Für die Versicherer ein echter Weckruf
10.08.2018
Matthias Brauch, Geschäftsführer softfair GmbH / Foto: © softair GmbH
finanzwelt: Liegt es mehr an der Zeit oder am Geld, dass es nicht richtig funktioniert? Konkret: Stellen die Gesellschaften zu wenig Budget zur Verfügung oder mahlen die Mühlen generell sehr langsam? Brauch: Ich sehe die Herausforderung auch im Fachkräftemangel. Für junge Programmierer nach erfolgreicher Ausbildung oder auf der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle ist die Versicherungsbranche nicht immer die Adresse Nr. 1. Und vorhandene Fachkräfte auf neue Technologien und teilweise auf einen Wandel hin zu einer agilen Unternehmenskultur zu verpflichten, ist beileibe kein Selbstgänger. Außerdem sind die IT-Systeme der Versicherer zum Teil noch aus den Anfangstagen der EDV. Sie können nur Stück für Stück angepasst bzw. modernisiert werden.
finanzwelt: Das würde ja meine vorherige Behauptung, die InsurTechs seien schneller und flexibler, erklären. Denn da sitzen die jungen Programmierer, die sich nicht mit EDV-Altlasten abplagen müssen, sondern Systeme komplett neu und modern aufsetzen können. Ist der Erfolg der InsurTechs ein Weckruf und hat er eine Zeitenwende ausgelöst? Brauch: Um langfristig am Versicherungsmarkt bestehen zu können, braucht es nicht nur gute Technik, sondern auch Marktverständnis und ein funktionierendes Geschäftsmodell. Manch ein InsurTech scheitert schnell daran. Ja, und für die Versicherer ist es ein echter Weckruf. Sie reagieren mit Millioneninvestitionen, gründen Think-Tanks, entwickeln digital basierte Produkte – sie treiben die Digitalisierung derzeit stark voran. Die Frage ist aber eben, welchen Stellenwert beim Thema Digitalisierung dabei konkret Prozessverbesserungen von und zum Makler haben.
finanzwelt: Haben Faktoren wie der Niedrigzins oder die Regulierungen (Solvency II) auf den Prozess der Digitalisierung nicht auch einen negativen Impact? Brauch: Sogar einen enormen Impact meines Erachtens. Zum einen müssen die Versicherer, um sich stabiler aufzustellen, ihre Kosten senken. Und hier bieten Prozessoptimierung und Digitalisierung das größte Einsparpotenzial. Leider wird Digitalisierung fälschlicherweise oft mit Automatisierung gleichgesetzt. Dabei kann ein ausschließlicher Fokus auf Automatisierung schnell zum Tod der Digitalisierung führen. Vieles, was automatisiert wird, vermindert die Datenmenge. Effizienz ist ja ein wesentlicher Bestandteil der Automatisierung und wenige Daten zu verarbeiten ist häufig ein Indikator für Effizienz. Die Daten gehen dann auf Kosten des Prozesses verloren. Zum zweiten bindet die Umsetzung aller regulatorischen Anforderungen viele Ressourcen in der IT, die dann an anderer Stelle für Weiterentwicklungen fehlen.
finanzwelt: Auch wenn Sie kein Freund der Automatisierung sind, bleibt doch festzustellen, dass viele an die Zukunft der Robo Advisor glauben. Stirbt der Makler mit dem Faxgerät langsam aus? Brauch: Versicherungen lassen sich durch digitale Anwendungen vielleicht einfacher verkaufen, aber nicht vermitteln. Bei den „Must-have“, also Produkten wie der KFZ-Versicherung, ist der digitale Vertriebsweg bereits fest etabliert. Hier kann der Makler nur noch durch Cross-Selling partiell teilhaben. Im beratungsintensiven Versicherungsgeschäft, wie zum Beispiel BU, wird die persönliche Beratung auch in Zukunft unverzichtbar sein. Daran gibt es nichts zu rütteln.
finanzwelt: Aber gerade KFZ ist doch der Einstieg in den Versicherungsmarkt. Das darf der Makler nicht aus der Hand geben, auch wenn er es nur digital über Vergleichsrechner auf seiner Homepage abbilden kann. Brauch: Wenn KFZ zu seinem Kundengewinnungsprozess gehört, dann darf das vom Makler natürlich nicht außer Acht gelassen werden.
finanzwelt: Es gibt den Begriff des hybriden Kunden. Müssen sich Makler auf diesen Typus einstellen und wenn ja, wie? Brauch: Als Makler kann man den hybriden Kunden abholen, wie jeden anderen Kunden auch. Es geht im Grunde darum, dass man sich um ihn kümmert. Von sich aus wird er selten aktiv. Wenn ein Makler sich auf seinen Kunden einstellen kann – online und offline immer die passenden Produkte vermitteln kann – ist es egal, ob hybrid oder nicht.
finanzwelt: Check24 oder Amazon. Wer macht Ihnen mehr Angst? Brauch: softfair wird künftig als Intermediär eine noch größere Rolle am Markt spielen. Der Begriff „Angst“ ist hier also falsch. Wenn Amazon aber ins Versicherungsgeschäft einsteigt – und danach sieht es ja aus – wird Amazon aufgrund seiner Marktmacht und seines Images das Rennen vor Check24 machen. Ob beide Player aber in Zukunft Endkunden flächendeckend von einem Produkt wie beispielsweise der BU überzeugen werden, bezweifle ich.
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