und Kreditbereich sehr exakt, sind jedoch sehr umfangreich und müssen daher mit spezifischen Methoden angegangen werden.

Für beide Branchen gilt dass Graph Analysen, Deep Learning Methoden und Netzwerkanalysen hier die geeigneten Techniken sind, um vernetze Verhaltensmuster zu entdecken und daraus Handlungsoptionen abzuleiten. Dies bedeutet, sich von den althergebrachten Methoden überwachten Lernens, bei denen das Analyseergebnis durch die entsprechenden Ausgabevariablen vorgegeben wird, zu trennen. An deren Stelle treten neuronale Netze, also selbstlernende Systeme, die mit jeder Iteration besser und genauer werden. Neuronale Netze bestehen aus Input Neuronen, Hidden Neuronen und Output Neuronen. Die Input Neuronen nehmen Informationen oder externe Signale auf, die Hidden Neuronen verarbeiten diese in ein- oder mehrdimensionalen Schichten und die Output Neuronen geben diese als Ergebnis wieder nach außen.

In der Vergangenheit war es durch begrenzte Rechenleistung nur möglich, wenige neuronale Netze parallel laufen zu lassen. Durch die Nutzung von Cloud Technologien, und den damit verbundenen Möglichkeiten der verteilten Rechenleistung, können heute tausende neuronale Netze parallel laufen und die Ergebnisse entsprechend verarbeitet werden. Setzt man diese Methoden konsequent ein, zum Beispiel im Bereich Cognitive Banking, ergeben sich relevante Wettbewerbsvorteile, die sich auf strategischer Ebene als echter Differenzierungsfaktor darstellen und auf operativer Ebene ganz entscheidend das Kundenerlebnis verbessern können.

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