Ein gutes Börsenjahr verabschiedet sich
27.12.2024
Andreas Görler. Foto: Pruschke & Kalm GmbH
Trotz anhaltendem und auch neuem geopolitischem Stress verlief das Börsenjahr 2024 für die Kapitalmärkte grundsätzlich noch erfolgreicher als das Jahr 2023.
Anleger mit gut strukturierten Wertpapierdepots und einem Aktienanteil von über 50 Prozent konnten Renditen im höheren einstelligen Bereich erzielen. Wer mutig war und alles auf große Technologiekonzerne mit Schwerpunkt USA setzte, hat leicht höhere zweistellige Renditen erreicht. Auch Anleger, die im Jahr 2021 erste Erfahrungen mit Wertpapieranlagen machten und wahrscheinlich im Folgejahr böse überrascht wurden, sollten sich mittlerweile wieder im grünen Bereich befinden, sofern sie durchgehalten haben.
Zinsentwicklung relevant
Ursächlich für die positiven Entwicklungen waren die anhaltende Reduktion der Inflationsraten in den etablierten Volkswirtschaften und die damit verbundenen Zinssenkungen. Sinkende Zinsen am Kapitalmarkt sind praktisch für alle relevanten Anlageklassen positiv, wobei Aktien und Anleihen am schnellsten reagieren. Mit einer Verzögerung reagierten der Goldpreis und schließlich auch der Immobilienmarkt.
Negativ wirkt sich die Zinsreduktion auf die Verzinsung von Sichteinlagen (Giro-, Tagesgeld- oder Sparkonten) aus. Damit kommt auch der Einschätzung der zukünftigen Zinsentwicklung in relevanten Volkswirtschaften wie den G7-Staaten stets eine entscheidende Bedeutung zu. Hier hat die Fed bei der letzten Zinssenkung angedeutet, dass sich die Zinsreduktion abflachen könnte. Die grundsätzliche Depotstruktur ist deshalb wichtiger als die Auswahl einzelner Titel.
US-lastige Portfolios waren im Vorteil
Die meisten Anleger halten, je nach Risikostruktur, grundsätzlich einen Anteil von 30 bis 50 Prozent in US-Titeln. Auch die immer wieder genannten „Magnificent 7/M7“ (Alphabet, Tesla, NVIDIA, Apple, Amazon, Microsoft, Meta) sind in vielen Fonds, insbesondere in den beliebten Standard-ETFs auf den MSCI World, die Nasdaq oder den S&P 500 enthalten. Dadurch konnten zum Teil erhebliche „Überrenditen“ erzielt werden. Auch die Abschwächung des Euro gegenüber dem US-Dollar war für europäische Investoren hilfreich, sofern signifikante Anteile in US-Dollar-Investments vorhanden waren.
Risikoprofil im Auge behalten
Grundsätzlich rate ich Anlegern, die bereits in den USA stark gewichtet sind, davon ab, jetzt noch zusätzlich in ETFs auf den MSCI World (70 Prozent USA, 20 Prozent M7), S&P 500 (100 Prozent USA, 25 Prozent M7) und Nasdaq (90 Prozent USA, 36 Prozent M7) zu investieren, da keinerlei Diversifikationsvorteile entstehen und sich nur die Klumpenrisiken erhöhen. Sinnvoller wäre es, gegebenenfalls Produkte auf den Schweizer Aktienmarkt (SMI bzw. SLI) oder asiatische Märkte/Indien beizumischen, da diese Titel oft etwas unterrepräsentiert sind.
Immobilienmarkt
Das Gesamtvermögen der Deutschen besteht zu ca. 50 Prozent aus Immobilien. Die Bewertung ist schwierig, weil keine automatisierte, marktgerechte Bepreisung wie an der Börse stattfinden kann und die genannten Preise auf Immobilienportalen nur die „Wunschpreise“ der Verkäufer darstellen. Je nachdem, ob man Eigentümer, Vermieter, Mieter, Käufer oder Verkäufer einer Immobilie ist, sind die Prioritäten sehr unterschiedlich. Auch wenn stets etwas anderes behauptet wird: Eine Immobilie bietet nicht automatisch einen Inflationsschutz, und Immobilien steigen nicht automatisch im Wert. Eigentlich wäre der normale Zusammenhang, dass eine Immobilie im Verlauf der Zeit durch Umwelteinflüsse und Nutzung an Wert verliert. Trotzdem kann natürlich der Preis steigen. In Deutschland resultierte dies aus einer Phase von 45 Jahren fallender Zinsen und dem Rückzug des deutschen Staates aus dem Immobilienmarkt Ende der 90er Jahre. Mit Verzögerung stiegen die Immobilienpreise in den Ballungsräumen so stark an, dass die Durchschnittsbewertung der Immobilien in Deutschland in die Höhe getrieben wurde, obwohl ein Großteil der deutschen Immobilien sogar im Preis sank.
Grundsätzlich hat sich das Angebot an „Kauf-Immobilien“ wieder etwas erhöht. Das Angebot an akzeptablen Miet-Immobilien in Ballungsräumen bleibt allerdings problematisch. Im Moment ist keine signifikante Zunahme der Bautätigkeit zu erkennen, sodass 2025 keine deutlichen Änderungen zu erwarten sind. Ursächlich sind hier lange Zeiträume für Baugenehmigungen, Unklarheiten beim Gebäudeenergiegesetz („Heizungsgesetz“, erlassen am 08. August 2020, entworfen vom „Kabinett Merkel“) und anhaltender Fachkräftemangel.
Krypto-Währungen
Auch digitale Währungen, insbesondere Alt-Coins, entwickelten sich nach den USWahlen extrem positiv. Mittlerweile werden auf der Plattform Coinbase auf 591 Seiten ca. 1.700 verschiedene Kryptowährungen geführt. Der zukünftige US-Präsident will Kryptowährungen deregulieren und eventuell sogar eine strategische Reserve aufbauen. Im Moment ist allerdings extrem viel Phantasie eingepreist, und der Kursanstieg wird hauptsächlich von Privatanlegern getrieben. Daher sollte man hier nie mehr investieren, als man problemlos verlieren kann.
Nachhaltigkeit ist fast Standard
Das Thema Nachhaltigkeit ist nach wie vor gesetzt, rechtlich verankert und relevant. Die meisten Anlageprodukte entsprechen mittlerweile der EU-Nachhaltigkeits-Taxonomie, die allerdings eher „weich“ gefasst ist. Nachhaltige Depots haben sich genauso gut wie „traditionell“ geführte Depots entwickelt. Nur Fonds, die gezielt auf erneuerbare Energien mit Schwerpunkt Deutschland setzen, haben nach wie vor noch „Aufholpotenzial“. Probleme verursacht eher der regulatorische Aufwand auf Seiten der Unternehmen, die bis zu 1.500 Key-Points aufbereiten müssen, die in einem Nachhaltigkeitsreport zusammenzufassen sind, und bei den Investmentgesellschaften, die die jeweilige Nachhaltigkeitselektion nachvollziehbar darstellen müssen. Für einen Anleger ist die Seite des FNG-Forums Nachhaltige Geldanlage (https://www.forumng.org/de/fng-nachhaltigkeitsprofile) hilfreich. Unter „Qualität und Standards“ findet man verschiedene Selektionskriterien und kann aus gut 500 Fonds auswählen.
Tipps von „Dritten“ richtig einordnen
Es ist natürlich legitim, sich auch im persönlichen Umfeld Unterstützung zu suchen. Wenn man Anlageempfehlungen aus dem Bekanntenkreis erhält, ist es wichtig, dass die Lebenssituation (Alter, Familienstand, Wohnsituation → Eigentum/Mietwohnung, berufliche Ausrichtung → selbständig, angestellt, verbeamtet), die finanzielle Aufstellung (Gesamtportfolio mit Immobilien, Aktien, Anleihen, Versicherungen, Krediten, Liquidität, zu erwartende gesetzliche Altersvorsorge, vorhandene betriebliche Altersvorsorge) sowie die persönlichen Ziele und Wünsche in etwa identisch sind. Ansonsten übernimmt man gegebenenfalls Risikoprofile, die nicht tolerierbar sind.
Persönliches Chance-Risikoprofil einhalten
Bei aller Euphorie aus den letzten beiden Jahren sollte man trotzdem darauf achten, das Chance-Risikoprofil zu wählen, das zu den eigenen Zielen und Wünschen passt, und davon absehen, pauschal eine offensivere Strategie zu wählen, nur weil hier im Moment die Renditen noch attraktiver aussehen. Aktuelle Renditen sollten nicht einfach linear hochgerechnet werden; es werden auch wieder Schwächephasen an den Kapitalmärkten auftreten. Deswegen sollte man grundsätzlich auch Anleihen, Anleihefonds und Mischfonds integrieren.
Marktkommentar von Andreas Görler, sen. Wealth Manager, zert. Fachmann für nachhaltige Investments, Wellinvest- Pruschke & Kalm GmbH, Berlin.