FNG-Marktbericht 2024: Soziale Themen im Fokus
13.06.2024
FNG-Vorstandsvorsitzender Marian Klemm. Foto: FNG
Biodiversität gewinnt in der Finanzbranche zunehmend an Bedeutung. Das ist ein zentrales Ergebnis aus dem diesjährigen Marktbericht, den das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG) am 13. Juni veröffentlicht hat. Die Erhebung umfasst für Deutschland ein Volumen Nachhaltiger Geldanlagen von 542,6 Mrd. Euro und 89,2 Mrd. Euro für Österreich. Der alljährlich erscheinende Marktbericht analysiert seit 2005 umfassend die Trends nachhaltigkeitsbezogener Investitionen in Deutschland und Österreich.
Erstmalig wurde in diesem Jahr die Berücksichtigung von Biodiversität erfasst. Dabei zeigte sich, dass ein Drittel der befragten Finanzunternehmen derzeit Biodiversitätsrisiken in ihre Investmentprozesse integriert. Zahlreiche Studien, unter anderem der OECD warnen, dass sich der Rückgang von Biodiversität und der damit verbundenen Ökosystemleistungen negativ auf die Wertentwicklung von Finanzprodukten auswirken kann. Unter Biodiversität wird nicht nur die Vielfalt von Arten und Genen, sondern auch die Vielfalt von Ökosystemen verstanden.
16 Prozent der Befragten haben bisher erste Risikoanalysen durchgeführt, 13 Prozent haben für sie relevante Risikotreiber identifiziert. Dabei ist die Anwendung von Daten-Tools entscheidend für eine adäquate Biodiversitätsanalyse des Portfolios und wurde bereits von 43 Prozent der Befragten getestet. Des Weiteren haben 31 Prozent der Teilnehmenden Richtlinien implementiert, um negative Auswirkungen ihrer Investitionen auf die Biodiversität zu minimieren.
FNG-Geschäftsführerin Verena Menne kommentiert: „Es ist erfreulich, dass rund ein Drittel der Befragten Biodiversität im Investmentprozess berücksichtigt. Es ist aber auch klar, dass das nicht ausreicht. Die gesamte Branche muss sich mit den Auswirkungen des drohenden Biodiversitätsverlusts auseinandersetzen. Als FNG setzen wir uns dafür ein, dies in der gesamten Finanzbranche auf die Agenda zu setzen.“
Auch soziale Themen rücken vermehrt in den Fokus bei Finanzunternehmen. Bisher wird vor allem in der EU-Regulierungvorrangig das „E“ in ESG adressiert. Der diesjährige Marktbericht zeigt, dass Finanzmarktteilnehmende sich zum Teil bereits mit Sozialthemen auseinandergesetzt haben. Sie geben an, bei der nachhaltigen Kreditvergabe soziale Schwerpunkte zu setzen, wobei 54 Prozent der Befragten die Datenlage im Bereich Soziales als unzureichend bis völlig unzureichend empfinden. Dies spricht für die Entwicklung eines Social Investment Frameworks.
Sorgen vor Rechtsruck und Anti-ESG-Bewegungen
Eine Vielzahl der Befragten gab in der aktuellen Umfrage mit Blick auf die Entwicklung Nachhaltiger Geldanlagen auch politische Sorgen an. Eine der Hauptsorgen der Befragten sind ein möglicher Rechtsruck und Anti-ESG-Bewegungen, die eine Abkehr von nachhaltigen Geldanlagen zur Folge haben könnten. Die im Frühjahr befragten Teilnehmenden der Erhebung äußerten die Sorge, dass die Wahlen in der EU im Juni und den USA im November in diesem Jahr die politischen Mehrheiten zugunsten rechter Parteien verschieben könnten. Vor allem sind es diese Parteien, die sich als politische Anti-ESG-Bewegungen verstehen und den menschengemachten Klimawandel verleugnen.
FNG-Vorstandsvorsitzender Marian Klemm erklärt: „Diese politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen stellen eine Herausforderung für die nachhaltige Investmentbranche dar. Dem gilt es einen aufklärenden, auf Augenhöhe angesiedelten Diskurs entgegenzusetzen, um wissenschaftliche Fakten angemessen zu vermitteln und populistischen Bewegungen sowie Desinformationskampagnen den Wind aus den Segeln zu nehmen.“
Wachstumsprognose für nachhaltige Geldanlagen
Trotz regulatorischer und politisch-gesellschaftlicher Unsicherheit blicken die Befragten positiv auf das Jahr 2024: 82 Prozent der Befragten erwarten ein Wachstum nachhaltiger Geldanlagen für das Jahr 2024. Diese positive Prognose verdeutlicht das anhaltende Vertrauen in die Bedeutung und Rentabilität nachhaltiger Investments.
„Wir sehen in den Ergebnissen der Umfrage einen klaren Auftrag: Wir werden uns weiterhin dafür einsetzen, die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien zu fördern und die Branche auf ihrem Weg in eine nachhaltige Zukunft zu unterstützen“, erklärt Verena Menne.
Weitere Trends: Ausschluss von Rüstungsunternehmen und ein Fokus auf Europa
Ein weiteres Ergebnis des diesjährigen FNG-Marktberichts: Rüstungsunternehmen stehen auf der Liste der Ausschlusskriterien an vorderster Stelle, gefolgt von Verstößen gegen Menschen- und Arbeitsrechte sowie fossiler Energie. Damit hat sich ein Wandel in den letzten Jahren vollzogen: vor fünf Jahren lag der Fokus bei den Ausschlusskriterien noch auf Governance-Aspekten. Der Ausschluss von fossilen Energien rangierte im vergangenen Jahr noch auf Platz 9.
Es zeigt sich zudem in der Erhebung, dass deutsche Investor:innen einen starken Fokus auf eine europäische Titelauswahl legen. Mehr als zwei Drittel (72 Prozent) machten europäische Assets in den Finanzprodukten bei den Befragten in Deutschland im Jahr 2023 aus. Dies spiegelt die geographischen Präferenzen, das Vertrauen in die europäischen Märkte, aber auch die eventuell noch unzureichende Datenabdeckung in den Emerging Markets wider.
Neue Methodik zum ersten Mal ergänzend angewendet
Außerdem wurde dieses Jahr zum ersten Mal die neue Eurosif-Methodik, die der europäische Dachverband gemeinsam mit Prof. Dr. Timo Busch (Universität Hamburg) entwickelt hat, für nachhaltigkeitsbezogene Investitionen angewendet. Die vier neuen Kategorien wurden zusätzlich zu den gewohnten Daten erhoben und erfassen verschiedene Ambitionsniveaus bei nachhaltigen Geldanlagen. Die Anwendung der Eurosif-Methodik bestätigt, dass die Einordnung nach der EU-Offenlegungsverordnung noch keine Aussage über den Nachhaltigkeitsanspruch der Produkte trifft: In drei der vier Ambitionskategorien, von niedrig bis hoch, dominieren Artikel-8-Fonds. Die Eurosif-Methodik ergänzt den Marktbericht damit um eine weitere Perspektive auf nachhaltige Geldanlagen. (fw)