Falschberatung des Anscheinsmaklers bei Vermittlung einer Grundfähigkeitsversicherung

08.05.2024

Rechtsanwalt Jens Reichow. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Falschberatung des Anscheinsmaklers?

Die Pflichten eines Anscheinsmaklers würden den Pflichten eines vom Versicherungsnehmer beauftragen Versicherungsmaklers entsprechen (siehe auch: Haftung des Pseudomaklers für nicht zustande gebrachten Versicherungsschutz (OLG Dresden)). Wegen der weitgehenden Pflichten eines Versicherungsmaklers könne dieser auch als treuhändischer Sachverwalter des Versicherungsnehmers bezeichnet werden (siehe auch: Versicherungsmakler ist treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers).

Bei Berufsunfähigkeits- und Lebensversicherungen handle es sich um besonders beratungsintensive Versicherungen. Daher müsse der Anscheinsmakler den Versicherungsnehmer regelmäßig auf die Folgen und Risiken einer vorzeitigen Kündigung hinweisen. Die Beratungspflicht umfasse dabei auch den Abschluss eines neuen Vertrages.

Infolge dieser Pflichten hätte der Anscheinsmakler sich auch die bestehenden Verträge des Versicherungsnehmers anschauen müssen. Dabei hätte er die in den Verträgen enthaltenen Sondervereinbarungen vergleichen müssen. Im Zuge dessen hätte er erkennen können, dass in der kürzlich abgeschlossenen Grundfähigkeitsversicherung ein Ausschluss bestimmter Risiken im Bereich der Atemwegserkrankungen vereinbart wurde, nachdem der Versicherungsnehmer dem Versicherer eine Atemwegserkrankung angezeigt hatte. Die ältere Berufsunfähigkeitsversicherung, die nachfolgend gekündigt wurde, hatte einen solchen Risikoausschluss nicht enthalten. Der Anscheinsmakler hätte den Versicherungsnehmer im Zuge dessen auf den Nachteil einer Kündigung der Berufsunfähigkeitsversicherung hinweisen müssen.

Umkehr der Beweislast

Das Oberlandesgericht Dresden führte fort, dass auch eine Umkehr der Beweislast erfolgen müsse. Dies sei anzunehmen, da der Anscheinsmakler das Dokumentationserfordernis nicht eingehalten habe. Infolgedessen liege die Beweislast für die Falschberatung des Anscheinsmaklers nicht mehr beim Versicherungsnehmer, sondern beim Anscheinsmakler (siehe auch: Haftung und Beweislast für Beratungsfehler bei Vermittlung einer Versicherung). Im vorliegenden Fall konnte der Anscheinsmakler einen entsprechenden Gegenbeweis bezüglich der vorgeworfenen Falschberatung indes nicht erbringen.

Fazit zum Urteil des OLG Dresden

Das Urteil des OLG zeigt, dass von einer umfassenden Beratungspflicht des Anscheinsmaklers ausgegangen werden kann. Diese gilt gerade bei der Umdeckung von Versicherungsverträgen. Immer wieder tauchen in der Praxis Fälle auf, in denen der Versicherungsvermittler den Versicherungsnehmer nicht hinreichend auf die Nachteile einer Kündigung des bestehenden Versicherungsschutzes hingewiesen hat (siehe auch Falschberatung bei Umdeckung einer Lebensversicherung (OLG Hamm) oder Falschberatung bei Umdeckung einer Dienstunfähigkeitsversicherung (LG Erfurt)). Gerade der Wechsel von einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu einer Grundfähigkeitsversicherung ist dabei für Versicherungsvermittler haftungsanfällig. Auch Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte betreuten hierzu bereits entsprechende Verfahren (siehe hierzu Grundfähigkeitsversicherung: LG Bamberg verurteilt Versicherungsmakler zum Schadensersatz).

Gastbeitrag von Jens Reichow, Rechtsanwalt und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow.