„Vielleicht erleben wir 2025 eine Überraschung in Europa“
27.12.2024
Robert Beer. Foto: @ Robert Beer Investment GmbH
Dipl.-Ing. Robert Beer, Geschäftsführer der Robert Beer Investment GmbH, im Gespräch mit finanzwelt und einem Rück- und Ausblick.
finanzwelt: Herr Beer, Ihre risikoadjustierten Strategien haben in den letzten Monaten etwas verhalten vom Aufschwung am Aktienmarkt partizipiert. Woran lag`s?
Robert Beer: Wir verfolgen seit über 20 Jahren die Kombination von Blue Chip Aktien und einer aktiven Risikosteuerung mit Derivaten. Dabei ist einkalkuliert, dass die Absicherungsstrategie in Aufwärtsphasen die Entwicklung etwas bremst. Während in 18 der 20 Jahren die Aktienselektion einen Mehrwert erbracht hat, belastet diese im laufenden Jahr leicht. Auch bei den Optionen gab es im zweiten Halbjahr einzelne unglückliche Entwicklungen.
finanzwelt: Haben Sie ihre Strategie angepasst bzw. etwas verändert?
Beer: Bei den Aktien hatten wir im laufenden Jahr aufgrund der höheren Schwankungen bei Einzeltiteln eine etwas breitere Aufstellung gewählt. Diese haben wir bereits in den letzten Wochen wieder zurückgefahren und unseren bewährten Ansatz konsequent umgesetzt. Ansonsten haben wir weiterhin vollsten Vertrauen in den seit 21 Jahren überzeugenden Ansatz.
finanzwelt: Und beim Risikomanagement, bleibt es hier bei der bewährten Strategie?
Beer: Natürlich. Die ungünstigen Entwicklungen im zweiten Halbjahr haben wir analysiert. Wir erwarten nicht, dass diese nochmals in dieser gehäuften Form auftreten. Von der prinzipiellen Ausrichtung sind wir sowieso zu 100% überzeugt. Gerade nach deutlichen Anstiegen bei den Aktienmärkten ist ein Risikomanagement aus unserer Sicht vernünftiger denn je.
finanzwelt: Aktienindizes sind insbesondere durch die großen Tech-Titel getrieben. Die Top-Werte weisen hohe Gewichtungen auf. Beim S&P machen die Top 5 knapp 30% aus, beim Dax sogar 47%. Wie agieren Sie in den Fonds?
Beer: Beim LuxTopic Flex, dem vermögensverwaltenden global ausgerichteten Mischfonds, verfolgen wir einen anderen Ansatz. Wir haben um die 100 Aktien im Bestand, mit einer tendenziellen Gleichgewichtung. Die Aktien, die sich besser entwickelt haben, weisen hierbei durchaus auch mal 2% Gewicht im Fonds auf. Eine Konzentration wie in den Indizes ist jedoch nicht vorgesehen. Während ein fokussierter Ansatz die letzten Monaten und Jahre besser performte, sind über sehr lange Zeiträume breit aufgestellte Ansätze übrigens nicht nur renditestärker sondern auch risikoärmer.
finanzwelt: Und im Aktien Europa?
Beer: Hier sind wir konzentrierter aufgestellt mit einer systematischen Auswahl aufgrund relativer Stärke. Im Fonds sind um die 35 der 50 Eurostoxx50 Titel enthalten und die größten Positionen, aktuell ASML, SAP, Siemens, Allianz und Schneider Electric, mit über 5% gewichtet.
finanzwelt: In Europa wurde zuletzt Frankreich aufgrund der politischen und finanziellen Situation sowie Deutschland wegen der Unsicherheit hinsichtlich der Neuwahl sowie der schwachen Konjunktur skeptisch gesehen. Wie ist ihre Meinung?
Beer: Man hat die Schwäche, insbesondere der französischen Werte seit Mai 2024 gesehen. Der CAC40-Index hat auf Jahressicht unterm Strich sogar verloren, während der Dax deutlich gestiegen ist. Die Diskrepanz ist schon enorm. Aus meiner Sicht baut sich hier Potential auf. Die Unternehmen verdienen exzellent. Wenn das Sentiment dreht, kann es sehr schnell gehen. Im Fonds haben wir ein KGV von etwa 13, eine Dividendenrendite von über 4%, eine attraktive Cashflow-Rendite. Die Bewertungspaarmeter stimmen, die Unternehmen sind global aktiv und haben starke Marken. Mit einem Funken Hoffnung und etwas Optimismus sind hier auch künftig attraktive Renditen möglich.
finanzwelt: Schwer zu glauben, wo diese Hoffnung herkommen soll, angesichts der aktuellen Lage…
Beer: Ein Ende des Ukraine-Kriegs, ein klarer politischer Wahlausgang in Deutschland, sinkende Energiepreise aufgrund Entspannung im Nahen Osten, Investitionsprogramme in China und Deutschland. Die Stimmungslage kann schnell ausschlagen – in beiden Richtungen.
finanzwelt: Klingt ziemlich optimistisch. Haben Sie die Quote für ihr aktives Risikomanagement also gesenkt?
Beer: Durch die niedrige Volatilität sind auch die Prämien und der Aufwand für das Risikomanagement gesunken und wir können mit Aktienquoten um bzw. leicht über 90% agieren. Im Falle eines größeren Einbruchs an den Aktienmärkten sind wir optimistisch unser Ziel, Korrekturen abzufedern und weniger nachzugeben, zu erreichen.
finanzwelt: Anleihen sind weiterhin nicht Ihr Ding, oder?
Beer: Bonitätsmäßig erstklassige Anleihen liefern aktuell in Euro Renditen unter 3%. Längere Laufzeiten und High Yields mit entsprechenden Risiken ausgeklammert. Die Bewertungen beim Aktien Europa hatten wir schon besprochen, beim Flex weisen unsere Aktien ein KGV um die 15, eine Dividendenrendite von 2,6% und faire Bewertungsparameter auf. Langfristig sind aus unserer Sicht Aktien deutlich attraktiver als Anleihen. Das Risiko lässt sich anders besser steuern.
finanzwelt: Herr Beer, sie sind Anfang 60 und topfit. Erlauben Sie trotzdem die Frage: Wie lange wollen Sie das Management fortführen und wie ist Ihr Blick nach vorne?
Beer: Für mich bedeutet das Managen nicht Arbeit sondern Leidenschaft. Dennoch haben Sie natürlich recht, es kann schnell was passieren. Daher freute es mich umso mehr, dass die Zukunft unserer unabhängigen Boutique mit dem Eintritt meines Sohns Jonas gesichert ist. Er war bereits in den letzten Wochen täglich in die Entscheidungen involviert. Entscheidend ist aber: Erstklassige Aktien werden wohl auch künftig attraktive Renditen liefern, während unliebsame Überraschungen regelmäßig für Unruhe sorgen werden. Wir sollten daher mit unserer Strategie auch künftig den Investoren ein attraktives Rendite-Risiko-Profil liefern. (fw)