Erhöht Corona die Fallhöhe?
05.05.2020
Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.
Nicht ganz nachvollziehbar ist für mich die aktuelle Stärke des US-Dollars, da die Krise besonders in den USA die Unternehmen und Private mit hoher Verschuldung schwer treffen könnte. Die sogenannten Zombie-Unternehmen, die schon vorher am Abgrund standen, könnten nun „schon einen Schritt weiter sein“. Die Unternehmen mit dem Investmentgrade BBB verlieren eventuell bei der nächsten Beurteilung ihre Investment-Bonität, so dass viele Kapitalsammelstellen diese Anleihen verkaufen müssen. Hier stehen immerhin ca. drei Billionen Gegenwert im Feuer.
Der Einbruch der Unternehmensgewinne werden nach dem amerikanischen „hire and fire“ die Arbeitslosenzahlen kräftig erhöhen. Gemäß einer Aussage der FED sind 39 Prozent der Amerikaner nicht in der Lage, eine Zusatzbelastung von 400 Dollar zu stemmen. Man muss also damit rechnen, dass viele Schuldner ihre Zins- und Tilgungsleistung nicht mehr erbringen können. Ein Hinweis dafür ist die Tatsache, dass die US-Banken trotz noch hoher Gewinne den Ausfall der Dividenden diskutieren und hohe Beträge als Vorsorge zurückstellen.
Als ganz undurchschaubar stellt sich aktuell der Ölmarkt dar. Noch mehr als in anderen Märkten auch, haben die irrsinnigen Derivatevolumen hier ein Blutbad angerichtet. Tatsache ist, dass derzeit gravierend mehr Öl gefördert wird, als die rezessive Wirtschaft verbraucht. Die Kürzungen der Ölförderung durch die Staaten sind noch immer zu nieder. Andererseits sind fast alle Haushalte dieser Förderländer nicht mehr finanzierbar. Die amerikanische Fracking-Industrie benötigt einen Ölpreis von 50 bis 80 Dollar zum Überleben. Je länger die Preise bei ca. 20 Dollar verharren, umso größer wird die Gefahr von Insolvenzen, obwohl die USA riesige Beträge in diese Industrie pumpen werden.
Auch europäische Länder werden hart getroffen. In den Peripherieländern liegt zum Beispiel der Anteil der Tourismusbranche am BIP hoch. Spanien 14,6 Prozent, Italien 13,2 Prozent und Griechenland sogar fast 31 Prozent. Müssen diese Länder zumindest vorübergehend aus dem Euro raus, um eine Währungsabwertung vornehmen zu können? Oder gibt es einen „Dexit“? Unmöglich werden viele sagen. Eines ist jedenfalls sicher: Wenn die Corona-Krise gelöst ist, warten weitere Krisen auf uns.
Für den Anleger sind die Risiken derzeit unkalkulierbar. Wer nur wenig Liquidität hat, sollte diese bei der aktuellen Rallye im Abwärtstrend besser erhöhen. Er muss bei zunehmend schlechten Unternehmensmeldungen mit einer weiteren Abwärtsbewegung der Aktien rechnen. Der DAX könnte dann die Tiefstkurse vom März noch einmal testen oder sogar unterschreiten. Langfristig werden sich dann aber auch gute Chancen für die Zukunft ergeben. So auch im Ölmarkt. Eines sollte allerdings nicht passieren: Eine zweite Corona-Welle.
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