Jahresendrally oder Turbulenzen?

29.09.2015

Das erwarten Anlageexperten und Vermögensverwalter vom vierten Quartal. An der Börse herrschen weiter unsichere Zeiten. Wie könnte sich der Dax bis Ende des Jahres entwickeln? Welche Branchen profitieren im vierten Quartal, welche Branchen schneiden eher schlecht ab? Verändert sich die US-Zinspolitik?

(fw) Vermögensverwalter, Fondsmanager und Anlageexperten geben Antworten.

**„Mehrere Problemfelder können Finanzmarkt in Turbulenzen stürzen“

**

Philipp Dobbert, Chefvolkswirt quirin bank:

„Das vierte Quartal dürfte für kurzfristig orientierte Anleger, die eher auf schnelle Gewinne denn auf langfristigen Anlageerfolg setzen, ein schwieriges werden. Derzeit gibt es gleich mehrere Problemfelder, die den weltweiten Finanzmarkt in Turbulenzen stürzen könnten: die schwächelnde Konjunktur in China, aber auch in den anderen großen Schwellenländern, politische Instabilität im Mittleren Osten und nicht zuletzt das Hin und Her in Bezug auf die zukünftige US-Zinspolitik. Ob, wann und wie sich dies auf den Finanzmarkt auswirkt, lässt sich nicht prognostizieren. Soviel Ehrlichkeit muss sein.

Für langfristig orientierte Anleger sind die Gründe für das kurzfristige Auf und Ab an den Finanzmärkten ohnehin irrelevant. Sie sollten gemäß ihrer Risikotragfähigkeit mit einer strategischen Aktienquote investiert sein und die Kapitalmärkte systematisch für sich arbeiten lassen. Ganz entspannt, Schlussquartal hin oder her.“

**„Übertriebene Angst vor Blasen – Zeiten bleiben unruhig“

**

Allan Valentiner, Vorstand AMF Capital:

„Grundsätzlich sehen wir den deutschen Aktienmarkt aus fundamentaler Sicht nicht als überbewertet an. Europa und Deutschland geht es wirtschaftlich immer besser und der schwache Euro unterstützt den Trend. Sicherlich aber wird der Markt weiterhin sehr volatil bleiben. Die Sorge vor möglichen Blasen lässt die durch die Notenbanken geschaffene hohe Liquidität an den Kapitalmärkten sehr schnell von einer Assetklasse in die nächste „schwappen“. Generell sehen wir am Markt eine übertriebene Angst vor Blasen – das betrifft sämtliche Assetklassen und verschiedene Sektoren. Daher werden die Zeiten vorerst unruhig bleiben.

Historisch gesehen profitieren gewisse Sektoren vom Geschäft im vierten Quartal. Das hat vor allem mit dem üblichen Jahresendgeschäft zu tun. Dazu gehören beispielsweise der IT- und der Konsumgütersektor.

Wir rechnen mit einer Anhebung des US-Leitzinses im Dezember. Obwohl diese wohl nur gering ausfallen wird und nur eine leichte Anpassung an die „Normalität“ darstellt, ist damit zu rechnen, dass auch hier viel Liquidität in den US-Dollar fließen wird. Dieses wird u. a. auch zu Lasten der Schwellenländer gehen.“

**„Spürbarer Anstieg der Risiken“

**

Rainer Ottemann, Concord Investment Solutions:

„Das Umfeld für die Kapitalmärkte wird derzeit in der Tat von wachsender Unsicherheit gekennzeichnet. Die Gründe dafür sind vielschichtig, mal ist es die Konjunktur in China, dann die Fed-Politik oder Währungsturbulenzen – oder zuletzt das Thema VW mit Auswirkungen auf die ganze Autobranche. Und die Unsicherheit kommt ja vor allem dadurch zustande, dass man nicht in der Lage ist, diese verschiedenen Einflussfaktoren zu prognostizieren und dann die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen – bis am Ende wieder der „schwarze Schwan“ bemüht wird, um das ganze Desaster als unvorhersehbar einzustufen.

Aus diesem Grunde haben wir keinen Ausblick bzw. nicht die Glaskugel, heute die Entwicklung verschiedener Indizes, Branchen oder Währungen zum Jahresende seriös vorherzusagen. Was wir heute aufgrund systematischer Analyse der Marktpreisrisiken erkennen – und diese Entwicklung hat sich seit Ende des ersten Quartals kontinuierlich abgezeichnet –, ist ein spürbarer Anstieg der Risiken. Auch die aktuellen Auswertungen zeigen diesbezüglich keine Entwarnung – im Übrigen sind Europa, Asien und die Emerging Markets mehr betroffen als z.B. Nordamerika. Diese Tatsache sollte man bei der Asset Allocation berücksichtigen und das Aktienexposure nicht voll ausfahren – wir haben derzeit nur knapp über 50% Investitionsquote.

Und die Renten weisen fast die gleichen Risiken auf wie an den Aktienmärkten – das bedeutet, derzeit ist Cash Festverzinslichen vorzuziehen. Wie immer gilt also auch für das 4. Quartal 2015: Bei der Jagd nach Performance sollten Anleger nicht das Risiko außer Acht lassen, denn wenn die Märkte wieder nachhaltig nach oben drehen, nützt jeder Euro, der vorher nicht verloren wurde.“