Finanzbranche wird vom digitalen Nachzügler zum Trendsetter

28.10.2019

Conor O’Driscoll, Vice President of OTC Platform bei Devexperts / Foto: © Devexperts

Vereinfachte Prozesse mit Blockchain und Smart Contracts

Von HODL zu BUIDL: Wer mit dem Kryptoversum vertraut ist, kennt seine plakativen Anagramme und Hashtags mit verdrehten Buchstaben. Es gibt sogar eine Blockchain-Konferenz mit dem Namen BUIDL. „build“, also „entwickeln“, stand als Pate für diese Konferenz und ist somit ein deutliches Indiz für die Abkehr von der HODL-Mentalität („HODL“ = hold) des Kryptowährungsmarkts. Bisher hielten Trader eher aus Loyalität an ihren Coins fest und nicht, weil sie an die Technologie glaubten. Mittlerweile richten sie ihre Aufmerksamkeit auf die Software, die hinter ihren Projekten steht. Statt sich zu fragen „Welche Coins passen zu meiner Philosophie?“, gehen sie rationaler an die Sache heran und wollen wissen „Was funktioniert?“

Im Bereich Softwareentwicklung zeigt dieser Wandel, dass sich der Schwerpunkt auf die Blockchain-Skalierbarkeit verlagert hat. Inzwischen sind Unternehmen weltweit dabei, ein größeres Terrain für die Technologie zu erschließen: Smart Contracts. Das sind Computerprotokolle, die Verträge in Code abbilden und automatisch ausführen. Bei einem Hausverkauf beispielsweise könnte ein Smart Contract die Rolle des Notars übernehmen. Da sie nach dem „Wenn-Dann“-Prinzip funktionieren, geht das Eigentumsrecht erst dann an den Käufer über, wenn der Verkäufer den vereinbarten Geldbetrag erhält. Da sämtliche Informationen der Transaktion im System gespeichert sind und konstant überwacht und verifiziert werden, vereinfachen sich mühsame Prozesse und die Kommunikation mit verschiedenen Instanzen entfällt. Gleichzeitig werden Risiken minimiert und Vertrauen zwischen Käufer und Verkäufer aufgebaut.

Zurück zum Finanzbereich: Smart Contracts könnten Derivate oder Anleihen abbilden. Gewinne oder automatisierte Zinszahlungen würden automatisch ausgezahlt werden.

Optimierte Nutzererkennung durch künstliche Intelligenz

Das Spektrum der Technologien, die mit künstlicher Intelligenz (KI) in Zusammenhang gebracht werden, wird immer größer. Viele Banken und Finanzdienstleister nutzen sie bereits. Besonders Techniken wie Machine Learning, neurolinguistische Programmierung oder Deep Learning können die Auswertung von Finanzdaten revolutionieren. Inzwischen füttern Banken ihre Scoring-Modelle mit Informationen aus sozialen Netzwerken, erfolgten Zahlungen, aus der Suchhistorie und anderen Daten zum Kundenverhalten und erhalten durch KI-Analysen treffende Ergebnisse. So haben es Finanzinstitute leichter, personalisierte Angebote, gezielte Cross-Sales-Aktionen und einen verbesserten Kundenservice anzubieten.

Zudem werden Finanzanbieter künftig KI für die Legitimationsprüfung von Neukunden nutzen. Während die Identifizierung und Authentifizierung von Benutzern in den letzten 50 Jahren hauptsächlich auf der Kombination von Benutzername und Kennwort basierte, verlagert sich die Fragestellung nun von „Erkennen wir Benutzername und Passwort?“ zu „Erkennen wir den Nutzer?“ Dazu werden Techniken mit künstlicher Intelligenz genutzt, die lernen, wie seriöse Benutzer mit Apps und Diensten interagieren. Cybersecurity-Spezialisten hilft dies, betrügerische Muster zu erkennen, beispielsweise beim Wertpapierhandel: Zunächst wird anhand bestimmter Kriterien ein breites Spektrum an Orders identifiziert, die unlautere Handelspraktiken beinhalten könnten. Diese Aufgabe übernehmen Rechner. Anschließend führt das Überwachungspersonal – in diesem Fall Menschen – Untersuchungen durch, mit denen die Trading-Bedingungen, unter denen diese Orders erfolgt sind, analysiert werden. Erkennt die Maschine ein verdächtiges Muster, greift der Mensch ein und forscht nach.

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