Keine Luxusfrage

12.06.2016

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Unbestritten deckt die gesetzliche Krankenversicherung nur denjenigen Bedarf ab, den das Umlagesystem zulässt. Wer mehr haben möchte, kommt nicht um eine private Zusatzpolice herum. Laut den Geschäftszahlen der privaten Krankenversicherung besteht dieser Bedarf bei Mio. Bundesbürgern und er wächst weiter. Eine aktuelle Untersuchung sollte Maklern allerdings zu denken geben.

Im Bereich der Zusatzversicherungen brummt das Geschäft der privaten Krankenversicherer buchstäblich. Ganz weit vorne: die Zahntarife. 2014 gab es laut GDV-Statistik insgesamt rund 18,5 Mio. solcher Policen bei einem Zuwachs um etwa eine halbe Mio. gegenüber dem Vorjahr. Alleine auf den Zahnbereich entfielen danach zuletzt mehr als 14 Mio. Verträge. Danach kamen ambulante Tarife mit mehr als 7,7 Mio. Stück und Zusatzversicherungen für Wahlleistungen im Krankenhaus mit knapp 5,9 Mio. Verträgen. Und trotz einer „gefühlt guten Absicherung durch die gesetzliche Krankenversicherung“ ist das Potenzial für Neuabschlüsse von privaten Krankenzusatzversicherungen laut einer aktuellen Studie der Marktforscher von YouGov Deutschland weiterhin gegeben. Jeder 9. gesetzlich Versicherte (11 %) zwischen 18 und 59 Jahren in Deutschland plant demnach, in den kommenden 6 Monaten eine oder mehrere dieser Policen bestimmt oder wahrscheinlich abzuschließen. Knapp jeder 5. (19 %) hat dies zumindest vielleicht vor. Der Anteil jener, die bereits eine private Krankenzusatzversicherung besitzen, ist laut YouGov im Vergleich zu 2013 angestiegen. Besaß 2013 jeder 5. (20 %) gesetzlich Versicherte einen derartigen Zusatzschutz, war es 2015 knapp jeder 4. (23 %).

Online-Abschlüsse auf dem Vormarsch

Die Studienergebnisse zeigen ebenfalls, welche Abschlusswege für die Befragten bei einer privaten Krankenzusatzversicherung überhaupt bevorzugt werden. Das Internet spielt hier für Abschlussplanende eine bedeutende Rolle. Für über ein Drittel der Befragten (35 %) kommt ein Online-Abschluss über ein Vergleichsportal infrage. Ebenfalls ein Drittel (34 %) kann sich vorstellen, online über die Homepage einer Versicherungsgesellschaft einen Vertrag abzuschließen. Den klassischen Weg über den Versicherungsvertreter zieht immerhin noch knapp jeder 4. Abschlussplaner (24 %) in Betracht. Makler müssen sich demnach mächtig ins Zeug legen. „Im Altersvergleich unserer Studie fällt auf, dass nicht etwa die jungen, vermeintlich internetaffineren Versicherten einen Online-Abschluss in Betracht ziehen, sondern vielmehr die über 40-Jährigen“, sagt Markus Braun, Head of Marketing & Sales bei YouGov. „Zusätzlich sollten Anbieter eine gute Position bei den Vergleichsrechnern anstreben, um das Vertriebspotenzial bestmöglich zu nutzen“, so Braun weiter.

Ergänzungsversicherungen als nachgefragte Lückenfüller

Natürlich stellt sich dabei automatisch die Frage, inwieweit die privaten Krankenversicherer sichtbar von Leistungseinschränkungen in der GKV profitieren. Michael Albrecht, Hauptabteilungsleiter Maklervertrieb bei den Barmenia Versicherungen, sieht die Antwort hierauf überaus differenziert: „Deutschlands Gesundheitssystem zählt zu den weltbesten Systemen. Das ist so. Versicherte profitieren hier von kurzen Wartezeiten, freier Arztwahl und gutem Zugang zum medizinischen Fortschritt. Ihnen steht ein flächendeckendes Netz von Kliniken und Ärzten zur Verfügung.“ Trotzdem sei der Leistungskatalog der GKV für den ein oder anderen nicht umfangreich genug. Diese Menschen wünschten sich eine bessere Versorgung mit individuellen Leistungen. Und die bekämen sie bei den privaten Krankenversicherern. Besonders im Bereich der zahnärztlichen Zusatzleistungen oder auch im Krankenhaus würden Ergänzungsversicherungen nachgefragt. Ähnlich sieht dies Morgen & Morgen Geschäftsführer Peter Schneider: „Seit Jahren wächst der Bereich der Ergänzungsversicherungen. Durch eine solche private Zusatzversicherung kann der Versicherungsschutz in vielen Bereichen ergänzt werden.“ Leistungsbeschränkungen in der GKV führten dazu, dass Versicherungsnehmer sowohl den ambulanten als auch den stationären Gesundheitsbereich sowie Zahnleistungen zusätzlich absicherten. Allerdings erkennt er eine klare Entwicklung hin zu einer ganz anderen Art von privater Zusatzversicherung: „Pflegeversicherungen rücken weiter in den Fokus.“ Im Pflegefall drohten finanzielle Einbußen, die im Bedarfsfall sowohl den Pflegebedürftigen als auch seine Angehörigen treffen. Die Absicherung des ambulanten und stationären Gesundheitsbereichs sowie des Zahnbereichs werde auch zukünftig leicht steigen, jedoch „bei verlangsamten Neugeschäft“.

Es muss nicht immer „First Class“ sein

Wobei sich die Präferenzen ohnehin verändern – purer Luxus entspricht scheinbar nicht mehr dem Zeitgeist. Etwa wenn es um stationäre Tarife für das Einbettzimmer oder die Chefarztbehandlung geht. Laut Schneider wird die Absicherung dieser Komfortleistungen im Krankenhaus zwar weiterhin von Versicherern angeboten und auch nachgefragt. Diese Zusatzleistungen stünden jedoch nicht im Fokus. Wichtiger ist den Bundesbürgern mithin die Schließung der Lücken, die durch Streichung von Leistungen aus dem Katalog der GKV entstehen. Allerdings kommt angesichts des äußerst schwierigen Geschäfts in der privaten Vollversicherung zuweilen die Frage auf, ob sich der eine oder andere private Krankenversicherer irgendwann ausschließlich auf das Geschäft mit Zusatzversicherungen konzentrieren könnte. Für Albrecht ein Ding der Undenkbarkeit: „Es gibt viele Länder, in denen die Krankenversicherung in Einheitssystemen organisiert ist. In diesen trifft man verstärkt auf Rationierung. Die Grundversorgung bewegt sich auf niedrigem Niveau und von Wettbewerb kann keine Rede sein. Das kann natürlich nicht unsere Vorstellung sein.“

Einheitssysteme bürgen zudem die Gefahr, dass sich eine 2-Klassen-Medizin einstelle, weil bestimmte besondere Leistungen nur privat erkauft werden könnten. Nur Menschen, die es sich erlauben könnten, hätten dann mithilfe privater Zusatzversicherungen Zugang zu besserer medizinischer Versorgung. Albrecht: „Wir glauben allerdings an das duale System, weil es nur hier Zugang zu Spitzenmedizin und hoher Qualität gibt. Insofern stellen wir uns die Frage momentan nicht, ob wir uns nur auf Zusatzversicherungen konzentrieren wollen.“ (hwt)

(Private Krankenzusatzversicherung , finanzwelt extra 03/2016 , Krankenversicherung)