"Inflation ist längst da"

20.08.2021

Bernhard Matthes - Foto: © BKC

Kaum ein Thema ist derzeit so präsent wie das der Inflation. Bernhard Matthes, CFA, Bereichsleiter BKC Asset Management und Portfoliomanager des BKC Treuhand Portfolios, äußert sich zur steigenden Inflationsgefahr:

Die Diskussion, ob die aktuell zu verzeichnende Inflation nun eher „temporärer“ oder „vorübergehender“ Natur sei, ist müßig, denn die Inflation ist längst da – und sie war bereits vor Covid da, zwar nicht in Form einer erhöhten Verbraucherpreisinflation, wohl aber in Form einer ausgeprägten Vermögenspreisinflation. Genau wie eine allgemeine Teuerung schmälert auch diese die Kaufkraft der Bürger. Die seit vielen Jahren eingetretene Entwertung der Kaufkraft, messbar in Immobilienpreisen, Aktienkursen und Spekulationsobjekten wie Krypto-„Währungen“, hat ihre anhaltende Ursache in der in die Maßlosigkeit verfallenden expansiven Geldpolitik.

Preisdruck wird sich in die Verbraucherpreisinflation durchfressen

Tatsächlich sind viele Inflationsdatenpunkte aktuell aufgrund der extremen Vorjahres-Basiseffekte temporärer Natur. Auch bleiben strukturell deflationäre Einflussfaktoren, wie etwa die globale Überschuldung oder demographische Effekte, bestehen. Jedoch ist nicht zu verkennen, dass sich aus verschiedenen Richtungen ein hartnäckiger Preisdruck aufbaut, der erhalten bleibt und sich nach vorne gerichtet sehr wahrscheinlich in die Verbraucherpreisinflation durchfressen wird.

Die Daten aus weiter steigenden Vermögens-, Rohstoff-, Import-, und Erzeugerpreisen gehen über den Basiseffekt hinaus und dürften u. a. über folgende Bezüge in der allgemeinen Teuerung ankommen:

  • Die sich abzeichnende De-Globalisierung verteuert viele Waren mit hoher Kauffrequenz und die Preise vieler Input-Güter in den Produktionskreislauf.
  • Der anhaltende Mangel an vielen Komponenten – besonders prominent am Beispiel von Halbleitern zu beobachten – sorgt für Knappheit in Produktionsprozessen.
  • Aus den Schwellenländern heraus kehren sich Preiseffekte um: In der Vergangenheit sinkende Lohn- und Transportkosten steigen nun an.
  • Die exorbitante Teuerung bei vielen Rohstoffen, Baustoffen, Energie und anderen Materialien wird sich in Preiserhöhungen der Endprodukte übersetzen.
  • In den USA verursachen die stark steigenden Immobilienpreise mit Zeitverzögerung Preisdruck auf den Verbraucherpreisindex.
  • In den USA haben die großzügigen staatlichen Lohnersatzleistungen vielfach die Aufnahme von Arbeit disincentiviert, sodass ein Mangel an Arbeitskräften vorherrscht. Viele Unternehmen müssen mit deutlichen Lohnsteigerungen gegensteuern. In der Folge sind im Servicesektor und bei Restaurants bereits kräftige Preiserhöhungen zu beobachten.

Klimaschutz als Preistreiber

Ein weiterer Trend, der sich in den kommenden Jahren strukturell verfestigen wird, ist die Teuerung, die aus ESG und Klimaschutzvorgaben resultiert. ESG-Investoren verknappen für Rohstoff- und Energieunternehmen den Zugang zu Kapital, während gleichzeitig verschärfte Umweltauflagen die Erschließung neuer Vorkommen erschweren.

Die Herstellung von „grünem“ oder „sauberem“ Stahl, Zement oder Baustoffen ist aufwendiger und teurer und wird zusätzlich durch steigende CO2-Abgaben verteuert. Die Dekarbonisierung und Elektrifizierung der Wirtschaft wird immense Mengen an Grund- und Industriemetallen erfordern, deren Preise bereits jetzt schon stark gestiegen sind und mit anhaltender Angebotsknappheit vermutlich weiter steigen werden. Ein Nebeneffekt der schärferen Regulierung dieser Sektoren in Europa und Nordamerika wird vermutlich eine Abwanderung der Produktion in Schwellenländer sein, in denen weniger strenge Standards gelten.

Gewinner und Verlierer steigender Inflation

Es mehren sich die Anzeichen dafür, dass der über die letzten 20 Jahre dominierende Dis-Inflationstrade auslaufen könnte. Von ihm profitierten Durations-korrelierte Anlagestrategien, u. a. langlaufende Renten, Technologie- und Wachstums-Aktien und der US-Dollar. In einem Umfeld möglicher Reflationierung geraten diese Gewinner der letzten Jahre unter Druck.

Profiteure finden sich hingegen bei realen Sachwerten. Innerhalb von festverzinslichen Investmentstrategien sind inflationsgeschützte Anleihen erste Wahl. Vermögenswerte aus Schwellenländern haben sich historisch (Assetklassen übergreifend) im Reflationsumfeld besser schlagen können als unter Bedingungen mit deflationärem Gegenwind. Im Aktienportfolio erfordert ein inflationäres Umfeld eine stärkere Differenzierung in der Selektion. Keineswegs taugen Aktien „per se“ als Inflation Hedge. Historisch haben erhöhte Inflationsraten ab einem bestimmten Niveau sogar belastend auf die Aktienmarktbewertungen gewirkt.

Als Inflationsschutz geeignet sind Branchen und Geschäftsmodelle mit hoher Preisfestsetzungsmacht. Diese finden sich in zyklischen Branchen wie Energie, Grundstoffen oder bei Industriewerten. Enttäuschungen dürften Investoren hingegen erwarten, die zur Inflationssicherung auf defensive Konsumwerte, Versorger oder Pharmawerte setzen.

Portfolio-Absicherung tut not

Die Notenbanken sind Gefangene ihrer eigenen Politik. Selbst wenn sich dauerhaft höhere Inflationsraten festsetzen sollten, werden die westlichen Zentralbanken kaum in der Lage sein, mit eigentlich notwendigen Zinsanhebungen gegenzusteuern – zu hoch wäre der Preis der zu erwartenden Marktverwerfungen. Folglich besteht die Gefahr einer sich verselbständigenden Inflation, ohne dass die Währungshüter willens oder in der Lage wären einzugreifen.

Es wäre fahrlässig, in der aktuellen Gemengelage nicht auch auf Anlagestrategien zu setzen, die eine gewisse Robustheit gegenüber einer strukturell höheren Teuerung aufweisen. In unserem Mischfonds BKC Treuhand Portfolio (WKN A0YFQ9) haben wir den Rentenanteil seit Sommer 2020 deutlich abgesenkt und verstärkt in alternative Vermögenswerte investiert, die nicht oder nur gering mit dem Aktien- oder Zinsrisiko korrelieren.

Neben Positionen in Absolute Return und CAT-Bonds, bleibt Gold im aktuellen Umfeld eines der wichtigsten Selbstverteidigungsinstrumente gegenüber einer „Policy“-Seite, die vorsätzlich Inflation herbeizuführen sucht. Auch Fremdwährungsengagements in Währungsräumen, in denen die Geldwertstabilität noch ein höheres Ansehen genießt, können zunehmend sinnvoll sein, wenn der Außenwert des Euros weiter unter Druck gerät. (ah)