EU kontert "America first" mit neuer Schuldenpolitik

12.03.2018

Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen AG / Foto: © Bayerische Vermögen AG

Wie weit eskaliert der Streit um die von US-Präsident Trump angekündigten Strafzölle? Und wie wirkt sich der Zwist auf die europäische Wirtschaft aus? Es scheint, dass die EU mit einem Ende der Anti-Schuldenpolitik auf den Gegenwind aus den USA reagiert. Mehr Investitionen in Wachstum und Beschäftigung bei gleichzeitiger Niedrigzinspolitik der EZB würden die Konjunktur anfeuern. Für Anleger gibt es damit auch weiterhin keine wirkliche Alternative zu den Aktienmärkten.

Ja, so kann man Wirtschaftspolitik betreiben: Die Regierung Trump baut staatliche Regulierungen ab und begünstigt mit ihrer Steuerreform Leistungsträger und Firmen. Das fördert den weltweiten Wettbewerb um Direktinvestitionen global agierender Konzerne. Allerdings sind Strafzölle ein Rückschritt, selbst wenn diese sich auf den Stahl- und Aluminiummarkt beschränken sollten.

Vielleicht ist Europa und insbesondere Deutschland durch eine zurückhaltende Lohnpolitik in den vergangenen Jahren besonders wettbewerbsfähig geworden. Vielleicht ist das aber auch unter dem Schutz des unterbewerteten Euros passiert? Tatsächlich waren Güter aus Deutschland in den USA zu billig. Unsere Währung hat sich nun vom Tief um 15 Prozent erholt, der Preisvorteil reduziert sich also zunehmend. Dennoch werden die Strafzölle kommen, der Handelsstreit womöglich noch eskalieren und weitere europäische Industriebranchen betreffen.

Euro-Staaten werden ausgabefreudiger

In dieser Situation trifft es sich vielleicht gut, dass die Staaten der Eurozone von der Anti-Schuldenpolitik der vergangenen Jahre abrücken. Das könnte die passende Antwort auf Trumps "America first" sein. Italien wird nach den Wahlen voraussichtlich weniger reformorientiert und stärker ausgabefreudig werden. Deutschland ohne Schäuble und Frankreich werden wenig dagegen haben. Eine unveränderte Haltung der Notenbank, die immer noch den Zins massiv manipuliert, um Staaten und Wirtschaft zu helfen, flankiert die Entwicklung.

Befürworter von mehr Schulden zeigen nach Japan: Banken, Versicherungen, Staaten und Notenbanken kaufen dort Staatsschulden und halten damit den Zins in Japan am Boden. Seit Jahrzehnten versucht Japan die Re-Inflationierung - es gelingt nicht. Hohe Schulden sollten zur Geldentwertung führen, doch genau das ist in Japan bisher nicht passiert.

Während der ersten zehn Jahre nach Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise versuchte man mit Nullzins und einer Anti-Schuldenpolitik Stabilität in den Euroraum zu bekommen. Die Länder haben so Zeit bekommen sich zu reformieren. Das hat bisher nur in einigen Staaten funktioniert. Ich erwarte, dass in den kommenden zehn Jahren mit anderen Mitteln versucht wird, dem gesamten Euroraum zu neuer Stärke zu verhelfen.

Zinsen steigen nur mäßig

Der Zinsvorteil von deutschen Staatspapieren wird durch Gemeinschaftsanleihen oder einem gemeinschaftlichen Schuldentopf abgeschafft. Alle dürfen aus dem gleichen Zinstopf entnehmen. Die Gelder müssen zweckgebunden für mehr Wachstum- und Beschäftigung eingesetzt werden. Das neue Jahrzehnt steht im Zeichen der Anpassung des Zinsniveaus von Nullzins auf Niedrigzinsen. Dazu werden wir, so meine Prognose, eine zentralistische Schuldenpolitik in der Eurozone und eine steigende Akzeptanz von Schulden bekommen.

Ob das gut ist oder nicht - für die Wirtschaft ist es zumindest kurzfristig ein Vorteil. Es bleibt dabei, dass die Märkte noch einige Zeit zwei Schritte vor und einen Schritt zurück gehen werden und nicht umgekehrt. Der Anlagenotstand ist noch nicht zu Ende.

Kolumne von von Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen AG, München