Für die nächste Krise wappnen – was Unternehmen jetzt tun können

18.06.2020

Dr. Bernhard Braunmüller, CSO von Q_PERIOR / Foto: © Q_PERIOR

Welche Lehren können Unternehmen noch aus der Krise ziehen?

Braunmüller: Sie werden nicht darum herumkommen, insgesamt ihre IT-Strategie, -Organisation und -Landschaft für den Regelbetrieb zu bewerten. Ein schlecht dokumentiertes Legacy-System, das auf veralteter Technologie basiert und das nur wenige IT-Mitarbeiter beherrschen, war schon vor Corona ein gewagtes Spiel. In einer Krisensituation kann das schnell und erbarmungslos zum Fallstrick werden. Zum Beispiel dann, wenn die wenigen Wissensträger ausfallen und das notwendige Systemwissen am externen Markt nicht vorhanden ist.

Auch die Kundenprozesse müssen mittelfristig krisensicher gemacht werden. Beispielsweise muss der Vertrieb im Ernstfall weiterhin in der Lage sein, eigene Kunden trotz erschwerter Rahmenbedingungen zu betreuen, zu beraten und vor allem Neugeschäft zu generieren. Hier geht es um webbasierte Vertriebsplattformen, die Funktionen wie Kundenkommunikation, Beratung zu neuen Finanzprodukten, Tarifrechner, Dokumentenaustausch und rechtssichere elektronische Unterschriften bereitstellen – und darum, ganz nebenbei allen regulatorischen Anforderungen der jeweiligen Branche, wie zum Beispiel der BaFin, zu genügen. Ein aktuelles Beispiel einer Förderbank zeigt, wie es gehen kann: Die Mitarbeiter bekamen plötzlich Unmengen an Kreditanträgen auf den Tisch, während die Bank gleichzeitig selbst gezwungen war, auf Remote-Arbeit umzustellen. Also programmierte man innerhalb weniger Tage eine Webseite, um das Antragswesen zu digitalisieren. Jetzt können die Anträge online gestellt, bearbeitet und genehmigt werden, natürlich unter Einhaltung aller regulatorischen und Compliance-Vorgaben. Das hat die Bearbeitung immens beschleunigt. Denn Kredite werden grundsätzlich von zwei Kompetenzträgern unterzeichnet, was aus dem Homeoffice heraus nicht mehr reibungslos möglich war. Solche Lösungen machen die Arbeit nicht nur in der Krise, sondern auch langfristig effizienter.

Also hat die Krise die digitale Transformation beschleunigt?

Braunmüller: Manche sagen, dass Corona der bisher effektivste Change Agent für die digitale Transformation ist. Ich glaube, darin steckt viel Wahrheit. Gerade in Bezug auf Remote-Arbeit ist so mancher Glaubensgrundsatz innerhalb weniger Wochen weggebröckelt. Je mehr die Veränderungen zum Dauerzustand werden, desto weniger können sich Unternehmen der Digitalisierung und „New Work“ verschließen. Nicht zuletzt ist das auch ein Wettbewerbsfaktor bei der Rekrutierung junger Talente. Daher ist die richtige Strategie aus unserer Sicht, schnell eine eigene Position und Zielsetzung zur „New Work“ festzulegen und dann konsequent zu leben.