Geduld gefragt

23.03.2022

Paul Merle, Fondsmanager des Echiquier Climate & Biodiversité Impact Europe beim französischen Vermögensverwalter LFDE / Foto: © LFDE

Nachhaltige Investments im Spannungsfeld von politischem Willen und turbulenten Märkten.

Der Start ins neue Jahr beginnt herausfordernd an den Märkten. Der europäische Aktienmarkt war zu Beginn von weiteren Trend- und Stilwenden geprägt, die insbesondere überzeugungsbasierten Managern die Navigation erschwerten. Hinzu kam die anhaltend hohe Inflation wodurch Zentralbanken eine baldige Straffung der Geldpolitik andeuteten und hoch bewertete Aktien unter Druck setzten. Schließlich erschütterte das Eindringen der russischen Armee in die Ukraine am 24. Februar 2022 die Gemüter, die Herzen und die Märkte. Der weitere Verlauf der Ereignisse bleibt unvorhersehbar, da der Konflikt komplexe globale Auswirkungen hat. Ein aus unserer Sicht wahrscheinliches Szenario ist, dass es zu einer Art Stillstand kommt – eine Blockade mit chronischer Instabilität, die für die Märkte weltweit jedoch nicht sehr bedrohlich ist. Dann werden die wichtigsten Bestimmungsfaktoren des Marktes wieder die makroökonomischen Fundamentaldaten sein, insbesondere Inflation und Wachstum, sowie die Reaktion der Zentralbanken auf diese Faktoren.

Auch grüne Unternehmen konnten sich diesem allgemeinen Marktumfeld nicht entziehen, wenngleich der Klimaschutz auf politischer und wirtschaftlicher Ebene ganz oben auf der Agenda steht. Wir sind überzeugt, dass es auch in Zukunft ohne die Berücksichtigung von ESG-Kriterien keine Wertschöpfung geben kann. Die Mobilisierung der gesamten Gesellschaft steht auf dem Programm und gewinnt zusehends an Fahrt, damit der weltweite Temperaturanstieg bis 2050 deutlich unter 2°C bleibt. Und der Finanzsektor hat die entscheidende Aufgabe, das Kapital zielorientiert in die Unternehmen zu lenken, die den klimabedingten Wandel aktiv gestalten.

Europäische Wirtschaft im grünen Wandel

Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, liegt es natürlich nahe, vorrangig Unternehmen zu finanzieren, die Lösungen für Umweltprobleme entwickeln. Doch wenn wir die globale Erwärmung wirklich begrenzen wollen, müssen wir Unternehmen aller Sektoren berücksichtigen. Ausschließlich die grünen Lösungsanbieter zu finanzieren, wäre zu kurz gedacht – auch im Sinne einer sozial gerechten Klimawende. Daher unterstützen wir bewusst auch Unternehmen im Wandel aus traditionellen Branchen, wie etwa aus dem Gesundheits-, Textil- oder dem Bankensektor. In all diesen Sektoren finden sich ambitionierte und richtungsweisende Unternehmen, die sich für den Klimaschutz einsetzen und ihr Geschäftsmodell am 1,5-Grad-Ziel zur Begrenzung der globalen Erwärmung ausrichten.

Nachhaltige Pioniere sind unseres Erachtens etwa BNP Paribas im Bankbereich, Allianz im Versicherungssektor oder Kering bei Luxusgütern. Astrazeneca ist aus unserer Sicht Vorreiter im Gesundheitssektor, im Hinblick auf die gesetzten CO2-Ziele sowie den systematischen Einfluss auf die Zulieferer. Als Klima-Lösungsanbieter – weil führend bei der digitalen Transformation und Energieeffizienz der Industrie – sehen wir die französische Schneider Electric. Deutsche Post wiederum ist ein gutes Beispiel für ein Unternehmen im Wandel, welches die Klimawende und die Integration von Klimaschutzaspekten aktiv angeht – und zwar in einem Sektor mit den höchsten Emissionen. Deutsche Post hat sich sehr ambitionierte Ziele zur Reduzierung der CO2-Emissionen und zur Nutzung von Biokraftstoff gesetzt, was wir aktiv unterstützen.

Biodiversität rückt stärker in den Blickpunkt

Diese Vertreter der europäischen Wirtschaft, die ein klares ESG-Profil aufweisen und aktiv einen Beitrag zur Energiewende und dem Schutz der Artenvielfalt leisten, haben sich im vergangenen Jahr solide entwickelt. Die Stilrotationen, die wir am Markt im vergangenen Jahr und auch zu Beginn dieses Jahres gesehen haben, sind fundamental nicht gerechtfertigt. Daher bleiben wir langfristig positiv für grüne Wachstumswerte. Auch aufgrund der umfangreichen Investitionsprogramme haben grüne Aktien mittel- bis langfristig starke Wachstumsperspektiven. Gerade der Krieg in der Ukraine zeigt, dass Europa immer noch zu sehr vom russischen Gas abhängig ist und massiv in erneuerbare Energien investieren sollte.

Die hohe Inflation wird uns aber im weiteren Jahresverlauf begleiten. Daher haben wir zu Jahresbeginn zunächst Positionen in erneuerbare Energieanbieter etwas reduziert und gleichzeitig den Anteil zyklischer Werte erhöht auf nunmehr 25 % sowie den Anteil von Value-Aktien auf circa 29 %, um uns an ein Umfeld steigender Zinsen anzupassen. Um der hohen Inflation zu begegnen, wird auch eine starke Preismacht für das Jahr 2022 entscheidend sein. Thematisch wird in Zukunft Biodiversität an Bedeutung gewinnen, was uns auch zahlreiche Unternehmen sowie Investoren gespiegelt haben. Hier haben wir unsere Positionen bereits erhöht und werden dies auch im Jahr 2022 weiterhin tun. Unternehmen wie die schwedische Alfa Laval, Veolia im Bereich Abfallwirtschaft und SCA im Bereich nachhaltiger Forstwirtschaft sehen wir als Lösungsanbieter.

Grün, grüner, dunkelgrün?

Das breite Spektrum an Wirkungen, die mit grünen Investments erzielt werden können, ruft bei manchen Anlegern aber auch teilweise begründete Sorgen über Greenwashing hervor. Die Speerspitze des Gesetzgebers im Kampf gegen Greenwashing ist die EU-Taxonomie. Diese Klassifizierung der Wirtschaftsaktivitäten ermöglicht die auf wissenschaftlichen Daten beruhende Identifikation von Tätigkeiten, die wirklich „grün“ sind.

Das reicht uns jedoch (noch) nicht aus. Auch an der Unternehmensfront weckt der mögliche Zugang zu Finanzierungen allerhand Begehrlichkeiten. Angesichts der Komplexität der Regeln und Vorschriften sowie der zahlreichen Auslegungsmöglichkeiten stellt sich daher für Investoren auch immer die Frage hinsichtlich der Qualität der von den Unternehmen vorgelegten Berichte. Wir als aktiver Vermögensverwalter in diesem Bereich nehmen die Bedenken mit Blick auf Greenwashing sehr ernst. Eine umfassende Analyse der Unternehmen auf Basis unserer eigenen Methodik, aktives Engagement und regelmäßige Gespräche mit dem Management sind aus unserer Sicht daher auch unerlässlich.

Gastbeitrag von Paul Merle, Fondsmanager des Echiquier Climate & Biodiversité Impact Europe beim französischen Vermögensverwalter LFDE.