„Für Edelmetalle ist das der perfekte Sturm“
11.08.2020
Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG / Foto: © Martina Draper
Der US-Dollar verliert seinen Charme
Eine gewichtige Rolle im Gold- und Silber-Bullenmarkt spielt für Dellmann auch der US-Dollar, der zuletzt gegenüber dem Euro deutlich an Wert verloren hat. „Ein schwacher Dollar ist tendenziell bullish für Rohstoffe und natürlich auch für die Edelmetalle. Allein schon, da die Rohstoffe im internationalen Handel in US-Dollar gehandelt werden. Außerdem gilt der US-Dollar unter Investoren ebenfalls als sicherer Hafen. Sinkt sein Wert, werden Alternativen wie Gold gesucht.“
Auch Dennin sieht im schwachen Dollar eine starke Unterstützung für alle Rohstoffpreise, geht aber sogar noch einen Schritt weiter: „Die aktuelle Situation in den USA, der starke Wirtschaftseinbruch im zweiten Quartal, das Ausmaß der Arbeitslosigkeit und die beispiellose Explosion der Staatsverschuldung, um den Auswirkungen der Corona-Krise beizukommen, lässt die US-Währung nicht nur schwächeln. Es kommen Sorgen auf, dass der US-Dollar seinen Nimbus als Weltreserve-Währung verlieren könnte, den er seit 1970 innehat. Daher könnte sich der Abwärtstrend der US-Währung weiter fortsetzen.“ Für den Asset Manager bleibt eine Schlussfolgerung: „Die sicherste Währung ist noch immer Gold, weshalb ja insbesondere die Zentralbanken seit Jahren Gold zukaufen.“
Erst der Anfang
Entsprechend optimistisch bleibt Dennin: „Bei aktuell 2.000 US-Dollar stehen wir gerade erst am Anfang einer deutlichen Verteuerung von Gold. Auch im Silberpreis ist neue Fantasie geweckt, nachdem die Marke von 20 US-Dollar endlich gefallen ist.“ Eine Blase sieht der wikifolio-Trader nicht: „Zwischen 1970 und 1980 stieg der Goldpreis um 750 Prozent auf – inflationsbereinigt – über 2.200 US-Dollar. Ich bin überzeugt, dass er in den nächsten Monaten oberhalb dieser Marke handeln wird.“ Mit dieser Einschätzung ist Dennin nicht alleine: Laut der US-Investmentbank Goldman Sachs könnte der Goldpreis binnen 12 Monaten auf 2.300 US-Dollar steigen. Die Bank of America ist auf Sicht von 18 Monaten sogar noch etwas bullisher: 3.000 US-Dollar trauen die Analysten dem Edelmetall zu.
wikifolio-Trader Dellmann ist mit seiner Prognose etwas vorsichtiger: „Da aktuell noch kein Ende der Geldflut in Sicht ist, können Gold und insbesondere Silber noch weiter steigen. Mit Korrekturen muss man nach solchen Anstiegen aber immer rechnen.“ Einen regelrechten Preisverfall – etwa bei Entspannung der Coronavirus-Lage – sieht Dellmann nicht. Selbst ein Impfstoff sollte demnach nicht das abrupte Ende der Gold-Euphorie einläuten: „Kurzfristig würde es sicher eine gewisse Unsicherheit aus den Finanzmärkten nehmen und entsprechend den Goldpreis auch sinken lassen. Die Probleme des Finanzsystems sind mit einem Impfstoff aber keinesfalls gelöst.“
Dennin bestätigt: „Ein entscheidender Faktor ist das Ausmaß des neu geschaffenen Geldes und damit der Schulden. Weltweit belaufen sich die staatlichen Corona-Hilfen auf über acht Billionen US-Dollar, was in etwa 10 Prozent der weltweiten Wirtschaftsleistung entspricht. Papiergeld wie US-Dollar und Euro lassen sich problemlos vermehren, solange die Menschen ihrer Währung vertrauen. Gold hingegen lässt sich nicht auf der Druckerpresse drucken.“
Kolumne von Andreas Kern, Gründer und CEO der wikifolio Financial Technologies AG