Großes Potenzial für Private Equity

07.01.2022

Foto: © Song_about_summer - stock.adobe.com

Nur 3 % aller Investitionen im Bereich HealthTech sind 2020 in Femtech geflossen – also in Unternehmen, die sich speziell mit der Gesundheit von Frauen beschäftigen. Dabei gibt es einen riesigen Markt mit weltweit rund vier Milliarden potenziellen Kundinnen. Zudem deuten verschiedene Zahlen darauf hin, dass die Zielgruppe äußerst kaufwillig wäre. Also ein großes, bisher zu wenig genutztes Potenzial für Private Equity. Langsam, aber sicher wachen die Investoren auf.

Die Gesundheitsindustrie – in vielen Unterbereichen hat sie in den letzten Jahren einen phänomenalen Boom erlebt. Allen bekannt ist natürlich das Paradebeispiel BioNTech, das den ersten Impfstoff gegen Corona entwickelt hat. Möglich wurde dies maßgeblich durch die MIG Fonds, die mit ihrem außerbörslichen Beteiligungskapital schon in der Gründungsphase des Unternehmens investiert waren. Diese Investment-Entscheidung legte den Grundstein für eine Entwicklung, die die BioNTech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin zu Milliardären machte. Und die vielen MIG Fonds-Anleger fürstlich belohnte: Mit der vierten Teilausschüttung haben die MIG Fonds 7, 8 und 9 insgesamt die Rekordsumme von 700 Mio. Euro an ihre Privatanleger ausgeschüttet. Dem gegenüber steht die Gründungsinvestition über 13,5 Mio. Euro, die von den MIG Fonds getätigt wurde.

Für alle Beteiligten ein unfassbarer Triumph. Doch eine Private Equity-Erfolgsstory muss nicht immer gleich ein Virus vom Corona-Kaliber bekämpfen. Sehr viel spricht zum Beispiel für eine Kapitalanlage in Tech-Lösungen für die weibliche Gesundheit: Laut Analysehaus PitchBook geben Frauen pro Jahr nämlich rund 500 Mio. Dollar für Medizinprodukte aus. Doch nur klägliche 14 Mrd. Dollar wurden insgesamt in FemTech investiert – nicht pro Jahr, sondern seit Entstehung des Geschäftsfeldes. Woran liegt das? Ein guter Grund wäre, wenn sich herausstellt, dass Frauen in Gesundheitsfragen einfach Tech-Muffel sind. Allerdings liegt laut Nachrichtenmagazin „The Economist“ die Wahrscheinlichkeit der Nutzung von HealthTech bei Frauen sogar um 75 % höher als bei Männern.

Kathrin Werner, Kolumnistin bei der Süddeutschen Zeitung, sieht die Herausforderung schlichtweg darin, dass die meisten Investoren Männer sind. Dies identifiziert sie als ernste Hürde. Denn die Forschung zeige, dass Männer ihr Kapital am liebsten denjenigen geben, die sie etwas an sie selbst erinnern, also ebenfalls Männer sind. Ein Problem für die FemTech-Startups von Frauen.

Es geht sogar noch weiter: Gründerinnen berichten immer wieder, dass viele männliche Investoren die FemTech-Themen rund um Menstruation, Schwangerschaft und weibliche Körperflüssigkeiten eklig, peinlich oder uninteressant finden. Sogar der Branchenname „FemTech“ lässt sich darauf zurückführen. Den Begriff hat Ida Tin geprägt. Die Gründerin von Clue, einer App, mit der Nutzerinnen ihre fruchtbaren Tage herausfinden können, wollte den Investoren ein neutrales Sammelwort anbieten, um die Vermarktung zu erleichtern. Auch Gründerin Tijen Onaran rät Unternehmerinnen, mit Investoren so zu kommunizieren, dass diese sich nicht ekeln. Ihr Tipp: Über Zahlen und Wachstumschancen reden. Allerdings könnte es auch hier komplizierter werden.

Denn: Die Wissenschaft liefert viel weniger Daten über die medizinischen Bedürfnisse der Frau als möglich wäre. Studien zu Krankheiten, von denen alle Menschen betroffen sein könnten, werden eher an Männern durchgeführt. In den inklusiveren Studien, so Hormon-Expertin Alisa Vitti, werden die Ergebnisse selten nach Geschlecht aufgeschlüsselt. Das hat zur Folge, dass uns viele mögliche Erkenntnisse und Daten über die Unterschiede zwischen Frauen und Männern bei Krankheitsverläufen entgehen – auch im Hinblick auf die Wirkung von Medikamenten. Das erschwert die Argumentation bei faktenfokussierten Investoren.

Weiter auf Seite 2