Enteignung auf Französisch

02.08.2019

Markus Richert, CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln / Foto: © Portfolio Concept

Der EZB geht es um die Stabilität der Eurozone

Denn der EZB geht es um die Stabilität der Eurozone und nicht mehr um die Stabilität der Finanzen. Ein Bankrott oder Austritt Italiens wird die EZB mit allen Mitteln zu verhindern wissen. Denn das würde mit hoher Wahrscheinlichkeit den Zusammenbruch der europäischen Union und der Gemeinschaftswährung Euro bedeuten. Die derzeitige politische Führung in Italien weiß das und von Frau Lagarde droht den Italienern auch keine Gefahr. Sie wird wie ihr Vorgänger alles dafür tun, die Währungsunion zu erhalten. Auf seiner turnusmäßigen Pressekonferenz hat Draghi diese Marschrichtung noch einmal deutlich formuliert. Die Zinsen müssen runter und das Füllhorn der geldpolitischen Möglichkeiten der EZB ist noch gut gefüllt.

Strafzinsen für Privatkunden sind nicht mehr ausgeschlossen

Diese Politik hilft der schwächelnden Wirtschaft und ist gut für die Aktienmärkte. Für die Banken und vor allen den Zinssparern ist es eine Katastrophe. Aufgrund der sinkenden Margen drehen bereits viele Banken munter an der Gebührenschraube. Zusätzlich beginnen immer mehr Banken damit, die Negativzinsen der EZB an ihre Kunden weiterzugeben. Die Sparkassen in Baden-Württemberg haben Strafzinsen für ihre Kunden ausdrücklich nicht mehr ausgeschlossen. Das lässt Anleger verzweifeln, die auf vermeintliche Sicherheit setzen. Alle suchen nach Möglichkeiten, ihr Geld irgendwo anzulegen, wo es nicht kontinuierlich weniger wird. Fündig wurden sie in zwei Anlageformen. Zum einen in Immobilien, die seit der Finanzkrise eine rasante Wertsteigerung erfahren haben. So kostete eine Neubauwohnung in mittlerer bis guter Lage in Deutschland 2018 beinahe doppelt so viel wie zehn Jahre zuvor, ein Reihenhaus 70 Prozent mehr. Das sind mittlerweile schon lange keine günstigen Kaufpreise mehr. Die zweite Anlageform sind Aktien.

Der Aktienmarkt zeigt sich überraschend stabil

Aktien zeigten sich in den letzten Monaten, trotz schwelenden Handelskrieges, drohenden Brexit und globaler wirtschaftlicher Abkühlung überraschend stabil. Man stelle sich nur vor was passieren würde, wenn die EZB auch Aktien kaufen würde. Ausgeschlossen ist dieser Schritt der EZB unter Madame Lagarde nicht. Andere Notenbanken in vergleichbarer Situation sind da schon weiter. Die Bank of Japan kauft seit Jahren bereits ETFs. Mittlerweile ist sie indirekt an neun von zehn Unternehmen aus dem Nikkei-Index beteiligt. Im vergangenen Jahr erhöhte die Bank ihre ETF-Bestände um 6,3 Bio. Yen (49 Mrd. Euro). Viele Beobachter trauen auch der Juristin Lagarde einen solchen Schritt zu. Rechtlich sicherlich eine Grauzone, aber bereits als IWF Chefin während der Griechenlandkrise gab sie die Richtung vor. “Wir verletzten alle Rechtsvorschriften, weil wir einig auftreten und wirklich die Euro-Zone retten wollten”. Ein Tabubruch ist der Französin nicht wesensfremd. Wer als Zinssparer der Enteignung entgehen will, sollte handeln. Trotz gestiegener Kurse sind Aktien noch vergleichsweise günstig.

Kolumne von Markus Richert, CFP® und Seniorberater Vermögensverwaltung bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln