Großes Podium in Berlin bei Standard Life

06.12.2023

Foto: Standard Life

„Wären happy, wenn das so umgesetzt würde!“

Im zweiten Block ging es um die Reform der staalich geförderten privaten Altersvorsorge, in erster Linie die Riesterrente. Hierzu hatte eine Fachkommission, die mit Vertretern aus Wissenschaft, Verbraucherschutz, Branchenverbänden und der Politik besetzt war, im Sommer einen Vorschlag vorgelegt, der von allen Seiten weitgehend begrüßt wurde.

In der vergangenen Legislaturperiode, in der die CDU noch mit in der Regierung war, hatte sie die Reform der Altersvorsorge leider nicht hinbekommen, bedauerte Dr. Carsten Brodesser. Aber das neue Format unter Beteiligung der Verbände sei gut und habe eine „Agenda für die Riesterrente“ hingelegt.

Und obwohl die Grünen unterschiedliche Auffassungen gegenüber den Koalitionspartnern von der FDP hätten, was Langlebigkeit und Verrentung anbelangt, zeigte sich Stefan Schmidt zuversichtlich: „Anfang 2024 wird es hoffentlich ein Gesetz geben.“ Eine Reform in der Riesterrente sei überfällig, so Schmidt. Er sei weder zufrieden mit der Anzahl der aktuellen Riesterverträge noch mit der Akzeptanz der Kunden. Aktuell würden von den rund 16 Millionen abgeschlossenen Riesterverträgen nur noch etwa zehn Millionen aktiv bespart.

An dieser Stelle machte ein Zuhörer seinem Ärger Luft: Politiker aller Parteien hätten die Riesterrente doch permanent „schlecht geredet“ und an den 100-prozentigen Garantien festgehalten. Schmidt gab dem Makler zwar Recht, sah seine Partei aber nicht in der Verantwortung: „Man hätte die Reform früher angehen sollen – aber den Schuh muss ich mir nicht anziehen.“ Der Grund für die Reform der Riesterrente sei es, die Rentenlücke zu schließen, und „viele Menschen wünschen sich einen Neustart.“

Ungewohnte Schützenhilfe bekam der Grünenpolitiker von Dr. Carsten Brodesser: Er unterstütze dessen Aussage, dass alle Menschen eine geförderte Altersvorsorge erhalten sollten. Die „Geburtsfehler“ der Riesterrente w[rden jetzt korrigiert. Das nächste Projekt sei eine Reform der betrieblichen Altersvorsorge, so der CDU-Finanzexperte, denn dort sei die Akzeptanz stark abhängig von der Unternehmensgröße: „Ob ich bei Bäckermeister Surminski oder bei Bayer Leverkusen angestellt bin, macht einen Riesenunterschied in der bAV!“

Prof. Ruß erinnerte daran, welchen Erfolg die Riesterrente bereits darstellt: Der Anteil der Menschen in Deutschland, die außer der gesetzlichen Rente keine andere Altersvorsorge hatten, lag „vor Riester“ noch bei 70 Prozent, sank nach deren Einführung aber auf nur noch 30 Prozent. Zurück zu den Vorschlägen der Reform der Altersvorsorge monierte Constantin Papaspyratos lediglich: „Ich hätte mir gewünscht, dass die Fokusgruppe Freiheit bei der Verrentung gewährt.“ Wirth bezeichnete das Ergebnis hingegen als „deutlich mehr, as wir erwartet haben. Wir wären happy damit, wenn das so umgesetzt würde!“ Die Reformvorschläge stellten quasi ein „Arbeitbeschaffungsprogramm für den Vertrieb“ dar, nicht nur für die Lebensversicherer.

Ruß: „Für Transformation zu nachhaltiger Wirtschaft brauchen Menschen Beratung“

In der Abschlussrunde forderte Moderator (nicht Bäckermeister) Surminski die Podiumsteilnehmer auf, abgesichts dieser Regulierungslage kurz die Zukunftsperspektiven für den Vertrieb zu beschreiben. Norman Wirth ergriff als Erster das Wort. Es gehe um Qualität und darum, Kunden unabhängig zu beraten, sowie um Finanzbildung, die bereits in den Schulen beginnen müsse. Wirth, der geglegentlich selbst an Schulen zu diesem Thema spricht, forderte seine Maklerkollegen deshalb auf: „Versuchen Sie sich da selbst einzubringen!“ Auch Carsten Brodesser forderte, dass die „wirtschaftliche Alltagstauglichkeit“ bei Schulabgängern ausgebaut werden müsse. Aber weil viele Menschen komplexe Finanzentscheidungen nicht alleine treffen können, sei Beratung wichtiger denn je – eine „hochwichtige, qualifizierte Aufgabe, auf die man stolz sein darf.“ Stefan Schmidt sprach das Potenzial von 82 Millionen Menschen in Deutschland an, von denen viele sehr internetaffin seien, aber trotzdem Bedarf an individueller Beratung hätten. Prof. Dr. Jochen Ruß schlug in dieselbe Kerbe. Er konnte sich einen Seitenhieb auf eine Lieblingsforderung der Grünen aber nicht verkneifen, als er sagte, dass sich „82 Millionen individuelle Lösungen“ schlecht mit einem Staatsfonds für alle vetragen. Ein anderer Aspekt, in der Diskussion zu kurz gekommen, war dem Aktuar aber wichtig: „Wenn wir die Transformation zu nachhaltiger Wirtschaft erreichen wollen, dann brauchen die Menschen Beratung zu alternativen Anlagen. Da kann uns das Internet nicht helfen!“

Constantin Papaspyratoss‘ Schlusswort klang halb wie eine Drohung, halb wie eine Verheißung für den Vertrieb: „Sie werden mehr zu tun haben, als Sie glauben wollen. Nutzen Sie die Regulierung als Chance, um Risiken zu entdecken.“ (fw)