Es geht immer noch niedriger
29.01.2015
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Vor gut einem Jahr waren sich Investoren noch sicher, dass sich die Wirtschaft in der Eurozone positiv entwickeln und die Renditen für Staatsanleihen steigen würden. Doch die gegenteilige Entwicklung ist eingetreten.
Die Konjunktur schwächelt, die Renditen für Staatsanleihen fallen. Mittlerweile geht man davon aus, dass die EZB mit Käufen von Staatsanleihen in einem breiten Umfang beginnen wird. Für Anlagen in Anleihen keine einfache Zeit.
Wir leben in einer Welt der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Während die US-Wirtschaft nach Einschätzung der Deutschen Bank in diesem Jahr noch stärker zulegen könnte als schon 2014, ist für die Eurozone nur noch mit einem Miniwachstum zu rechnen. Auch hierzulande deuten wichtige Stimmungsindikatoren insgesamt auf ein schwächeres Jahr hin. Das findet seinen Niederschlag in der Geldpolitik. Während die US-Notenbank möglicherweise mittelfristig die Leitzinsen anheben dürfte, werden in der Eurozone weitere Maßnahmen zur Ausweitung der Geldpolitik eingeleitet. Zinsanhebungen sind daher für den Euroraum weitgehend ausgeschlossen. Insgesamt gilt, dass die Zinsen für Staatsanleihen guter Bonität im historischen Vergleich nach wie vor sehr niedrig bleiben werden. Auf der Suche nach interessanten Renditen am Anleihenmarkt müssen Berater künftig verstärkt Gelegenheiten erkennen und eine entsprechende Risikobereitschaft mitbringen. Die Herausforderungen werden zunehmen. Zum einen gilt es, schnell auf mögliche geopolitische Entwicklungen sowie etwaige Zinsänderungen reagieren zu können. Zum anderen weltweit die für das Portfolio passenden Investments zu finden. Am Rentenmarkt stehen derweil verlässliche Staatsanleihen hoch im Kurs. Zum Jahresbeginn sank die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihen auf zuletzt 0,49 %. Der Bund-Future legte zu auf 156,75 %. Bei den US-Treasuries gleicher Laufzeit zeigte sich ein ähnliches Bild. Die Rendite sank nochmals auf zeitweise 1,91 % – dem niedrigsten Wert seit Oktober 2014.
finanzwelt diskutierte mit Experten über die Treiber, Trends und das Anlageverhalten an den Kapitalmärkten:
- Frederik G. Hildner, Leiter Portfoliomanagement Salm-Salm & Partner GmbH
- Carsten Holzki, Head of Sales (Non-Banks) Germany Invesco Asset Management Deutschland GmbH
- Michael Stegmüller, Vorstand Performance IMC Vermögensverwaltung AG
finanzwelt: Die Druckerpressen stehen nicht still und die Notenbanken pumpen viel Geld in die Märkte. Aus Sorge vor einer anhaltenden Deflation erwägt nun auch die EZB ein großangelegtes Anleihenkaufprogramm. Gleichzeitig hat sich der Richtungsstreit über die künftige Geldpolitik verschärft. Schrillen nun die Alarmglocken?
Stegmüller: Nein, das tun sie nicht. Die Finanzmarktakteure sind Teil eines großen Experiments, dessen Ausgang zum momentanen Zeitpunkt völlig ungewiss ist. Die US-Notenbank Fed als „Vorbild" hat ihre Bilanz mit mehreren Programmen zum Ankurbeln der schleppenden Konjunktur in den Jahren nach Ausbruch der Finanzkrise immens aufgebläht und die Zinsen auf einem rekordniedrigen Niveau von 0 bis 0,25 % belassen. Sie setzte Leitplanken zur Orientierung für die Investoren, um verloren gegangenes Vertrauen in die Märkte wieder herzustellen. Diese vorwärtsgerichtete Kommunikation war wichtig, richtig und ließ manche Zweifel an der Wirksamkeit dieser Strategie einstweilen verstummen. So viel lässt sich derzeit sagen.
finanzwelt: Demnach können wir uns sanft und bedenkenlos hinlegen und die Dinge auf uns zukommen lassen?
Hildner: Nein, das wäre deutlich zu kurz gesprungen. Ähnlich wie in den USA sind auch in der Eurozone die Inflationserwartungen jüngst drastisch zurückgegangen, was letztlich auf eine Abnahme des langfristigen Wachstums hindeuten würde, wenn die Notenbanken beginnen, die Zinsen über das derzeitige Niveau von annähernd null zu heben. Das Deflationsgespenst geht wieder um in Europa. Verbraucher und Unternehmen gehen von fallenden Preisen aus, schieben Konsum und Investitionen auf und bremsen so das Wachstum aus. Die Kernaufgabe der Notenbanken muss darin liegen, die Inflationsrate dahingehend zu steuern, dass wir uns in einem gesunden Investitionsklima wiederfinden und die Kreditvergabe nicht mehr gestört ist. Davon sind wir noch entfernt. Die Investoren suchen in dieser Situation Treasuries mit längeren Laufzeiten, um die günstigsten inflationsbereinigten Erträge zu erzielen.
finanzwelt: Vor diesem Hintergrund erscheinen Anleihen, zumindest Staatsanleihen bester Bonität, nicht gerade sehr attraktiv zu sein und ebnen den Weg für Aktieninvestments. Wo ist am Anleihenmarkt noch Geld zu verdienen?
Holzki: Lassen Sie mich noch eine wesentliche Bemerkung zur gesamtwirtschaftlichen Lage und den Implikationen auf die Märkte machen. Die USA ist wieder Wachstumslokomotive, während Europa schwächelt und am Rande der Deflation steht. Daher werden wir wahrscheinlich analog zu den USA auch auf dem europäischen Kontinent ein Quantitative Easing bekommen, um wieder richtig Fuß zu fassen. Was bedeutet das nun für den Anleihenmarkt? Nun, speziell bei klassischen Staatsanleihen sind die Ertragsaussichten gedämpft und auch bei den Unternehmensanleihen, traditionell eine Quelle höherer Erträge, dürften die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Trotz dieses anspruchsvolleren Marktumfeldes halten wir weiterhin attraktive Renditen am Anleihenmarkt für möglich. Beispiele sind Schwellenländer-Anleihen in Hartwährung (US-Dollar) oder Unternehmensanleihen von US-REITs.
Stegmüller: Diversifikation und aktives Management sind die zentralen Gebote der Stunde, wenn man sich erfolgreich auf den Anleihenmärkten bewegen will. Berater sollten erkennen, dass es durchaus auch attraktive Alternativen zu Aktieninvestments gibt und die Chancen nutzen. Natürlich setzt das fundierte Marktkenntnisse voraus. Wir haben eine Präferenz für Hartwährungsanleihen (US-Dollar) und Schwellenländerbonds. Vor dem Hintergrund niedriger Zinsen sind und bleiben die höherverzinslichen Anleihesegmente, insbesondere aus den Schwellenländern, für Anleger aus Ländern mit sehr guten Bonitäten wie zum Beispiel Deutschland besonders attraktiv.
finanzwelt: Sind Duration und aktives Management die wesentlichen Performance-Treiber?
Hildner: Diesen Faktoren sollte man tatsächlich eine große Bedeutung beimessen. Im vergangenen Jahr haben sich Long-Durationspositionen ausgezahlt, weil die Renditen von Staatsanleihen aus den Kernländern eigentlich nur in eine einzige Richtung tendierten. Das beste Beispiel dafür ist die Rendite 10-jähriger deutscher Bundesanleihen, die derzeit bei rund 0,50 % liegt. Zieht das Wachstum wieder an und dreht man an der Zinsschraube nach oben, sollten auch Wandelanleihen verstärkt auf dem Radar der Investoren stehen.
Holzki: Es gelten veränderte Spielregeln am Bondmarkt. Die Berater müssen mit ihren Kunden neue Wege gehen und sich auf das veränderte Umfeld am Kapitalmarkt einstellen. Dies beginnt zunächst bei der Kapitalbindungsdauer eines Portfolios, der Duration. Das ist eine entscheidende Komponente. Auch Flexibilität und Diversifikation können die nötigen Schlüssel zum Erfolg sein. Das gilt sowohl für die Möglichkeit, zwischen den verschiedenen Anleihekategorien, unterschiedlichen Branchen oder Ländern jederzeit flexibel wechseln zu können, als auch für die bereits erwähnte Kapitalbindungsdauer.
finanzwelt: Halb Aktie, halb Anleihe – Wandelanleihen versprechen ordentliche Rendite. Warum sollte man gerade jetzt in dieses Nischensegment einsteigen?
Hildner: Viele Aktienmärkte sind fair bis sportlich bewertet. Gleichzeitig rentieren die Zinsniveaus der wichtigsten Industrienationen heute teilweise unterhalb der jeweils vorherrschenden Inflationsrate. Das zugrundegelegt, können Investoren mit den hybriden Wandelanleihen weiter an steigenden Aktienkursen teilhaben und bei fallenden Notierungen von einem Sicherheitspuffer profitieren. Eine Beimischung von Wandelanleihen kann folglich existierende Anleiheportfolios sinnvoll ergänzen, indem sie die Portfoliokorrelation mit positiven Trends im Aktienmarkt erhöht. Wie bei jeder normalen Anleihe ist es dabei natürlich wichtig, auf Firmen zu setzen, deren Schuldnerqualität man gut einschätzen kann, die also nicht vom Ausfall bedroht sind. Wir haben deswegen einen proprietären Ratingprozess entwickelt und können somit verborgenes Potenzial abseits des offiziell gerateten Marktteils für Wandelanleihen heben. Rückblickend auf die letzten knapp 20 Jahre lässt sich sogar sagen, dass Wandelanleihen mit einer Wertentwicklung von 6,67 % p. a. bei einer Volatilität von 10,5 % die besseren Aktien gewesen wären.
finanzwelt: Herr Holzki, Sie sprachen von der Attraktivität der Hartwährung-Schwellenländeranleihen, warum?
Holzki: Bei Schwellenländerinvestments muss man zunächst einmal festhalten, dass Investoren vorsichtiger geworden sind und stärker differenzieren. Mit selektiven Ansätzen können auch weiterhin attraktive Erträge mit Schwellenländeranleihen erzielt werden. Wir glauben, dass Hartwährungsanleihen auch in diesem Jahr die bessere Alternative bleiben. Bereits im vergangenen Jahr haben sie die Lokalwährungsanleihen outperformt. In einigen Ländern könnten sich Lokalwährungsanleihen zwar durchaus lohnen, insgesamt dürften die lokalen Währungen jedoch mit höherer Volatilität auf mögliche US-Zinserhöhungen reagieren. Je defensiver der Kunde eingestellt ist, desto eher kommen Hartwährungen zum Zuge. Zu erwähnen ist ferner auch, dass das Angebot an Unternehmensanleihen mittlerweile größer als das an Staatsanleihen im Hartwährungsbereich ist.
finanzwelt: Auch das Hochzinssegment (High Yield), speziell mit Fokus USA, stand bei der Renditesuche in der jüngeren Vergangenheit meist oben auf der Präferenzliste. Ist diese Attraktivität auch 2015 gegeben?
Stegmüller: Bei Investments in globale Hochzinsanleihen wird es wichtig sein, die unterschiedlichen Entwicklungen in der Geldpolitik richtig zu nutzen. Die lockere Geldpolitik in den Industrieländern wird anhalten, aber für die Anleihemärkte sind zeitweilige Volatilitätsausbrüche zu erwarten. Mit Blick auf die USA lässt sich sagen, dass dort Zinsanhebungen die Ergebnisse beeinträchtigen könnten, allerdings wird dies ausgeglichen vom stärkeren makroökonomischen Umfeld mit einem Wachstum von 1 bis 3 %, das sich positiv auf die Anlageklasse auswirken sollte. Obwohl das absolute Renditeniveau mittlerweile im historischen Vergleich womöglich einen niedrigen Eindruck macht, wirken die Bewertungen im Vergleich zu Spareinlagen und Staatspapieren nach wie vor attraktiv. Zudem dürfte die Ausfallrate vorerst auf einem niedrigen Niveau verharren.
Fazit:
Trotz teilweise heftiger Schwankungen im Herbst des vergangenen Jahres gibt es für Investoren an den globalen Anleihemärkten noch etwas zu holen. Insbesondere US-Hochzinsanleihen und Schwellenländerbonds bieten noch einträgliche Renditechancen. Währungen sind eine weitere Ertragsquelle zur Renditeoptimierung. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, ist ein flexibler Investmentansatz notwendig. (ah)