Gefahrenanalyse: Welche Schlaglöcher können die Aktienmärkte aus der Bahn werfen?
04.01.2022
Heiko Löschen, Vermögensverwalter der GSP Asset management GmbH / Foto: © GSP
Die COVID-Pandemie droht zu einer unsere Gesellschaft dauerhaft begleitenden Endemie zu werden. Das vierte Quartal des letzen Jahres an den Aktienmärkten zeigt dies deutlich. Nach den extrem positiven ersten neun Monaten hat es die Märkte immer wieder ganz schön durchgeschüttelt. Auch wenn die Kurse zuletzt nach unten gingen, konnte der DAX40 das Jahr 2021 mit einem zweistelligen Ergebnis beenden. Nur wie geht es weiter?
Daumen hoch oder runter?
Die Prognosen für die wirtschaftliche Entwicklung für die Jahre 2022 und 2023 sind in den entwickelten Volkswirtschaften durchweg positiv. Ein stabiles Wachstum wird von den Experten vorhergesagt, wenn auch mit niedrigeren Wachstumsraten. Also: Daumen hoch!
Gefahr Nummer 1 – Das Virus und seine Mutationen:
Jede weitere Einschränkung des öffentlichen Lebens senkte die Sterberaten gleichermaßen wie es der wirtschaftlichen Entwicklung ganzer Branchen schadet. Diese Tatsache schwächt die Konjunktur und wird bei negativen Nachrichten über neue Mutationen oder starke steigenden Infektions- und Todeszahlen auf den Aktienkursen lasten. Ebenso sind positive Nachrichten Treibstoff für neue Hoffnung, welche die Aktienkurse enorm beflügeln kann.
Gefahr Nummer 2 – Die Bekämpfung der Inflation
Die Inflation ist gefühlt extrem hoch! Alle Sensoren signalisieren Alarmbereitschaft und der Ruf nach harten Maßnahmen zur Bekämpfung der Teuerung werden laut. Nach der klassischen Lehre bedeutet dies steigende Zinsen und Verknappung des Geldangebots für die Wirtschaft durch die Notenbanken. Das ist selten gut für Aktienmärkte. Allerdings war im Vorjahr die Inflation nahe Null, so dass der Vergleich exorbitante Zuwachsraten zeigen muss. Den kundigen Betrachter der Materie dürfen diese Inflationsraten nicht wirklich überraschen. Sie werden sich in 2022 wieder deutlich reduzieren und es ist zu erwarten, dass sie zwischen 2 und 3 % pendeln werden.
Den Notenbanken ist das ganz lieb, denn bei einer Inflationsrate von drei Prozent oder mehr und einem Zins von Null geht es den Kreditnehmern sehr gut, die hoch verschuldet sind. Die Rückzahlungsverpflichtung reduziert sich schneller im Vergleich zu den Kosten für das geliehene Kapital. Die hoch verschuldeten Staatshaushalte entschulden sich ganz einfach. An und für sich die beste aller Welten. Obendrein bleibt dieser Effekt auch bei einem deutlichen Anstieg der Zinsen bestehen.
Die amerikanische Notenbank (FED) kommuniziert aus meiner Sicht aktuell sehr gut und sorgt dafür, dass die Kapitalmärkte nicht durch ihre Maßnahmen verschreckt werden. Sollte dieser Kurs beibehalten werden, ist diese Gefahr im Auge zu behalten aber nicht so groß wie aktuell häufig befürchtet.
Gefahr Nummer 3 – Realer Krieg in der Ukraine und Wirtschaftskrieg mit China
Kriegerische Handlungen sind abseits der damit verbundenen humanitären Katastrophen immer auch Epizentren für Schockwellen für die Kapitalmärkte. Ganz bewusst möchte ich das Augenmerk auf den Sprengstoff legen, der in den beiden angesprochenen Konflikten liegt. Jeder, der sich ein wenig mit den Konflikten zwischen Russland und der Ukraine bzw. China und der „westlichen Welt“ befasst, merkt schnell, dass die wirtschaftlichen Verflechtungen immens sind und es letzten Endes immer um die wirtschaftlichen Interessen der einzelnen Nationen geht.
Ich hoffe sehr, dass alle handelnden Akteure sensibel mit ihrer Verantwortung umgehen. Jedwede Eskalation kann die Kapitalmärkte durcheinanderschütteln. Aus diesem Grund rate ich auch jedem Anleger derzeit eine Liquiditätsreserve zu halten, um bei deutlich fallenden Kursen einsteigen zu können.
Gefahr Nummer 4 – Die extrem hohe Bewertung der Wachstumsaktien
In den letzten Jahren haben eine Vielzahl von Aktien die Sphäre der „normalen“ Regeln für Börsenbewertungen verlassen. Traditionelle Kennzahlen wie zum Beispiel Kurs-Gewinn Verhältnis, Kurs-Buchwert- Verhältnis, Dividendenrendite etc. scheinen für die Technologieaktien keine Relevanz mehr zu besitzen. Ich möchte gar nicht sagen, dass der renditesuchenden Anleger hier nicht investieren sollte. Ich tue das mit den mir anvertrauten Geldern auch. Aber ich möchte das Augenmerk darauf lenken, dass die Fallhöhe dieser gehypten Aktienwerte sehr hoch ist und jedes Depot immer wieder einmal dahingehend überprüft werden sollte, ob die Anlagestruktur ausgewogen ist und Klumpenrisiken konsequent abgebaut werden. So sinkt der Wert des Depots bei einem Platzen der Kursphantasien auch, aber es erleidet keinen kompletten Schiffbruch.
Gefahr Nummer 5 – Sorglosigkeit
Es gibt in Deutschland so viele Aktionäre wie noch nie. Wir sind bisher kein Volk der Aktionäre gewesen. Ich begrüße diese Entwicklung ausdrücklich und halte dies auch im Hinblick auf die Eigenverantwortung jedes Individuums für den eigenen Umgang mit Geld, den eigene Vermögensaufbau und die eigene Altersvorsorge für existenziell wichtig. Diese Entwicklung birgt aber auch die Gefahr, dass viele Neuanleger mit dem Blick in den Rückspiegel der letzten zehn Jahre davon ausgehen, dass es genauso mit den hervorragenden Renditen an den Aktienmärkten immer weiter geht. Sollten sich die Vorzeichen für die Aktienmärkte ins Negative drehen und beispielsweise von den genannten Gefahren einige gemeinsam eintreffen, erhöht sich das Risiko, dass diese Anleger den Kapitalmärkten für Jahrzehnte desillusioniert den Rücken kehren könnten.
Gefahren lauern an allen Ecken. Ein guter Plan in Verbindung mit einer konsequenten Umsetzung hilft, diese rechtzeitig zu erkennen und zu umschiffen. Die Aussichten sind grundsätzlich positiv und somit gilt es, die Chancen wahrzunehmen. Also: Butter bei die Fische!
Kolumne von Heiko Löschen, Vermögensverwalter der GSP asset management GmbH in Münster
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