Irrtum oder Irrsinn?
26.05.2020
Georg Seil, Geschäftsführer Georg Seil Consulting / Foto: © Fotostudio Kutscha
Erstaunlich und nicht nachzuvollziehen war die Entwicklung der Aktienmärkte, die sich weltweit erholt haben. Auch der deutsche Aktienmarkt hat besser, als auch von mir erwartet, performt. Aktienmärkte schauen immer in die Zukunft und antizipieren diese im Allgemeinen 6 Monate im Voraus. Was aber ist in 6 Monaten? Wir sprechen vom Herbst und Winter, wo es nach wie vor keinen Impfstoff geben wird, wahrscheinlich eine zweite Welle, wo viele Firmen, die vielleicht jetzt noch, auch mit Staatshilfen künstlich überlebt haben, aufgeben müssen. Das Wachstum in Deutschland war im 1. Quartal minus 2,2%, und das, obwohl es nur einen wirklich schwachen Monat gab. Die Zahlen im 2. Quartal werden die Rezession verstärkt aufzeigen und ein Jahresergebnis schlechter als 2008/2009 ist höchst-wahrscheinlich. Nur zur Erinnerung, da war der DAX bis auf unter 4000 Punkte gefallen. Die antikapitalistische Stimmung in unserem Land nimmt täglich zu, und wenn die Begriffe „Dividenden“ und „Boni“ nur noch negativ besetzt werden, ist dies kein Nährboden für erfolgreich wirtschaftende Unternehmen. Es macht mir Angst, wenn nun schon bisher als seriös geltende Spitzenpolitiker meinen, es wäre unverschämt, wenn Aktionäre eine Dividende erwarten würden. Befindet sich der Aktienmarkt in einem Irrtum und nimmt dies alles auf die leichte Schulter, oder handelt es sich um ein irrsinniges Kursniveau? Ich jedenfalls wäre bei dem jetzt wieder erreichten Kursniveau äußerst vorsichtig.
Gold und Öl haben aufregende Wochen hinter und vielleicht auch vor sich. Gold klettert zuletzt immer in Stufen von ca. 100 USD je Feinunze, konsolidierte dann und greift sodann ein neues Niveau an. In Euro gerechnet hat der Goldpreis sogar in der letzten Woche schon einmal ein all time high von über 1600 Euro erreicht. Natürlich wird hier, wie immer die Luft dünn, aber die weltweiten Geldschöpfungen könnten weitere Preisavancen begünstigen. Nach dem dramatischen Absturz des Ölpreises von über 50 USD für das Barrel der Sorte Brent auf unter 20 USD hatten viele schon das Ende des Öls prognostiziert, es wird bald umsonst angeboten werden. Das Gegenteil war der Fall. Der Preis erholte sich auf über 35 USD und es spricht einiges dafür, dass sich ein Niveau von 30 bis 40 USD einpendeln wird.
Bei Immobilien herrschte erstaunlicherweise weiterhin eher Ruhe (vor dem Sturm ?). Während Gewerbeimmobilien schon etwas leiden, war bei den Wohnimmobilien überraschenderweise die Nachfrage nahezu unverändert hoch, wenn auch der eine oder andere Abschluss (zunächst ?) verschoben wurde. Auch wenn hier keine Preiseinbrüche zu erwarten sind, könnte es sich bei hochpreisigen Rendite-Immobilien durchaus lohnen, etwas zuzuwarten. Anlageimmobilien mit auskömmlichen Renditen in ordentlichen Lagen sind nach wie vor gesucht und profitieren zunehmend auch von den politischen und steuerlichen Sorgen. Die jetzt verstärkt aufkommenden Diskussionen über das Eigentum im Allgemeinen, Mietpreisbremsen, Vermögensabgabe, die Pamphlete über die Wiedereinführung von Vermögenssteuern sowie die Erhöhung der Erbschaftssteuer begünstigen zumindest zeitlich die Immobilien, denn die erforderliche Bewertung aller Sachwerte wird nach wie vor auf sich warten lassen.
Gastbeitrag von Georg Seil, Geschäftsführer Georg Seil Consulting