Haftungsfalle Coronavirus: Was Finanzvermittler jetzt wissen müssen
11.03.2020
Maximilian Weiss, LL.M., Rechtsanwalt,TILP Litigation Rechtsanwaltsgesellschaft mbH / Foto: © TILP
Das Coronavirus beschäftigt das öffentliche Leben und die Finanzmärkte – und in Zukunft womöglich auch die Gerichte? Droht Finanzvermittlern und Emittenten die Haftung auf Schadensersatz, wenn sie Anleger nicht ordnungsgemäß über mögliche Folgen von Pandemien wie die des Coronavirus informieren? Worüber genau ist ein Anlageinteressent zu informieren und wie schützt man sich vor einer Haftung? Der nachfolgende Beitrag untersucht am Beispiel des Coronavirus die sich hieraus ergebenden Pflichten.
Die Auswirkungen des Coronavirus (SARS-CoV2/COVID-19) auf das öffentliche Leben und die Wirtschaft sind erheblich. Und wohin man derzeit nur sieht: Das Coronavirus ist das zentrale Thema in der Öffentlichkeit. Muss man angesichts dieser breit angelegten Berichterstattung und Informationsflut Anleger und Investoren wirklich noch informieren? Es mag auf den ersten Blick merkwürdig klingen, aber die Antwort lautet: Ja, man muss. Diese Pflichten betreffen Finanzintermediäre und Emittenten gleichermaßen. Wann und worüber in diesem Zusammenhang genau zu informieren ist und wie man sich vor einer eigenen Haftung schützt, soll im Nachfolgenden erläutert werden.
„Corona-Informationspflichten“ bei der Anlagevermittlung
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes schuldet der Anlagevermittler dem Interessenten eine richtige und vollständige Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für dessen Anlageentschluss von besonderer Bedeutung sind. Die Pflicht des Anlagevermittlers ist es, das Anlagekonzept auf Plausibilität und wirtschaftliche Tragfähigkeit hin zu untersuchen. Für eine Anlageberatung gilt dabei grundsätzlich ein strengerer Maßstab als für die Anlagevermittlung. Bedeutende Umstände, über welche zu informieren ist, können auch nicht unerhebliche negative Auswirkungen von Naturkatastrophen und Pandemien auf die Werthaltigkeit der Kapitalanlage sein, mithin also auch Auswirkungen des Coronavirus. Bei dem Vertrieb von bestimmten Anlageprodukten wie geschlossenen Schiffsfonds, Schiffscontainern und Flugzeugleasingfonds ist dies besonders nahe liegend. Aber auch viele andere Anlageprodukte können in negativer Weise von den Folgen des Coronavirus betroffen sein. Wer also meint, man brauche angesichts der breiten medialen Berichterstattung gar nicht auf Risiken im Zusammenhang mit dem Coronavirus hinweisen, unterliegt einem Trugschluss. Zwar muss im Rahmen einer Anlagevermittlung nicht erläutert werden, dass sich derzeit eine Pandemie ausbreitet und der Anlageinteressent muss auch nicht darüber informiert werden, dass sich diese Pandemie in erheblichem Maße auf die Entwicklung der Weltwirtschaft auswirkt. Der Anlagevermittler ist schließlich kein Nachrichtensprecher. Wohl aber besteht für den Vermittler die Pflicht, den Anlageinteressenten über die spezifischen Auswirkungen des Coronavirus auf die konkrete Kapitalanlage und auch über damit verbundene Risiken vollständig zu informieren, wenn und soweit diese Umstände für die Anlageentscheidung erheblich sind. Dabei ist im Einzelfall auch über solche Umstände aufzuklären, die infolge der Ausbreitung des Coronavirus noch gar nicht eingetreten sind und womöglich auch nicht eintreten werden, aber noch eintreten können. Im Falle einer Unternehmensbeteiligung mag dies etwa das Risiko eines massiven Produktionsausfalls sein, weil etwa Bauteile nicht lieferbar sind oder ein nachhaltiger Auftragseinbruch infolge deutlich geringerer Nachfrage zu befürchten ist.
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