FNG-Siegel ist der Qualitätsstandard
19.12.2021
Roland Kölsch - Foto: © QNG
finanzwelt: Wo sehen Sie, speziell bei den Anbietern entsprechender nachhaltiger Produkte, noch den größten Nachholbedarf? Kölsch: Es zeigt sich gerade im Vergleich mit angelsächsischen und skandinavischen Häusern, dass die schlummernde Macht der Aktionärsrechte mittels Dialogverfahren wie Engagement und Stimmrechtsausübung stärker geweckt werden kann. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass vermehrt Wissenschaftler einen wichtigen Wirkungskanal hierin sehen. Auch, aber das gilt für die gesamte Branche, wird der Nachweis von Wirkung und die Konzentration auf sogenannten Transformationsbeiträge der zukunftsträchtige Weg sein. Hier hat die EU zum Glück erkannt, dass sie bei der Realwirtschaft ansetzen muss, um endlich mittels eines einheitlichen Berichterstattungswesen die originären Daten für dieses wegweisende Unterfangen hervorzubringen. Eine gerade für den Privatanleger-Markt entscheidende Herausforderung wird es sein, aufgeklärt eine vernünftige Erwartungshaltung nachhaltiger Geldanlagen zu schaffen, die richtigen Botschaften in der Kommunikation zu finden, um vielleicht in diesem Zusammenhang auch wieder zu des Schusters Leisten – nämlich den wahren Kern solider Beratung - zurückzufinden
finanzwelt: Ab August 2022 steht eine Beratungsverpflichtung bezüglich Nachhaltigkeit in der Geldanlage an. Was bedeutet das für Berater aber auch Anleger? Kölsch: Die Gretchenfrage wird ja sein, was sich der Anlegende unter einer nachhaltigen Geldanlage vorstellt und wie diese und der Berater gut gemachte nachhaltige Geldanlagen finden. Nun hat jeder von uns sehr eigene Vorstellungen von Nachhaltigkeit und ein Berater hat ja auch noch Dinge wie Rendite, Risiko und Liquidität im Blick zu behalten. Und bei rund 3.000 Investmentfonds auf dem Markt, die sich rein nach regulatorischen Offenlegungspflichten als nachhaltig deklarieren ist es alles andere als leicht, die passenden Produkte herauszufinden. Hier sind Orientierungshilfen wie das FNG-Siegel als guter erster Filter sehr hilfreich, das Angebots-Wirrwarr zu durchleuchten. Auch sollte sich der Berater bei dem alles andere als trivialen Thema vor Augen führen, dass anfänglich evtl. mehr investierte Zeit, sich langfristig wiederum durch eine besser aufgeklärte, treuere Kundschaft mit vernünftiger Erwartungshaltung an ihr nachhaltiges Investment bezahlt macht. Und hier ist Weiterbildung als Voraussetzung für eine gutes, vielleicht auch mal eine halbe Stunde länger dauerndes Beratungsgespräch angesagt.
finanzwelt: Wie bewerten Sie generell die politischen regulatorischen Schritte in Sachen ESG/Green Washing etc.? Kölsch: Das wird sich erst noch zeigen müssen. Gerade die grüne Taxonomie hilft ja, anhand sechs konkreter Umweltziele, die in viele einzelne ökologische Wirtschaftsaktivitäten runtergebrochen sind, ein Referenzwerk nutzen zu können, um insbesondere zukunftsweisende Investitionen einordnen zu können (Stichwort Umlenkung von Kapitalströmen u.a. in Form von CapEx und OpEx). Und mit der Offenlegungsverordnung wird Transparenz geschaffen. Hier müssen die einzelnen Räder aber noch besser ineinandergreifen und vermutlich müssen auch Mindestanforderungen formuliert werden. Die ersten Schritte zeigen also Wege auf. Ob diese dann weiter beschritten werden und zum gewünschten Ziel führen, wird die Akzeptanz und inhaltliche Umsetzung des Ganzen zeigen. Ich sage das deshalb so vage, da die EU uns Marktakteure aktuell ja selbst fahrlässig im Regen stehen lässt, da viele eingeforderte Hilfestellungen und Konkretisierungen sehnlichst von den Marktteilnehmern erwartet werden. Und auch, weil sich erste nationale Alleingänge abzeichnen, die der europäischen Sache nicht förderlich sind. Das hat die EU sich allerdings teils auch selbst zuzuschreiben, da einige Mitgliedsländer eben für sich erstmal Klarheit schaffen wollen.
finanzwelt: Sie sind Geschäftsführer der Qualitätssicherungsgesellschaft Nachhaltiger Geldanlagen (QNG). Wie kamen Sie mit dem vielschichtigen Thema der „Nachhaltigkeit“ in Berührung? Was macht die QNG? Kölsch: Nach vielen Jahren bei der Deutschen Bank, die mich sehr gut ausbildete und mir ein vollwertiges Studium inkl. Auslandsaufenthalt parallel zu meinem Job als Portfoliomanager ermöglichte, war ich an einem Punkt, an dem ich mit der Branche haderte. Nach einer längeren Auszeit wollte ich aber meine Kompetenzen im Finanzbereich weiter nutzen, nur eben für einen anderen Zweck und kam so bereits 2005 zu der etwas anderen Art des Investierens bei einem der wirklichen Pioniere nachhaltiger Geldanlagen in Brüssel. Dort hatte ich quasi erneute fünf Lehrjahre, indem ich mich mit einem Dutzend Analystinnen und Analysten über Stakeholdermodelle, extra-finanzielle Berichterstattung und Key Sustainability Challenges (so nannten wir das damals lange bevor die Sustainable Development Goals verabschiedet wurden) austauschte und anfänglich auch oft stritt. Nach einer weiteren fünfjährigen Station in der Schweiz, wo ich sowohl die Vertriebsseite eines Vermögensverwalters sowie die Leitung des kleinen Asset Managements der dort führenden Nachhaltigkeitsbank kennenlernte, suchte die heutige QNG jemanden, der speziell das bereits zwischen 2012 und 2015 entwickelte und bereits am Markt lancierte Gütezeichen mit Sachverstand, Energie und Brückenbauer zur Prüf- und Bewertungsarbeit voranbringen sollte. Neben dieser Hauptaufgabe trägt die QNG als Tochter des Fachverbands Forum Nachhaltige Geldanlagen e.V. über die Zertifizierung von Finanzprodukten, Gutachten und weiteren Dienstleistungen zur Qualitätssicherung nachhaltiger Investments bei.
finanzwelt: Wo wird der Markt für nachhaltige Geldanlagen nach Ihrer Meinung in 3-5 Jahren stehen? Kölsch: Der Markt wird ein sogenanntes New Normal gefunden haben, wo die Integration von ESG zum Standardgeschäft gehört. Das Auseinandersetzen mit solchen Themen wird ein Hygienefaktor, ohne den ein Asset Manager kaum noch am Markt wird überleben können. Bis es soweit ist, wird es aber vermehrt Vorwürfe von Greenwashing geben und auch tatsächliche Mogelpackungen entlarvt werden. Die aktuelle, viel diskutierte und von einem Extrem zum anderen schwingende Polarität bzgl. Greenwashing und Greenbashing wird einem aufgeklärteren Niveau differenzierter Wege zu mehr Nachhaltigkeit weichen, weil auch die Masse erkennen wird, dass wir es mit vielerlei, gegenseitig zusammenhängenden Herausforderungen zu tun haben, für die es mehrere Lösungen braucht. Es wird verschiedene Wege zu mehr Nachhaltigkeit geben, um die von uns allen zu bewältigende große Transformation möglich zu machen. Vor allem aber wird das sogenannte Impact-Investing mit konkreten Transformationsbeiträgen und verbindlichen Adressierungen der 17 SDGs in den Vordergrund rücken. Das wird aber eher 5 als 3 Jahre dauern. (ah)