FTX stellt Antrag auf Gläubigerschutz – und jetzt?

17.02.2023

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Eine der größten Kryptobörsen des Kryptomarktes, FTX, hat am 11.11.2022 offiziell Gläubigerschutz beantragt. Sie reiht sich damit in ein für Kryptowährungen hartes Jahr 2022 ein, das von diversen Insolvenzen geprägt war. Nach aktuellsten Meldungen wurde eine Summe im mittleren Milliardenbereich an potenziellen Geldern aufgefunden, so dass sich Anleger berechtigte Hoffnung machen können, zumindest einen Teil ihres eingesetzten Kapitals wieder zu erhalten.

Rechtliche Einordnung

Zumeist geht es um die Frage, ob Anleger „ihre“ Kryptowerte im Fall der Insolvenz einer Börse herausverlangen können. Dies wird nachfolgend anhand von deutschem Recht betrachtet.

Was sind eigentlich Token/Coins?

Die bekanntesten Formen von Token sind Currency-, Utility- und Investment-Token, die dem Anleger verschiedene Rechte im Netzwerk oder gegenüber dem ausgebenden Unternehmen vermitteln. Currency-Token (auch Coins genannt) sind funktional als Ersatz zu den gesetzlichen Zahlungsmitteln zu verstehen und wären daher am ehesten unter diesen Token als „Währung“ zu klassifizieren. Letztlich fehlt es aber an der (gesetzlichen) Anerkennung als Zahlungsmittel, die insoweit konstitutiv für das Vorliegen einer Währung ist. Utility-Token sind eine Art „Gutschein“, die gegen Dienstleistungen o. ä. eingetauscht werden können. In Abgrenzung zu den Coins sind sie aber auf einen vorher definierten Bereich beschränkt, mithin nicht universell eintauschbar. Investment-Token (oder auch Security-/Asset-Token) kommen dem klassischen Verständnis von Aktien am nächsten und gewähren unter anderem ein Recht auf Erhalt von Zahlungen des ausgebenden Unternehmens und Stimmrechte im Netzwerk.

Insolvenzrechtliche Ansprüche von Anlegern in Kryptowährungen

Wenn die Anleger Eigentum an den Token erworben hätten, könnten Sie ihre Token herausverlangen (bzw. den Transfer auf eine andere Wallet), die Token wären dann nicht Gegenstand der Insolvenzmasse (sog. Aussonderungsrecht). Dies ist nach den allgemeinen zivil-rechtlichen Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu beurteilen. Dateneigentum ist dem deutschen Recht bisher fremd. Gesetzgeberische Änderungen stammen bisher vornehmlich aus dem Bereich des Aufsichtsrechts.

Die Anwendung der „klassischen“ Vorschriften auf die Token scheitert an deren fehlender Sacheigenschaft nach § 90 BGB. Ein Eigentumserwerb an den Token ist daher grundsätzlich noch nicht möglich. Eine Anwendung dieser Vorschriften, obwohl sie für den Sachverhalt nicht genau passen (analoge Anwendung), scheitert bislang am entgegenstehenden gesetzgeberischen Willen. Eine vorschnelle Annahme, Token unter die eigentumsrechtlichen Vorschriften zu fassen, verbietet sich nicht zuletzt auch deshalb, weil Token „an und für sich“ nicht existieren, sondern auf ein Netzwerk angewiesen sind, innerhalb dessen sie existieren und bestimmte Funktionen übernehmen. Um schuldrechtliche Ansprüche – etwa Schadensersatzansprüche – im Rahmen der Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren (beispiels-weise der Kryptobörse) anmelden zu können, müssten die Anleger Inhaber dieser Rechte, zumeist Inhaber der Token, sein.

Wie Token übertragen werden, ist in der Rechtswissenschaft nicht einheitlich geklärt. Es erscheint jedoch überzeugend, die tatsächliche Ausgestaltung der Token auch als Ausgangspunkt für deren rechtliche Beurteilung zu nehmen. Utility- und Investment-Token repräsentieren Rechte gegenüber einem ausgebenden Unternehmen, so dass diese „klassisch“ wie Forderungen übertragen werden (§§ 413, 398 ff. BGB). Currency-Token repräsentieren ein solches Recht nicht. Diese Vorschriften gelangen daher nicht zur Anwendung. Der Erwerbsakt gestaltet sich danach eigens durch das zweckgerichtete tatsächliche Handeln (Realakt), also hier durch die Übertragung an sich.

Entschädigungsanspruch nach AnlEntG, EinSiG

Ein Entschädigungsanspruch nach §§ 3 Abs.1, 4 Abs.1 S.1 Anlegerentschädigungsgesetz (AnlEntG) steht den Anlegern nicht zu, da Kryptowährungen hiervon nach § 1 Abs.2 AnlEntG ausgenommen sind. Einem Entschädigungsanspruch nach §§ 7 Abs., 5 Abs.1 Einlagensicherungsgesetz (EinSiG) steht entgegen, dass es sich bei den Kryptobörsen

zumeist um keine CRR-Kreditinstitute im Sinne des § 1 Ein-SiG handelt.

FTX: Anspruchsgegner und Handlungsmöglichkeiten

Da obige Ausführungen für deutsches Recht gelten, können sie nicht 1:1 auf den Fall FTX übertragen werden. Der Sachverhalt beurteilt sich nach bisheriger Würdigung im Wesentlichen nach US-amerikanischem Recht. Etwas anderes kann freilich für „Vermittler“ gelten, die in Deutschland nach Stellung des Gläubigerschutzantrags von FTX-Einzahlungen hierauf noch beworben haben. Durch solche Ereignisse werden die Rufe nach Regulierung immer lauter, in deren Rahmen auch diese Fragen zu klären sind. Es dürfte sich daher um eine Frage der Zeit handeln, bis der Gesetzgeber auch in diesem Bereich tätig wird.

Auch stellen sich die den einzelnen Paragrafen zugrundeliegenden Fragen auch in anderen Rechtsordnungen. Beispielsweise ist im Falle von FTX-Medienberichten zufolge bereits

eine Sammelklage eingereicht worden, mit der die Kläger ein der Aussonderung vergleichbares Recht geltend machen wollen. Ob ein Gericht urteilt, dass die Token der Kryptowährungen auch tatsächlich den Klägern eigentumsrechtlich zuzuordnen sind, bleibt ab-zuwarten. Auch könnte fraglich sein, ob eventuell eine Einlagensicherung in Amerika für Kryptowährungen greift. Sollte FTX, etwa über Tochtergesellschaften, auch im Rechtsraum der Europäischen Union tätig geworden sein und Anlegergelder akquiriert haben, könnten sich obige Fragen auch hier stellen und der Sachverhalt müsste möglicherweise auch nach europäischem Recht beziehungsweise dem Recht der jeweiligen Mitgliedstaaten beurteilt werden.

Praxistipp

Kryptowährungen machen zumeist nicht vor nationalen Grenzen Halt und weisen daher nicht nur einen Bezug zu einer einzigen Rechtsordnung auf. Ob und gegen wen Ansprüche der Anleger bestehen, bedarf häufig einer sorgfältigen rechtlichen Prüfung. Anleger sind zudem gut beraten auf nationale Kanzleien zurückzugreifen, die Kooperationen mit ausländischen Kanzleien unterhalten, um die Anspruchsdurchsetzung möglichst effektiv und erfolgsversprechend zu gestalten. Ob es sich für Anleger „lohnt“, die Ansprüche gerichtlich durchzusetzen, ist stets eine Frage der sorgfältigen Prüfung des Einzelfalls, die nicht nur die Schadenshöhe und anfallende Kosten in den Blick nimmt. Relevant ist zudem, wie gut ein Anspruchsgegner „fassbar“ ist und wie schnell mit Partnern im Ausland agiert werden kann.

Christoph Walker

Rechtsanwalt

TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH