Gesetzgebung ist kein Rentner

20.04.2022

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Anscheinend gibt es aber auch Lichtblicke. „Man ist sich in Brüssel bewusst, was für ein enormer Kraftakt hinter der Umsetzung der Abfragepflicht von Nachhaltigkeitspräferenze im Beratungsprozess für Produktgeber und Finanzvertriebe steht“, berichtet Martin Klein, Geschäftsführender Vorstand des Branchenverbands VOTUM Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungsunternehmen in Europa e. V. „Es laufen zahlreiche Gespräche und Konsultationen, um die größten Pain Points zu identifizieren und möglichen Haftungsrisiken entgegenzuwirken.“ Sowohl VOTUM als auch der AfW setzen sich weiterhin dafür ein, dass erst die Regulierungsstandards kommen. „Wir nutzen unsere Kontakte zur Politik und zu den relevanten Behörden“, versichert Klein. „Wir stehen sowohl im Austausch mit der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA als auch mit der BaFin und haben bereits im Dezember einen offenen Brief an die Kommission geschickt, ebenso sprechen wir mit dem Bundesfinanzministerium.“ Der AfW hat ähnliche Hebel in Bewegung gesetzt. Gleichzeitig bleibt der VOTUM-Vorstand realistisch und gibt zu bedenken, dass es sich bei der Umsetzung um mehrere Delegierte Verordnungen handele, die automatisch in allen Mitgliedsstaaten gleichzeitig in Kraft treten. „Eine bereits verabschiedete Delegierte Verordnung zu verschieben, bedeutet einen unheimlich großen gesetzgeberischen Aufwand“, so Klein.

Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren

„Auch wenn wir nicht lockerlassen, müssen wir deshalb davon ausgehen, dass es beim Inkrafttreten der Abfragepflicht von Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungsprozess zum August 2022 bleibt und die Branche sich an den bis dahin nur als Entwurf vorliegenden RTS orientieren muss“, prognostiziert Rechtsanwalt Klein. Erfreulicherweise hat VOTUM unabhängig vom beschriebenen EU-Wirrwarr bereits Anfang 2021 einen ESG Arbeitskreis ins Leben gerufen, der sich regelmäßig digital trifft und intensiv Lösungen für die Integration der Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen im Beratungsprozess erörtert. Über 60 Unternehmen tauschen sich hier spartenübergreifend aus. Dabei geht es u. a. um die Formulierung von Fragestrecken, um mögliche Softwarelösungen wie virtuelle Schieberegler für Nachhaltigkeitsanteile im Portfolio bis hin zu Ratings oder Siegel. „In diesem Arbeitskreis werden wir auch Muster-Hinweistexte für die Geeignetheitserklärungen erarbeiten, um Haftungsrisiken für die Vermittlungsunternehmen zu minimieren“, so Klein. Sowohl VOTUM als auch der AfW engagieren sich in einer Reihe von Initiativen bei der Erarbeitung eines Branchenstandards zur Orientierung. „Dazu gehören der DIN-Ausschuss, der Arbeitskreis Beratungsprozesse und das GSN German Sustainability Network“, listet Wirth für den AfW auf. „Guter Austausch erfolgt auch mit der Initiative Nachhaltigkeit in der Lebensversicherung und mit dem FNG Forum Nachhaltige Geldanlagen.“ Bei letzterem ist VOTUM Forumspartner und auch bei den DIN-Arbeiten dürften sich die Verbände begegnen. (sh)