Es gibt immer zwei Möglichkeiten

05.01.2022

Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.

Nun kommen in Phase 4 auch zahlreiche unerfahrene, meist junge Kleinanleger (oft spekulativ) oder entnervte Sparer (keine Zinsen), meist durch Bankberatungen, über deren eigene Fonds oder ETFs an die Märkte (Dienstmädchen-Hausse). Da die Kurse weiter steigen, werden sie mutig und erhöhen bei jedem Rücksetzer ihren Kapitaleinsatz. Gleichzeitig verkaufen Insider und Firmenbosse eigene Aktien (Gewinnmitnahmen), so dass irgendwann die vorherigen Höchstkurse nicht mehr erreicht werden.

Dann dreht die Stimmung. Phase 5 beginnt. Oft geht es schlagartig mit einer einzigen Meldung. Die „buy-the dip-Strategie“ greift nicht mehr, die Kurse fallen weiter. Teilnehmer, die auf Kredit gekauft haben werden mit „Margin Calls“ zu Verkäufen gezwungen, die Kurse fallen weiter. Jetzt verkaufen auch andere Teilnehmer wie „Trendfolger“, es gibt weitere Margin-Calls. Angeleger bekommen Angst und verkaufen auf schon deutlich niedrigerem Niveau. Die „Todesspirale“ nimmt seinen Lauf.

Augen auf!

Es bleibt nun jedem Anleger selbst überlassen, sich eine Meinung darüber zu bilden, in welcher Phase sich unser Aktienmarkt befinden könnte. Etliche Darstellungen aus drei und vier kommen mir allerdings recht aktuell vor. Es gibt ernst zu nehmende Hinweise, dass wir uns wahrscheinlich schon eher in Phase vier befinden. So hat sich der S&P500 seit seinem Tief im Februar 2020 schon wieder verdoppelt, seit dem Tief der Finanzkrise in 2009 versiebenfacht. In 2021 sollen laut Daten der Bank of America Anleger etwa 900 Mrd. Dollar in Aktienfonds investiert haben. Mehr, als zusammengerechnet in etlichen Jahren davor. Auch bei uns kommen die Online-Banken mit den Konto-Neueröffnungen kaum noch nach.

Aber nicht nur Anleger kaufen wie wild. Auch spekulativ eingestellte Investoren überschwemmen den Markt. So hat zum Beispiel in den USA die Summe der auf Kredit gekauften Aktien ein neues Hoch erklommen. Über Private-Equity-Unternehmen kaufen Rendite hungrige Spekulanten Schrottanleihen und hochriskante Wetten. Die Summe lag 2021 fast doppelt so hoch wie im Rekordjahr 2015. Auch die Übernahmen boomen. Diese werden mit Eigenkapital sowie mit Krediten, und in einem nicht unbeträchtlichen Ausmaß mit gehebelten Kreditinstrumenten (Leveraged Buyout) finanziert. Diese Leveraged Loans erreichten einen Rekordwert von fast 600 Mrd. Dollar. Wohlgemerkt: Dabei handelt es sich um Kredite von Gesellschaften, deren Rating im bedenklichen Bereich liegen und deren Finanzierung daher für Banken zu riskant ist. Da die Edelmetallpreise nicht steigen, werden die Gefahren nicht als solche wahrgenommen.

Im Dezember berichtete das Wall Street Journal, dass US-Firmenbosse in 2021 massiv eigene Aktien abgestoßen haben, und zwar laut eines Marktforschungsunternehmens viermal so viel, wie im Durchschnitt der letzten Jahre. Während die Verkäufe von Elon Musk (Tesla) durch die Presse ging, hörte man von den anderen 49 Top-Manager recht wenig. Das alles klingt sehr stark nach „Phase 4“.

Rettungsstrategien?

Der Anleger hat jetzt wieder zwei Möglichkeiten. Er spielt mit den großen „Players“ mit und glaubt rechtzeitig abspringen zu können. Dies ist eine nervenaufreibende Strategie, die mit höheren Renditen belohnt werden kann. Wenn der rechtzeitige Ausstieg gelingt. Die meisten Anleger versäumen aber erfahrungsgemäß diesen Zeitpunkt, weil sie den Beginn des Abwärtstrends (wie in den vergangenen Monaten gewohnt) nur als Korrektur im Aufwärtstrend ansehen. Zweite Möglichkeit: Man ändert die Strategie, setzt Kapitalerhaltung an die erste Stelle des Anspruchs und diversifiziert jetzt in aller Ruhe in Liquidität, Standardwerte, teils mit Dividendenkontinuität und Edelmetallen. Denn, egal was die Notenbanken tun oder nicht, aber selbst dann, wenn der Anleger mit seiner Prognose dazu richtig liegt, weiß er noch lange nicht, was die Börse daraus macht. Auch hier gibt es immer zwei Möglichkeiten.

Kolumne von Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH

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