Es gibt kein risikoloses Risiko
06.09.2021
Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.
Die Presse berichtet zwar immer wieder über neue Hochs bei den Indizes, aber DAX oder Dow kommen seit Sommer unter dem Strich nicht mehr weiter. Die asiatischen Aktien sind sogar gefallen. Besonders bei chinesischen Werten konnte der Rückgang schon mal wehtun. Wer nicht engagiert ist, hat also wenig versäumt.
Die Buy-the-dip-Strategie war aber auch im Sommer meistens erfolgreich. Man musste „nur“ die richtigen Aktien erwischen. Die Marktmeinung lautet: Die Kurserholungen seit März letzten Jahres könnten weiter gehen. Aktien sind derzeit vor dem Hintergrund Null Zins ja alternativlos. Für 2022 liegen die Ertrags-Erwartungen im zweistelligen Bereich. Die Zinsen bleiben auf längere Zeit niedrig. Allen „Drohungen“ der Notenbanken zum Trotz dürften Zinserhöhungen und Reduzierungen der Anleihekäufe nur in homöopathischen Größenordnungen erfolgen. Die Gefahr ist hierbei, dass es fast alle Marktteilnehmer so sehen.
Auch fundamental gibt es Flecken auf der weißen Weste. Hier haben sich der ifo-Geschäftsklimaindex und die Geschäftserwartungen eingetrübt. Beide Indizes sind wieder unter die 100 gefallen. Das wird meist im Zusammenhang mit der saisonal schwächeren Wirtschaftsphase gesehen. Wenn sich die Rückgänge nicht ausbauen, ist die kleine Schwäche auch noch kein Beinbruch. Ebenso die Lieferengpässe werden als Argument für die Wachstumsdelle genannt.
Jetzt zeigen sich auch in den USA erste Schwächesignale. So wurde vergangene Woche ein Rückgang der Auftragseingänge gemeldet. Da die „Aufholjagd“ der Wirtschaft schon weiterer fortgeschritten ist als in Europa, auch kein Wunder. Technisch beginnt aber gleichzeitig die Marktbreite zu bröckeln. Die Advance-Deline-Linie läuft nur noch seitwärts. Dies war in der Vergangenheit oft ein Warnsignal. Nicht ganz bedenkenlos sind die explosionsartig gestiegenen Übernacht-Reverse-Repro-Geschäfte der FED mit Banken und Fonds.
In China sind die politischen Eingriffe in das Wirtschaftsleben schwer kalkulierbar. Weitere Versuche könnten den Aufschwung negativ beeinflussen. Nun gibt es schon erste Stimmen, die von einer bewussten Unterbrechung der Lieferketten für westliche Firmen sprechen. Sollten die Politiker Sanktionen aussprechen, dürfte dies die Handelsströme weiter einschränken.
Wenn dann aber die beiden größten Wirtschaftsmächte, die gleichzeitig mit unsere größten Wirtschaftspartner sind, schwächeln, ist die Gefahr groß, dass die Wirtschaftsprognosen für Deutschland und auch für Europa zur Revision gezwungen werden. Auch scheint sich niemand Sorgen zu machen über die steigenden Corona-Zahlen. Ebenso „ruhig“ sehen die Anleger offenbar die Entwicklung in Afghanistan. Sollten die Börsenkurse etwas zurückkommen, wird man dies auf die ohnehin schwächeren Monate September und Oktober schieben. Eventuell ist derzeit das größte Risiko, dass die Mehrheit der Börsianer kein Risiko sieht. Die Notenbanken werden es schon richten. Dies soll keine Crash-Warnung sein, aber man muss den heutigen Kursen auch nicht nachlaufen.
Wer nicht so locker über diese Punkte hinwegsieht, sich über Kapitalabsicherungen Gedanken macht, sollte sich mit einem bis zu 20 prozentigen Engagement in Edelmetalle beschäftigen. Kräftig steigenden Geldmengen und Staatsschulden, steigende Minus-Realzinsen bei steigenden Lebenshaltungskosten sind ein explosives Gemisch. Und schließlich müssen sich die Märkte erstmals seit 13 Jahren mit dem Problem Inflation auseinandersetzen, und das im Wissen, dass den Notenbanken für eine effektive Zinswende die Hände gebunden sind. Das derzeitige Szenario ist ein ideales Umfeld für steigende Edelmetallpreise. Technisch gesehen wäre ein Überspringen des Goldpreises bei 1.920 US-Dollar ein Kaufsignal in Richtung 2.400 Dollar. Es sollten aber die 1.670 Dollar nicht mehr nachhaltig unterschritten werden.
Kolumne von Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH
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