Immobilien als 360-Grad-Aufgabe

21.02.2022

Rauno Gierig, CEO und Frank M. Huber, CSO der Verifort Capital Gruppe / Foto: © Verifort Capital

finanzwelt: Vielleicht ein guter Übergang zu Gewerbe: Arzthäusern und Gesundheitscenter entstehen in großen Städten immer mehr. Machen diese Modelle nur in Großstädten Sinn? Huber» In kleineren Städten machen solche Modelle definitiv auch Sinn. In ländlicheren Regionen gibt es heute schon einen Mangel an Ärzten, da diese sich immer seltener alleine selbstständig machen wollen. Stattdessen ist es für sie attraktiver, sich mit anderen Fachrichtungen in Einrichtungen wie Ärztehäusern und Gesundheitscentern zusammenzuschließen, um gemeinsam die vorhandene Infrastruktur zu nutzen oder Notdienste bereitstellen zu können.

finanzwelt: Können Sie sich vorstellen, auch in diesen Markt mit Verifort Capital einzusteigen? Huber» Das tun wir bereits und planen das auch konkret mit unserem kommenden Healthcare-Fonds Verifort Capital HC2. Die Themen Pflege und Altenwohnen sind hier natürlich Schwerpunkte, aber wir sprechen ja bewusst von Healthcare- und nicht von Pflege-Fonds. Entsprechend sind auch Bereiche wie Ärztehäuser oder MVZs relevant für uns.

finanzwelt: Kommen wir zu klassischen Gewerbeimmobilien. Hier hat sich in der Pandemie gezeigt, wer gut aufgestellt ist. Einzelhandel (außer Lebensmittel und Baumarkt) sowie Hotel leiden, oder? Huber» In dieser Allgemeingültigkeit kann man das so nicht sagen. Es gibt natürlich Einzelhandel, der unverändert seine Existenzberechtigung hat. Aber die Entwicklung der Innenstädte ist ein Thema, mit dem wir uns als Immobilienwirtschaft in den nächsten Jahren auseinandersetzen müssen. Hier ist es wichtig, dass wir in Zukunft zusammen mit den Städten und den Mietern gute und nachhaltig beständige Konzepte für Innenstädte finden. Bei den Hotels will ich das auch nicht zu sehr pauschalisieren. Hier bilden sich innerhalb des Sektors durchaus neue Nischen, die am Ende auch wieder für verstärkte Nachfrage sorgen werden.

finanzwelt: Hilft dagegen eine gute Portfoliostruktur oder ist der Einzelhandel (schon allein durch Amazon) einfach ein Auslaufmodell? Huber» Aus unserer Sicht ist auch der stationäre Einzelhandel keinesfalls ein Auslaufmodell. Der bereits häufig genannte Servicegedanke des stationären Einzelhandels, mit guter Beratung und verbessertem Service wird in Zukunft deshalb noch mehr an Bedeutung gewinnen. Aber es ist auf jeden Fall wichtig, in Frage kommende Objekte speziell hinsichtlich eines optimierten Mietermixes genau zu prüfen und eine sorgfältige Auswahl zu treffen. Wir sehen uns zum Beispiel Nahversorgungszentren, Fachmärkte und Fachmarktzentren grundsätzlich gerne an. Gierig» Aber auch die Büroimmobilien sind trotz verstärkter Homeoffice-Nutzung kein Auslaufmodell, im Gegenteil. Laut Umfragen wollen die meisten Mitarbeiter langfristig nicht mehr als ein bis zwei Tage pro Woche von Zuhause arbeiten. Vor diesem Hintergrund mit wechselnden Belegschaften große Flächenreduzierungen umzusetzen, würde unverhältnismäßig viel Koordinationsaufwand erfordern, worauf gerade viele mittelständische Unternehmen verzichten wollen. Sollten strengere Hygiene- und Abstandsregeln längerfristig bestehen bleiben, könnte dies sogar eine Ausweitung von Büroflächen erfordern.

finanzwelt: Wie sieht bei Verifort Capital die Produktstrategie in der Zukunft aus? Huber» Unser Fokus wird auch in Zukunft weiter auf unseren Kernkompetenzen Gewerbe und Healthcare liegen. Im Anschluss an die Platzierungsphase des aktuellen Healthcare-Fonds Verifort Capital HC1 werden wir den zweiten AIF aus diesem Bereich starten, der noch stärker nach ESG-Kriterien ausgerichtet sein soll. Gierig» Auch im Gewerbebereich planen wir zur Jahresmitte einen neuen AIF, der sich unter anderem mit den Assetklassen Büro, Logistik und Nahversorgung beschäftigen wird. Es wird sich hierbei um einen Fonds mit einem Value-Add-Ansatz handeln, das heißt, wir werden Immobilien mit Entwicklungspotenzial ankaufen, diese mit dem eigenen, zertifizierten Asset und Property Management heben und anschließend wieder an den Markt zurückgeben. Hier haben wir langjährige Expertise und in den letzten Jahren sehr gute Erfolge erzielen können. Mit diesem Fonds wollen wir breiten Bevölkerungsschichten Anlagemöglichkeiten bieten, die in der Regel nur institutionellen oder semi-professionellen Investoren vorbehalten sind.

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