Greiffbar – Investments zum Anfassen

08.12.2023

Volker Schilling, Gründer und Mitglied des Vorstandes der Greiff capital management AG / Foto: © Greiff capital management AG

Welche Themen waren diese Woche am Finanzmarkt relevant?

Una festa sui prati

Ein Held meiner Kindheit ist der italienische Schauspieler, gesellschaftskritische Sänger und selbstironische Playboy Adriano Celentano. Mit tiefer Stimme, einem erotischen Hüftschwung und zahlreichen Klamaukfilmen hat er am Ende mit großer Ironie die Politik, die Gesellschaft und die Mächtigen entlarvt. Gib dem Affen Zucker und er dreht so richtig auf. Sein Song „Una festa sui prati“, das „Fest auf der Wiese“, erinnerte mich diese Woche spontan an die ausgelassene Stimmung an den Börsen. Allerorten feiert man fröhlich neue Jahreshochs zum Jahresausklang. Der deutsche Aktienindex quasi in Dolce Vita Stimmung auf Allzeithoch. Die US Börsen in Feierlaune, wenn auch etwas verhaltener vor der kommenden Notenbanksitzung. Der Goldpreis erklimmt neue Höchststände und Bitcoin & Co feiern fröhliche Revivals mit beeindruckenden Wertentwicklungen im laufenden Jahr. Die Kriege, Krisen und Katastrophen des Jahres 2023 formen keine erbitterte Faust beim Anleger, sondern Hände wie Samt. Und auch Celentanos Mutterland Italien zeigt in den vergangenen 6 Wochen eine fulminante Börsenrally mit über 16 Prozent Wertzuwachs. Der Börsenhimmel ist wie Adriano Celentanos wohl erfolgreichstes und bekanntestes Lied: Azzurro!

Il ragazzo della via Gluck

Mein persönlicher Favorit ist aber das Lied vom „Freund aus der Straße Gluck“. Ein sehr persönlicher Song von Celentano, der selbst in der Via Gluck in Mailand aufwuchs. Eine wunderbare Melodie, mit der er die Entwicklung des modernen Menschen kritisiert. Und obwohl dieser Song von 1966 ist, hat er an seiner Aktualität nichts verloren. Dabei scheinen italienische Städte für die Deutschen quasi gleichnishaft für den Niedergang zu stehen, wie man an der diese Woche veröffentlichten PISA-Studie wieder einmal sehen konnte. Die deutsche Bildung weiterhin im Rückwärtsgang. Es braucht dringend eine „La cumbia di chi cambia“ wie es Celentano besang. Oder wie es in seinem Liedtext heißt: „Aber manchmal denke ich, dass es uns allen besser ginge, wenn wir etwas Besseres verlangten. Wir sind dabei, ein Volk von Emotionslosen zu werden. Wir sind dabei, ein Volk von Zwanghaften zu werden. Wir sind dabei, es zu werden und sind es immer gewesen. Ich frage mich, vielleicht sind wir Resignierte.“ Der Song sucht die Mutigen, etwas zu verändern. Wir stattdessen haben diese Woche das Wort „Krisenmodus“ zum Wort des Jahres gekürt.

Il tempo se ne va

Doch es gibt Hoffnung: Mit Il tempo se ne va, oder „Wie die Zeit vergeht“, singt der heute 85-jährige Celentano über seine Tochter. Wie rasant sie erwachsen wird und ihre eigene Welt beschreitet. Die nächste Generation hat es in den Händen. Sei es „Der gezähmte Widerspenstige“ oder „Ein seltsamer Typ“, ich erkenne großes Potential wenn ich in die Augen der nächsten und nicht der letzten Generation blicke. Ich traue übrigens auch den Börsen noch weit bis ins nächste Jahr einiges zu. Hier meine Prognose in einem Satz, wie ihn auch Celentano formulieren könnte: The winner takes it all time higher for longer only! Alles klar? Celentano hat in den 1970igern mit seinem Song „Prisencolinensinainciusol“ gezeigt, dass die Italiener in der Popmusik alles kaufen, was amerikanisch klingt, obwohl sie nix verstehen. So auch sein Hit, der aus völlig frei erfundenen Wörtern besteht, die englisch klingen, aber völliger Nonsens sind. Genau das sind auch alle Börsenprognosen, die Ihnen jetzt zum Jahresausklang wieder um die Ohren gehauen werden. Dann lieber Adrianos Musik.

Ihr Volker Schilling

Kolumne von Volker Schilling, Gründer und Mitglied des Vorstandes der Greiff Capital Management AG