Ist Arbeitsunfähigkeit gleichbedeutend mit Berufsunfähigkeit?

30.12.2024

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Wann liegt eine Berufsunfähigkeit vor?

Um Leistungen aufgrund einer Berufsunfähigkeit zu beziehen, muss der Arbeitnehmer zunächst eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen haben und sodann die Voraussetzungen dieser erfüllen. Die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit richten sich nach dem individuellen Versicherungsvertrag. Meist liegt eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vor, wenn der Versicherungsnehmer zu mehr als 50 Prozent berufsunfähig ist.

Eine Arbeitsunfähigkeit ist also nicht gleichbedeutend mit einer Berufsunfähigkeit. Eine Arbeitsunfähigkeit führt nicht automatisch zu einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit.

Tritt die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit ein, hat der Versicherungsnehmer einen Anspruch auf Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente gegenüber dem Versicherer (Der Leistungsantrag in der Berufsunfähigkeitsversicherung). Dabei schützt die Berufsunfähigkeit die Gefahr, einen bestimmten Beruf voraussichtlich dauerhaft nicht mehr ausüben zu können. Die Vereinbarung von abstrakten oder konkreten Verweisungsmöglichkeiten ist jedoch möglich. Auch die Länge der Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente bei bestehender Berufsunfähigkeit richtet sich nach dem individuellen Vertrag.

Arbeitsunfähigkeit gleichbedeutend mit Berufsunfähigkeit aufgrund AU-Klausel?

Neben einer eigenständigen Krankentagegeldversicherung kann auch die Berufsunfähigkeitsversicherung eine Arbeitsunfähigkeitsklausel enthalten. Diese sogenannte AU-Klausel kann zu der Frage führen, ob eine Arbeitsunfähigkeit gleichbedeutend mit Berufsunfähigkeit ist.

Diese Frage ist im Ergebnis jedoch zu verneinen. Berufsunfähigkeitsversicherungen begrenzen die Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit regelmäßig sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch was die weiteren Voraussetzungen eines Leistungsantragsverfahrens angeht. In zeitlicher Hinsicht unterscheidet sich die Leistungsdauer in der Regel zwischen 6 und 24 Monaten. Manche Versicherungen knüpfen die Leistungen wegen Arbeitsunfähigkeit auch daran, dass zwingend ein Leistungsantrag wegen Berufsunfähigkeit gestellt wird. Andere Versicherungen schreiben dem Vertrag die AU-Leistungen wieder „gut“, manche BU-Versicherungen leisten nur einmalig für einen begrenzten Zeitraum. Wurden die Leistungen „aufgebraucht“, können dieses nicht noch einmal angerufen werden. Vor diesem Hintergrund kann die Frage, ob Arbeitsunfähigkeit gleichbedeutend mit Berufsunfähigkeit aufgrund von AU-Klauseln ist, durchaus verneint werden.

Zusammenspiel von Berufsunfähigkeit und Arbeitsunfähigkeit?

Kann der Versicherungsnehmer nun bei Unterhaltung mehrerer Versicherungen auch mehrfache Leistungen beziehen? Zunächst gilt für gesetzlich Krankenversicherte, dass ein gleichzeitiger Bezug von Krankengeld und Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung mit AU-Klausel möglich sein kann. Selbes gilt für eine privat abgeschlossene Krankentagegeldversicherung in Bezug auf die gesetzliche Krankenversicherung.

Anderes gilt im Zusammenspiel einer Krankentagegeldversicherung und einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Meist ist dann für den Eintritt einer Berufsunfähigkeit ein Ausschluss eines Anspruchs auf Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung vereinbart. Selbes gilt für das Zusammenspiel der AU-Klausel und der Berufsunfähigkeit in einem gemeinsamen Versicherungsvertrag. Es gilt aber, dass immer auf die individuellen vertraglichen Vereinbarungen geachtet werden muss.

Fazit

Ist es Versicherten nicht mehr möglich, ihrem gewohnten Beruf nachzugehen, geht es nicht nur um gesundheitliche, sondern auch um finanzielle Sorgen. Gerade dann ist ein umfassender Versicherungsschutz von großer Bedeutung. So sollten gesetzlich Krankenversicherte besonders über den Abschluss einer privaten Krankentagegeldversicherung oder einer Berufsunfähigkeitsversicherung mit AU-Klausel nachdenken. So können Höhe und Dauer der Leistung individuell bestimmt werden, um möglichen finanziellen Engpässen entgegenzuwirken. Doch auch Privatkrankenversicherte sollten besonders auf die Bedingungen des Versicherungsvertrages achten. Um im Krankheitsfall bestmöglich abgesichert zu sein, sollte immer der Abschluss einer zusätzlichen Versicherung in Betracht gezogen werden.

Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte.