Inflation und die Ohnmacht der Notenbanken
05.11.2021
Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.
Verharmlosung löst das Problem nicht
Die Verantwortlichen beschwichtigen die Menschen mit Verniedlichungen wie „vorübergehend“ oder „Eintagsfliege“. Auch die Erklärung „Basiseffekt“ ist massiv überstrapaziert. Grünen-Chef Robert Habeck gab bei „Lanz“ sogar zum Besten, dass Kredite für Investitionen keine Schulden sind. Diese Erkenntnis steht in keinem Lehrbuch. Zudem zeigen die Realitäten der letzten 10 Jahre, dass die Inflationsprognosen der EZB meist nur Wunschdenken war. Oder „Mittel zum Zweck“. Denn, würden sie heute höhere Inflationserwartungen veröffentlichen, würde dies auch den Handlungsdruck erhöhen. Sie „drohen“ zwar mit Zinserhöhungen und Verminderung der Anleihekäufe. Aber neues Geld ist zur Droge geworden. Da Geld nichts mehr kostet, wurden oft die Schulden massiv ausgebaut. Laut IIF ist der Schuldenturm auf etwa 300 Billionen Dollar gewachsen. Das Welt-BIP liegt gemäß Statista bei rund 100 Billionen. Eine Zinserhöhung um 3 % würde demnach das BIP um 9 % belasten bzw. müsste ebenfalls finanziert werden.
Jede Zinserhöhung würde uns den Zinseszins-Effekt wieder in Erinnerung rufen. Es müsste also allen klar sein, dass die Notenbanken nur einen winzigen Handlungsspielraum haben, zumal auch die Klimamaßnahmen mit zusätzlichen Schulden finanziert werden sollen. Im Endeffekt werden auch diese Investitionen die Waren verteuern.
Düstere Vorhersagen
Wichtige Faktoren wie Frachtraten, Energie- und Rohstoffpreise steigen zweistellig, während die Reallöhne in 2021 rückläufig sein werden (Prognose 2021: minus 3,9 %). Dies wird sehr wahrscheinlich 2022 zu einem Lohndruck führen, so dass dann auch die Lohnsteigerungen die Inflation treiben werden. Trotzdem versuchen Politiker und deren Gefolge das Problem klein zu reden (DIW-Chef Prof. Marcel Fratzscher: „Die Gefahr von höherer Inflation ist gering“). Solche Aussagen stehen im krassen Gegensatz zu Aussagen führender, aber freier Analysten und Ökonomen. Insgesamt muss davon ausgegangen werden, dass die Inflation höher sein wird, als die Zinsen und sich damit die Geldentwertung fortsetzen wird.
Die Notenbanken haben sich in eine gravierend schlechte Ausgangsposition manövriert, weil aufgrund der Verschuldung weltweit notwendige Zins-Maßnahmen nicht vorgenommen werden können. Diesbezügliche Drohungen sind reine Nebelkerzen. Der Rücktritt von Bundesbank-Chef Dr. Jens Weidmann, der die zu lasche Notenbankpolitik permanent, aber erfolglos kritisierte, könnte ein Hinweis darauf sein, dass er aufgegeben hat, und weil er diese Geldpolitik nicht weiter mitverantworten will. Wenn solche Experten schon das Handtuch werfen!!!!
Der teuerste Satz am Kapitalmarkt
Obwohl die Inflationsgefahren eindeutig sind, glauben die Börsianer an ein kleines Wunder. Sie wollen den Notenbanken ihren Willen abnehmen, weil es so ja angenehmer wäre. Die Börsianer wissen zwar um die höhere Inflation, glauben aber auch, dass dadurch die Zinswende eingeläutet wird (siehe fallender Goldpreis). Irrglauben wird an der Börse oft hart bestraft. Nämlich dann, wenn die Anleger den Prognosen keinen Glauben mehr schenken und ihre Kapitalaufteilung der Realität anpassen. Auch die Meinung „dieses Mal wird alles anders“ gilt als teuerster Satz am Kapitalmarkt.
In der Vergangenheit waren bei „Inflation“ und „Stagflation“ Edelmetalle die Gewinner in beiden Szenarien. Deshalb ist die derzeitige Schwäche von Gold und Silber, aber auch den entsprechenden Aktien eine klare Kaufchance. Vielleicht die vorerst letzte zu so niederen Preisen. Eventuell benötigt der Anleger nach den Käufen noch ein wenig Geduld. Aber die Zeit „arbeitet“ für ihn. Anleger, die versuchen wollen, die Edelmetalle zu tiefsten Kurse dieser Konsolidierung zu kaufen (was ihnen zu 98,9 % nicht gelingen wird), sollten penibel auf die Marktmeinung zum Tapering achten. Kurssprünge beim Gold könnten einen Vertrauensverlust in die Aussagen der Notenbanken und Politiker andeuten.
Gastbeitrag von Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH
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