Geht die Lebensversicherung jetzt K.O.?

31.07.2018

Michael A. Hillenbrand, Vorstand Deutsche Verrechnungsstelle für Versicherungs- & Finanzdienstleistungen AG (dvvf) / Foto: © dvvf

BaFin stellt 34 Lebensversicherer wegen finanzieller Schwierigkeiten unter intensivere Aufsicht!

Die BaFin beobachtet bereits 40 % aller Lebensversicherer. Allesamt „…Unternehmen, bei denen sich aus der jährlichen Prognoserechnung ergibt, dass sie mittel- bis langfristig finanzielle Schwierigkeiten haben könnten…"

Dies geht aus einem Bericht an den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages - Evaluierung des Lebensversicherungsreformgesetzes - hervor. Den 29-seitigen Bericht haben wir für Sie gelesen und hier auf 5 Seiten zusammengefasstund kommentiert. Wer den vollständigen Bericht selbst lesen möchte (was sich immer empfiehlt), findet ihn hier.

Ausschüttungssperre:

Mit der Ausschüttungssperre (Seite 8) soll verhindert werden, dass Gewinne an die Aktionäre ausgeschüttet werden, bevor die nötigen Rückstellungen und Reserven für die Erfüllung der langfristigen Verpflichtungen vorgenommen wurden. Eine sicher sinnvolle Maßnahme. Da aber davon die AG’s ausgenommen sind, die Ihre Gewinne im Wege eines Gewinnabführungsvertrages an die „Mutter" abführen, die für die Tochter garantiert, stellt sich die Frage wie hier dann verfahren wird, wenn die Tochter verkauft wird (vgl. Generali) oder selbst Verträge im Wege des externen Run-Off verkauft (vgl. ARAG).

Garantiezins:

Die meisten Marktteilnehmer gehen davon aus, dass die Garantien in den angebotenen Verträgen immer dem Höchstrechnungszins entsprechen. Der Bericht offenbart, dass dies nicht der Fall ist. Der  durchschnittliche Garantiezins (S. 9) wird für Rentenversicherungen mit Garantiezins wie folgt angegeben: Ansparphase: 0,64 % Rentenphase: 0,72 %. Sie sollten sich also die Produkte genau ansehen, bevor Sie beim Kunden eine Aussage über den Garantiezins treffen!

Beteiligung an den Bewertungsreserven:

Im Zusammenhang mit der Beteiligung an den Bewertungsreserven (s. 13) erfährt der Leser, dass p. a. ca. 7 % der Versicherungsverträge enden. Offenbar spricht man bewusst nicht von „ablaufen", denn der Ablauf ist die planmäßige Beendigung, während unter Beendigung des Vertrages auch die außerplanmäßigen Beendigungsgründe (Ableben und Kündigung) fallen. Dies könnte darauf hindeuten, dass die durchschnittliche Laufzeit eines Vertrages < 15 Jahre ist. Dies wiederum bedeutet, dass die tatsächliche Kostenbelastung der Verträge viel höher ist, als die kalkulierte und kommunizierte. Denn, wenn ein Vertrag, der 30 Jahre läuft nach 15 Jahren endet, summieren sich z. B. 25 ‰ kalkulierte gezillmerte Abschlusskosten auf tatsächliche 50 ‰, oder eben 5 %, da nur die Hälfte der Beiträge einbezahlt wurden und die Abschlusskosten aus den Beiträgen der ersten 5 Jahre entnommen wurden. Abschlusskosten, die über die Laufzeit verteilt werden noch nicht eingerechnet. Das sollten Sie wissen, wenn Sie LV/RV-Verträge mit anderen Anlagen vergleichen!

Höchstzillmersatz:

Im Abschnitt 2.11 (S. 15) wird der Effekt der Begrenzung des Höchstzillmersatzes von 40 ‰ auf nur noch 25 ‰ erläutert. Man sieht dabei, dass die Versicherer im gleichen Atemzug die Verwaltungskosten leicht angehoben haben, was einer Verschiebung gleichkommt (vgl. auch 2.14.1 Vertriebskosten). Leider werden hier die prozentualen Werte nicht kommuniziert, was beim Vergleich von LV-Verträgen von Bedeutung wäre, da man dann eine Benchmark hätte.

Effektivkosten:

Nach diesem Bericht liegen die Effektivkosten (s. 16) in den Tarifen vor LVRG1 im Bereich von 1,05 % (Laufzeit 40 Jahre) bis 2,05 % (Laufzeit 12 Jahre). In der aktuellen Tarifgeneration liegen die Effektivkosten im Korridor von 0,99 % bis 1,71 %. Wenn dies richtig berechnet ist, kommt dies einer RiY (Reduction in Yield) gleich. D. h. die Rendite des Vertrages wird um 1,05-2,05 % in den alten und 0,99-1,71 % in den neuen Verträgen gemindert. Das bedeutet, dass die Kapitalanlagen eines Vertrages, der im Durchschnitt 3,0 % Zinsgutschrift erfährt, tatsächlich 3,99 oder 4,71 % erwirtschaften und das wiederum bedeutet, dass zwischen 24,8 und 36,0 % der Erträge abgeschöpft werden, bevor sie beim Kunden angelangen!

V.a. gemessen am Höchstrechnungszins 2015 von 1,25 % bzw. ab 2017 von 0,9 % ist dasvielleicht ein zu ordentliches Stück vom Kuchen. Stellt man diese Renditeminderung von 0,99-1,71 % (je nach Versicherer und Tarif) dem aktuell tatsächlichen durchschnittlichenGarantiezins von 0,64 bzw. 0,72 % gegenüber, beginnt der einfache Kunde an der Seriositätdes Produktes zu zweifeln.

Das Bedauerliche ist, dass o. g. „nur die halbe Wahrheit" abbildet, also nicht richtig berechnet ist, denn das BMF weist auf folgendes hin: „…Die Lebensversicherer geben die Effektivkosten an. Allerdings verfahren sie bei der Bestimmung der Effektivkosten gegenwärtig noch uneinheitlich; beispielsweise werden nachgelagerte renditemindernde Effekte wie z. B. der Gewinnanteil des Anbieters teilweise ausgeblendet…"

Somit dürften die wahren Kosten deutlich höher liegen. Denn für unwesentliche Veränderungen gäbe es wohl keinen Anlass diese nicht einzubeziehen.

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