Herrlich und ehrlich
10.06.2020
Philip Wenzel, Fachwirt für Versicherungen und Finanzen (IHK), Biometrie-Experte und Chefredakteur von worksurance.de / Foto: © Philip Wenzel
Transparentund ehrlich
Wie kann ich aber nun testen, ob der Versicherer ehrlich zu mir ist, ohne Versicherungsmathematik studiert zuhaben? Eigentlich ganz einfach, wenn ich mir die Zahlen 6, 100, 30 und 100.000 merken kann. Wie wir oben gelernt haben, performt ein Vertrag bei 6 %, 100 Euro Monatsbeitrag und 30 Jahren Laufzeit so, dass am Ende 100.000 Euro rauskommen. Kommt mehr oder genau 100.000 Euro raus, dann will uns der Versicherer weiß machen, dass er keinerlei Kosten produziert. Und bei einem Vertrag, der mitunter länger laufen kann als eine durchschnittliche Ehe, wäre es mir doch sehr wichtig, dass beide Partner von Beginn an ehrlich zueinander sind. Nettoverträge sind hier ein Beispiel. "Wie US-Präsident Hoover schon gesagt hat, ist Weisheit nicht so sehr das Wissen darum, was schließlich zu tun ist, sondern darum, was zunächst getan werden soll“, so Stefan Johannes Schreiber, Key-Account-Manager Vorsorge Makler- und Partnervertrieb bei der AXA. Wenn ich mir dann ein paar ehrliche Versicherer rausgesucht habe, muss ich prüfen, wer auf verändernde Lebensumstände am besten reagieren kann. Damit meine ich in erster Linie, für wann der garantierte Rentenfaktor gilt. Der Rentenfaktor gibt an, in welchem Verhältnis das Vertragsvermögen zum Rentenbeginn in eine monatliche Rente umgerechnet wird. Das ist vor allem dann wichtig, wenn sich die Lebenserwartung erhöhen oder die Zinsen weiter sinken sollten. Bei manchen gilt dieser Rentenfaktor nur auf die eingezahlten Beiträge, bei anderen auf alles, außer Zuzahlungen. Und nicht selten gilt er nur zum Renteneintritt. Und der Renteneintritt steht für gewöhnlich mit Datum in der Police. Da ich nicht sagen kann, ob ich genau an diesem Tag in Rente gehen will, ist es wichtig, dass der Rentenfaktor auch dann gilt, wenn ich ein Jahr früher oder später gehe. In den richtig guten Verträgen kann ich den Rentenbeginn bis zum 85. aufschieben. Das ist sowohl dann gut, wenn ich so reich bin, dass ich erstmal mein Erspartes auf den Kopf haue, bevor ich die Rente nehme, als auch, wenn ich so arm bin, dass ich über den geplanten Rentenbeginn hinaus arbeiten muss. Denn je später ich die Rente beginne, desto höher ist die monatliche Rente. Zum einen, weil das Kapital dann gestiegen sein sollte. Und zum anderen, weil der Versicherer die Rente höchstwahrscheinlich nicht mehr so lange zahlen muss. Ist auch logisch. Hätte hier der Versicherer die Möglichkeit, auf neuer Rechnungsgrundlage die Rente zu ermitteln, die er mir zahlen will, könnte das böse Folgen für mich haben. Manche Versicherer behalten sich vor, die bei Vertragsbeginn versprochene Rente bis auf die Hälfte zu kürzen, sollten sich Zinsen oder Lebenserwartung dramatisch ändern. Das darf selbstverständlich nicht sein.
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