Inflation und die Ohnmacht der Notenbanken
05.11.2021
Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.
Die Diskussion in Sachen Inflation ist 2021 neu entfacht. Für viele überraschend. Die Symptome bzw. die „regelwidrige“ Notenbankpolitik gibt es seit Jahren. Nur wenige haben vor den Folgen gewarnt. Sie wurden als Verschwörungstheoretiker abgetan. Zu bequem waren die Lösungen, die mit neuen Schulden finanziert wurden.
In den letzten 30 Jahren waren die Notenbanken meist die „Retter“. Dies war auch durchaus richtig. Man ist eingesprungen, um Panik zu verhindern und hat sich dann wieder zurückgezogen. 2008/ 09 war man auch der Helfer in der Not. Aber die „Nothelfer“ sind heute noch immer vor Ort. Der Rückzug ist nun auf unbestimmte Zeit versperrt. Denn, würden sie die QE-Programme beenden, würden die Zinsen steigen. Dieses würde die Wirtschaftserholung torpedieren, mit entsprechenden Folgen für die Kapital- und Immobilienmärkte.
Ein folgenschwerer Fehler
Das Anwerfen der Notenpresse war früher auch nicht so dramatisch, weil die Welt nicht so hoch verschuldet war. Aber nach der letzten Finanzkrise wurden die Märkte auch dann noch befeuert, als die Wirtschaft schon wieder im Aufschwung war (etwa 2011). Durch den Ankauf von Anleihen wurde der Zins auf ein historisches Tief manipuliert. Das „angenehme“ daran war für Staaten, Private und Unternehmen, dass der Zinsaufwand zurückging, obwohl der Kreditsaldo sich deutlich erhöht hatte.
Wir werden irgendwann in Zukunft die Folgen dieses Unsinns erfahren. Durch diese „Null-Zins-Politik“ wurde nicht nur der Aufschwung zum Boom, was die Inflationsgefahr deutlich erhöht, sondern es konnten sich finanzschwache Staaten günstig finanzieren und so weiter über ihre Verhältnisse leben. Auch „Konkurs verdächtige“ Unternehmen (Zombie-Firmen) konnten sich noch höher verschulden. So wurde eine gesunde Marktbereinigung verhindert. Der Anteil der Unternehmen, die bei höheren Zinsen nicht überleben würden, ist dadurch von 4 % auf 15 % gestiegen. Andere wurden zu unproduktiven Investitionen verleitet. Konsumenten leisteten sich „Dinge des Lebens“, die sie sich bei normalen Zinsen vielleicht über die nächsten 10 Jahre hätten leisten können. Auto auf Leasing, Möbel, Elektrogeräte, Smart-Phone, Baumaterialien, alles auf Pump zu Null Zins.
Inflation wird weiter begünstigt
Substanzwerte erzielen teilweise abartige Bewertungen. Aktien, Immobilien, Oldtimer, Kunst, usw. So bauen sich an den Märkten Fragilitäten auf. Auch Finanzkrisen werden so zukünftig nicht verhindert. Wir haben nur die Fallhöhe nach oben verlegt. Es haben auch Übernahmen und Fusionen geboomt. Monopole werden Marktanteile weiter teuer kaufen, Oligopole werden eher die Preise erhöhen, um damit die Gewinnmarge auszubauen. Sie bezweifeln die Langfristigkeit des Aufschwungs und wollen Fehlinvestitionen verhindern. Aber beides fördert die Inflation.
Spätestens seit diesem Jahrhundert haben die Vorteile der Globalisierung die Inflationsrate in Schach gehalten. Unternehmen konnten die Gewinnmarge durch Kostenersparnis ausweiten, ohne die Preise in hohem Maße zu erhöhen. Nun spüren wir die Nachteile. Die deutsche Industrie hat Aufträge, aber kein Material. Die Lieferketten sind unterbrochen. Und sie bleiben länger unterbrochen, als befürchtet. Testen die Asiaten ihre Macht? Nun plant die Industrie die Zulieferer in Deutschland, zumindest in Europa zu suchen. Wird diese Überlegung (hoffentlich) umgesetzt, verteuert das „Nearshoring“ die Kostenseite, die dann auf der Preisseite an den Verbraucher weitergegeben werden. Europäische Hersteller sind nun mal teurer als asiatische, dafür wird die Lieferung meist sicherer.
Selbst die wachsende Anzahl der Rentner (die Boomer-Generation geht in Rente) wird zur Teuerung beitragen. Der Konsum geht zwar im Alter etwas zurück, aber sie produzieren auch nichts mehr. Zudem sorgt der fehlende Fachnachwuchs für Mangel an adäquatem Personal und führt zu Lohndruck nach oben. Das Wachstum der Erwerbsbevölkerung hat laut BIZ in den letzten 50 Jahren die Inflation gedrückt. Dieser Trend könnte sich durch Überalterung und Digitalisierung jetzt umkehren. Die Produktivitätsfortschritte werden die negativen Folgen nur abmildern können.
Weitere Aspekte der Inflation und eine Aussicht auf zukünftige Entwicklungen lesen Sie auf Seite 2.